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Der Aufsteiger. Der 1,68 Meter kleine Unioner Martin Hauswald (M.) überwindet Herthas Torhüter Gerhard Tremmel.

© Imago

Berliner Derbys: Union trifft Hertha

Heute in unserer Serie Berliner Derbys: Zur Neueröffnung des Olympiastadions am 1. August 2004 erzielt ausgerechnet der Stadtrivale aus Köpenick das erste Tor.

Irgendeiner hat da bei Hertha BSC nicht richtig aufgepasst. An diesem heißen Wochenende, als nach dreijährigem Umbau endlich das modernisierte Olympiastadion eingeweiht wird. Nena singt, Kerner plaudert, Barenboim dirigiert, 100.000 Neugierige kommen an zwei Tagen, sie bestaunen den tiefer gelegten Rasen, die steiler arrangierten Tribünen und die blaue Laufbahn. Nur bei der sportlichen Untermalung des Rahmenprogramms haben sie beim damals noch unangefochten führenden Berliner Fußballunternehmen einen kleinen, aber entscheidenden Fehler gemacht. Zwar ist zur offiziellen Einweihung Besiktas Istanbul als Premierengast angekündigt, doch zur Ouvertüre lassen die Profis vorher noch ihre in der Drittklassigkeit kickende zweite Mannschaft ran. Und das wird Folgen haben, wenn auch nur symbolische.

Knapp 6.500 Zuschauer verlieren sich im Olympiastadion, als es zur vorgerückten Mittagsstunde gegen den 1. FC Union geht. Union ist gerade aus der Zweiten Bundesliga abgestiegen und kämpft mit den üblichen finanziellen Problemen. Trainer Frank Wormuth, er hat früher mal für Hertha verteidigt, muss eine völlig neue Mannschaft aufbauen, sie ist im Durchschnitt nicht mal 23 Jahre alt. Bei Hertha spielen die Profis Gerhard Tremmel, Sofian Chahed und Andreas Schmidt mit, aber sie tun sich schwer gegen die kecken Köpenicker. Union macht das Spiel und, noch wichtiger, auch das 1:0. Um exakt 14.12 Uhr trifft per Kopf ein gewisser Martin Hauswald, ein gerade 168 Zentimeter kleines Bürschchen.

Es ist dies ein besonderer Moment: das erste Tor im neuen alten Stadion; und ausgerechnet einem Spieler vom 1. FC Union wird diese Ehre zuteil. Hertha schafft in der Schlussminute noch das 1:1 durch Chahed, im eigentlichen Eröffnungsspiel siegt Hertha 3:1 über Besiktas. Aber in keiner Rezension dieses Eröffnungstages fehlt der Hinweis auf die Köpenicker Urheberschaft des ersten Tores. Martin Hauswald interessiert das nicht weiter, er verlässt verärgert über den späten Ausgleich den Platz, aber auf den Tribünen feiern die aus dem Südosten der Stadt angereisten Union- Fans ihr ganz spezielles Erfolgserlebnis. Es ist die vorerst letzte Party, die Union begehen kann. Am Ende der Saison wird der Klub vier Trainer verschlissen haben und in die Viertklassigkeit absteigen. Martin Hauswald verlässt den 1. FC Union und verdingt sich künftig bei Eintracht Braunschweig.

Union wird ein paar Jahre auf den großen Fußball warten müssen. Ins Olympiastadion verirren sich die genügsamen Köpenicker Fans schon mal deshalb nicht, weil es für sie der Inbegriff des bösen Fußballkommerzes ist und Hertha BSC die Fortsetzung dessen, was sie zu DDR-Zeiten am BFC Dynamo verabscheut haben. Erst im Januar 2010 schauen gut 200 von ihnen mal wieder vorbei in Neu-Westend – aber auch nur, weil ihr Auswärtsspiel in Rostock wegen der winterlichen Witterung ausgefallen ist. Da die fidele Abordnung aus Köpenick gerade nichts anderes zu tun hat, macht sie sich einen Spaß daraus, Hertha im Überlebensspiel gegen den VfL Bochum mit einem flugs gebastelten „Absteiger“-Transparent zu verhöhnen, was einem gutnachbarschaftlichen Verhältnis der beiden Klubs nicht eben zuträglich ist. Fortsetzung folgt am Freitag ab 18 Uhr in der Alten Försterei, wenn sich erstmals seit 60 Jahren die ersten Mannschaften von Union und Hertha in einem Punktspiel gegenüberstehen.

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