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Beitar Jerusalem: Wo der Hass mitspielt

Weil der israelische Klub Beitar Jerusalem zwei muslimische Spieler aus Tschetschenien verpflichtet hat, rebellieren seine antiarabischen Fans - und zünden die eigenen Vereinsräume an.

Auf Hebräisch bedeutet Jerusalem "Stadt des Friedens". Hier soll nach jüdischem Glauben Salomon den ersten Tempel gebaut haben, nach christlichem Glauben Jesus gekreuzigt worden sein, und laut Islam ist hier der Prophet Mohammed in den Himmel aufgefahren. Manchmal ist die Stadt des Friedens voller Hass.

Darum stehen an diesem Sonntagabend im Februar 700 schwer bewaffnete Sicherheitskräfte vor dem Teddy-Stadion. Es ist benannt nach Teddy Kollek, dem früheren Jerusalemer Bürgermeister und Gründer der Jerusalem Foundation, die sich seit 40 Jahren für das friedliche Zusammenleben zwischen Juden, Christen und Muslimen einsetzt. An diesem Sonntag aber weht ein anderer Geist. Die Polizisten tragen Sturmgewehre, sie nehmen Personalien von Unruhestiftern auf. Die Stimmung ist angespannt vor diesem Heimspiel von Beitar Jerusalem. Denn Beitar hat Ende Januar zwei muslimische Spieler in das Team aufgenommen.

Eigentlich ist das im israelischen Fußball nichts Ungewöhnliches. Viele arabische Israelis spielen in der ersten Liga, und oft gehören sie zu den Besten. Wie Abbas Suan, einst gefeierter Spieler der Nationalmannschaft, 2005 Torschütze in einem WM-Qualifikationsspiel gegen Irland. Doch als er damals im Teddy-Stadion spielte, buhten die Fans, brüllten, dass Araber Hurensöhne seien, dass sie ihn hier nicht wollten, beleidigten den Propheten Mohammed.

Beitar Jerusalem hat sechs Meisterschaften und sieben Pokale in Israel gewonnen. Bekannter ist der Verein jedoch dafür, dass er als einziger in der ersten Liga noch nie einen arabischen Spieler unter Vertrag hatte. Seine extrem antiarabische Ultra-Gruppierung „La Familia“ verteidigt diesen Fakt mit Stolz. Dass es sich bei den aktuellen Neuzugängen nicht um Araber, sondern um Muslime aus Tschetschenien handelt, macht für viele Fans keinen Unterschied.

An diesem Sonntag im Februar steht eine kleine Gruppe von Fans vor dem Stadion und demonstriert gegen den Hass. Mädchen mit gelben Luftballons posieren neben einem Schild, das zu mehr Toleranz im Fußball aufruft. Sie wollen eine Gegenbewegung bilden zu jenen, die sich in den letzten Wochen wiederholt bei Spielen mit Schildern präsentiert haben, auf denen „Beitar für immer rein“ zu lesen war.

Viele Vorsitzende der rechtsgerichteten Likud-Parteivorsitzen waren oder sind Fans des Teams

Wie die meisten Klubs in Israel wurde auch Beitar mit einer politischen Botschaft gegründet. Er stammt aus der Zeit einer zionistischen Jugendbewegung, die Anfang der Zwanziger Jahre in Osteuropa entstand. Viele Vorsitzende der rechtsgerichteten Likud-Parteivorsitzen waren oder sind Fans des Teams. Etwa Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Ex-Außenminister Avigdor Lieberman und der ehemalige Ministerpräsident Ehud Olmert, der noch heute eine Dauerkarte fürs Stadion besitzt.

Wenige Tage vor dem Spiel sitzt der Vereinsvorsitzende Itzik Kornfein in den Räumen von Beitar Jerusalem und grübelt darüber nach, wie er mit den Fans umgehen soll. Es ist ein schmuckloses Gebäude neben dem Trainingsplatz. In Kornfeins Büro steht ein großer dunkler Schreibtisch, an der Wand hängt ein Bild der aktuellen Mannschaft. Kornfeins breite Schultern deuten auf seine eigene Fußballkarriere hin, er hat lange als Torwart für Beitar gespielt.

Auch Vorstandsmitglied Israel Goldschmidt, gleichzeitig Sprecher des Klubchefs Arkady Gaydamak, ist gekommen. Goldschmidt sagt, es habe viele Missverständnisse gegeben. Kornfein versucht, das Phänomen der antiarabischen Ultras so zu erklären: „Es gibt viele frustrierte junge Männer in Israel, sie missbrauchen Beitar für ihre Ideologie.“

20 Prozent der israelischen Bevölkerung sind arabischer Herkunft, insgesamt 1,5 Millionen Menschen. Die Spannungen zwischen Arabern und Juden sind allgegenwärtig – aber nirgendwo so spürbar wie in Jerusalem, wo die beiden Völker auf engstem Raum nebeneinanderleben. Bei den Beitar-Fans kommt hinzu, dass die meisten von ihnen Juden orientalischer Herkunft sind, oft ungebildet und Teil der Unterschicht Israels.

Beim ersten Training mit den tschetschenischen Spielern Zaur Sadayev, 23, und Gabriel Kadiev, 19, haben rund 150 von ihnen vor dem Übungsplatz protestiert und die Neuzugänge beschimpft. „Natürlich waren die neuen Spieler schockiert, wie viel Hass ihnen entgegen- schlägt. Aber wir versuchen, sie so gut es geht, zu unterstützen“, sagt Kornfein. „Wir wollen ihnen zeigen, dass diese Fans in der Minderheit sind und dass es noch ein anderes Israel gibt.“

Brandanschlag auf die eigenen Vereinsräume

Sie mögen eine Minderheit sein, doch die Facebook-Seite von La Familia hat immerhin über 4500 Fans. Auf Youtube finden sich Videos, in denen schon kleine Kinder im schwarz-gelben Trikot von Beitar Arabern den Tod wünschen. Nach einem Spiel im März 2012 hatte ein Mob von Beitar-Fans arabisch-stämmige Anhänger eines gegnerischen Teams in einem Einkaufszentrum neben dem Teddy-Stadion angegriffen – es kam zu einer Massenschlägerei.

In der Nacht nach dem Gespräch mit Itzik Kornfein verüben Unbekannte einen Brandanschlag auf die Vereinsräume von Beitar. Verletzt wird niemand, doch einige Büros und Trophäen werden zerstört. Sogar die Politik schaltete sich daraufhin ein: Ministerpräsident Netanjahu verurteilt den Anschlag als unwürdig und rassistisch. Zwar distanziert sich La Familia auf Facebook umgehend von der Tat, inzwischen wurden jedoch einige Männer aus dem La-Familia-Umkreis festgenommen.

Das rassistische Verhalten der Fans hat in den letzten Jahren nicht nur zu Imageproblemen, sondern auch zu finanziellen Sorgen für den Verein geführt. Sponsoren blieben aus, Israels Fußball-Verband hat Beitar wiederholt für die Aktionen seiner Fans bestraft, mit Geldbußen, Punktabzügen, Stadionverboten. Auch an diesem Sonntag ist das Stadion nur zu einem Drittel gefüllt. Weil La Familia wiederholt mit rassistischen Sprechchören aufgefallen ist, hat die Liga für die fünf kommenden Spiele die Osttribüne gesperrt. Einigen Ultras wurden im Vorfeld Stadionverbote erteilt, andere sind aus Protest zu Hause geblieben. Dennoch ist die Stimmung aufgeheizt. Beitar spielt gegen Bnei Sachnin, ein Team, das traditionell von arabischen Israelis unterstützt wird. Nachdem die Hymne verklungen ist, laufen die Spieler des Gastteams zu ihren Fans, lassen sich feiern. Die Beitar-Profis stehen unschlüssig auf dem Rasen – sie dürfen nicht zu ihren Fans in die Kurve. Vereinspräsident Gaydamak hat verfügt, dass jeder Spieler eine Strafe von 5000 Dollar zahlen muss, sollte er sich dieser Anweisung widersetzen. Denn in der Kurve stehen zum Teil jene Beitar-Anhänger, die mit ihrem Verhalten die Sperrung der Osttribüne verursacht haben.

Als das Spiel beginnt, herrscht Ruhe im Stadion. Die Fans in der Kurve schweigen, um gegen die Verpflichtung der muslimischen Spieler zu protestieren. Nur auf dem Rang feuert eine kleine Gruppe ihr Team weiterhin an. Sie hält eine Spruchband in die Höhe: „Liebe ohne Bedingungen.“ Dafür ernten sie Pfiffe der weniger toleranten Beitar-Fans. Bnei Sachnin erzielt den ersten Treffer, bald darauf den zweiten. In der Pause wärmt sich der 19-jährige Kadiev auf, jedes Mal wenn er den Ball berührt, pfeifen die Beitar-Fans den Tschetschenen aus. Kurz vor Schluss wird Kadiev unter Pfiffen und Buhrufen eingewechselt, doch die Anfeindungen gehen im Jubel der gemäßigten Fans unter.

Beitar kann noch ausgleichen, zumindest an diesem Abend bleibt es im Stadion verhältnismäßig ruhig. Am nächsten Tag gibt die Polizei bekannt, dass sie einige Fans schon vor dem Spiel festgenommen hat und dass rund 50 Anhänger von Beitar wegen rassistischer Gesänge des Stadions verwiesen wurden. Bis auf Weiteres haben die beiden tschetschenischen Spieler 24 Stunden am Tag einen Bodyguard an ihrer Seite.

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