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Kenenisa Bekele ist einer der Favoriten im Männerrennen.

© Reuters

Berlin-Marathon: Kenenisa Bekele will zurück zum Erfolg

Der Marathon könnte ein Wendepunkt in der Karriere von Kenenisa Bekele sein – bei besten Bedingungen muss er einfach gut laufen.

Fraglos gehört Kenenisa Bekele zu den größten Langstreckenläufern aller Zeiten. Der äthiopische Superstar steht in einer Reihe mit den Legenden Paavo Nurmi (Finnland) und Emil Zatopek (Tschechische Republik) sowie seinem Landsmann Haile Gebrselassie. Sie alle haben reihenweise Weltrekorde aufgestellt und etliche olympische Medaillen gewonnen. Kenenisa Bekele ist zudem mit 16 WM-Titeln der erfolgreichste Crossläufer aller Zeiten. Doch seine Karriere in den Straßenrennen ist noch keine Erfolgsgeschichte. Das soll sich am Sonntag ändern, wenn der 34-Jährige zum ersten Mal beim Berlin-Marathon an den Start geht.

Der dreimalige Olympiasieger und fünfmalige Weltmeister über die Bahn-Langstrecken hatte große Ziele, als er sich der klassischen Distanz zuwandte. Viel wurde im Frühjahr 2014 spekuliert bezüglich der Zeit, die Bekele in seinem Marathondebüt laufen würde. Könnte er auf Anhieb den damaligen Weltrekord von Wilson Kipsang brechen? Der Kenianer, der am Sonntag der voraussichtlich stärkste Gegner von Bekele sein dürfte und sogar versuchen möchte den aktuellen Weltrekord von 2:02:57 Stunden anzugreifen, war in Berlin 2013 eine Zeit von 2:03:23 Stunden gelaufen. In Paris fehlten Kenenisa Bekele zu jener Marke im April 2014 fast zwei Minuten. Immerhin gewann er aber mit einer starken Streckenrekordzeit von 2:05:04 Stunden, die nach wie vor seine Bestzeit ist. Es war aber nicht das, was der Äthiopier selbst erwartet hatte. „Ich denke, 2:05 Stunden ist eine langsame Zeit“, sagte Kenenisa Bekele am Freitag in Berlin. „Ich will am Sonntag deutlich schneller laufen.“

Das eigentliche Problem war nach Paris, dass er sich im Marathon nicht weiter entwickeln konnte. In Chicago startete er ein halbes Jahr später auf einer der schnellsten Strecken der Welt. Platz vier in 2:05:51 Stunden war eine Enttäuschung für einen Athleten seines Kalibers. Bekele hatte, wie sein Manager Jos Hermens erklärte, zu wenig hohe Umfänge im Vorfeld des Marathons trainiert. Er dachte offenbar, seine enorme Grundschnelligkeit – noch heute hält er die Weltrekorde über 5000 und 10.000 Meter – würde ausreichen.

Danach ging er ernsthafter an den Marathon heran und arbeitete zeitweilig mit dem renommierten italienischen Langstrecken-Coach Renato Canova zusammen. Doch nun kam Pech hinzu. Auf der flachsten Marathonstrecke der Welt, in Dubai, wollte Bekele im Januar 2015 den Weltrekord angreifen, den inzwischen der Kenianer Dennis Kimetto in Berlin auf 2:02:57 Stunden geschraubt hatte. Doch Bekele kam nicht ins Ziel. Muskelverkrampfungen, die offenbar von Problemen mit der Achillessehne stammten, stoppten ihn. Über ein Jahr lang war Kenenisa Bekele verletzungsbedingt ausgeschaltet und konnte bei keinem Rennen starten.

Im April 2016 meldete Bekele sich beim London-Marathon zurück

Erst im April 2016 meldete er sich beim London-Marathon zurück. Trotz eines noch großen Trainingsrückstandes gelang ihm ein beachtliches Comeback. Kenenisa Bekele wurde Dritter in 2:06:36 Stunden. Es schien klar, dass sein nächster Marathon der bei den Olympischen Spielen in Rio sein würde. Doch die äthiopischen Funktionäre hatten andere Pläne und nominierten ihn nicht. Sie ließen nicht nur ihren Langstrecken-Superstar zu Hause sondern sie verbauten ihm damit auch die Chance, ein Stück Sportgeschichte zu schreiben. Erst zwei Athleten ist es in der Geschichte der Olympischen Spiele gelungen, neben den 5000 Metern und dem 10.000-Meter-Lauf auch den Marathon zu gewinnen: Hannes Kolehmainen (Finnland) schaffte dies bei den Spielen 1912 (5000 und 10.000 Meter) sowie 1920 (Marathon), Emil Zatopek erreichte 1952 in Helsinki einen Gold-Hattrick, der vielleicht auf ewig einmalig bleiben wird. Jos Hermens versuchte zu intervenieren und machte die Funktionäre auch auf die sporthistorische Chance aufmerksam – vergeblich.

Eines seiner beiden großen Ziele im Marathon wird Kenenisa Bekele nun wohl nicht mehr erreichen können. Die Chance, Marathon-Olympiasieger zu werden, dürfte in vier Jahren in Tokio kaum noch realistisch sein für den dann schon 38-Jährigen. Doch Bekele hegt keinen Groll. „Das Thema Rio ist längst vorbei. Natürlich war ich enttäuscht, aber es geht jetzt in Berlin nicht darum, irgendetwas zu beweisen. Ich laufe so schnell ich kann.“

Vielleicht kann er sein zweites großes Ziel über die 42,195 Kilometer noch erreichen: das ist der Weltrekord. Es ist eher nicht damit zu rechnen, dass Kenenisa Bekele diesen schon am Sonntag in Berlin brechen kann. Doch mit einer persönlichen Bestzeit von klar unter 2:05 Stunden würde er zeigen, dass mit ihm wieder zu rechnen ist. Vielleicht kann er sogar den äthiopischen Rekord von Haile Gebrselassie unterbieten (2:03:59).

Wahrscheinlich bietet der Berlin-Marathon mit seiner schnellen Strecke, dem guten Wetter, der starken Zuschauerunterstützung und dem in der Regel perfekt abgestimmten Einsatz der Tempomacher Kenenisa Bekele die beste Chance, im Marathon auf die Erfolgsspur zurückzukommen. Anders herum: wenn dem Äthiopier in Berlin jetzt kein überzeugendes Rennen gelingt, wo dann?

Das Rennen am Sonntag wird ein Knackpunkt in der großen Karriere des Kenenisa Bekele. Der daraus resultierende Druck sollte kein Problem sein für den Läufer. Er ist schon mit einer ganz anderen Situation fertig geworden. Im Winter 2005 brach seine damalige Verlobte bei einem gemeinsamen Trainingslauf zusammen und starb. In der Hallensaison 2005 war Kenenisa Bekele daraufhin nur noch ein Schatten seiner selbst. Bei einem 3000-Meter-Rennen in Boston verzählte sich der unter Schock stehende Olympiasieger auf der 200-Meter-Rundbahn, setzte den Endspurt eine Runde zu früh an und verlor das Rennen. Doch ein paar Monate später wurde Kenenisa Bekele Crosslauf-Weltmeister und überraschte mit diesem Comeback selbst seinen Manager. Vor dem Berlin-Marathon sagt Jos Hermens: „Ich weiß nicht genau, wie gut seine Form ist, aber ich habe ein gutes Gefühl.“

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