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Sport: Berliner Eishockey: Vom Helden zum Grüßgottaugust: Lorenz Funk

Große Auftritte des großen Mannes sind selten geworden. Am Donnerstag betrat Lorenz Funk mal wieder die Bühne.

Große Auftritte des großen Mannes sind selten geworden. Am Donnerstag betrat Lorenz Funk mal wieder die Bühne. Sie war kleiner als früher und stand in einer Sportsbar im Hotel Berlin. Dank Funks Initiative hat die zweite Mannschaft der Capitals einen Hauptsponsor gefunden. Die Young Capitals spielen viertklassig, Funk referiert über die Wichtigkeit dieser für ihn erstklassigen Operation. "Ohne Nachwuchs können wir einpacken. Ob nun im Fußball oder Eishockey." Vierte Liga? Lorenz Funk? Der schwergewichtige Tölzer, der das Eishockey in Berlin über drei Jahrzehnte so sehr geprägt hat, wie kein anderer? Der Auftritt dokumentiert einen Abstieg vom Helden zum Frühstücksdirektor.

Kaum ein Eishockeyspieler ist hierzulande so bekannt wie Funk, in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hat derzeit keiner die Popularität des immerhin schon 53-Jährigen. Funk hat so ziemlich alles als Spieler erreicht, Bundesverdienstkreuz inklusive. 225 Länderspiele, Bronze bei den Olympischen Spielen 1976, Deutscher Meister 1966 mit Bad Tölz, 1974 und 1976 mit dem Berliner Schlittschuh-Club, das war der Spieler Lorenz Funk. Nach dem Rückzug des Schlittschuh-Clubs aus der Bundesliga 1982 war Funk maßgeblich am Aufbau des BSC Preussen beteiligt, erst als Spieler, dann hinter der Bande. Mit unschönem Ende: 1988 wurde der Trainer Lorenz Funk nach einer Niederlagenserie entlassen. Drei Jahre hat er sich danach in der Zweiten Liga verdingt, in Tölz und Bayreuth. Doch er wollte zurück in seine Lieblingsstadt. West-Berlins Eishockeyidol wagte einen Schritt, der als undenkbar galt. Funk ging zum EHC Dynamo Berlin, einem Klub mit Problemen im vereinigten Deutschland - in sportlicher und finanzieller Hinsicht. Funk stieß im Osten auf Berührungsängste: "Die haben gemeint, ich sei ein Spion. Zwei Jahre hat das gedauert, bis die mich angenommen haben."

Erst war Funk Trainer, dann Manager beim EHC. Nach und nach verschwand die Farbe Grau aus dem Wellblechpalast in Hohenschönhausen, aus Dynamo wurde der Kult-Klub EHC Eisbären. Dank Funk und seiner Kontakte wurde aus dem Prügelknaben der Bundesliga eine erfolgreiche Mannschaft in der DEL. Als einer der ersten erkannte Funk die Chancen des Bosman-Urteils, verpflichtete Spieler aus der ganzen Eishockey-Welt. 1996 wurden die Eisbären Vizemeister, ein Jahr später dritter in der Europaliga.

Die Gabe, alle an einen Tisch zu bringen, war immer Funks Stärke. Hemdsärmeligkeit und Funks legendäres "EHC Berlin, Funk Grüß Gott" waren aber nicht mehr gefragt, als die Eisbären 1999 vom US-Konzern Anschutz gekauft wurden. Kühles nordamerikanisches Geschäftsdenken und bajuwarisch-berlinerische Gemütlichkeit, das passte nicht. In die neue Zeit passte Funk nicht mehr. Er wurde bei den Eisbären vom Manager zum Nachwuchsexperten hinunterbefördert. Eine bittere Erfahrung, die Funk nicht weiter ausleben wollte.

Zurück nach Hause

Als Roger Wittmann rief, wechselte Funk westwärts zu den Capitals. Der gewiefte Wittmann suchte einen Nachfolger für sich selbst als Manager bei den Capitals, wusste um die Außenwirkung des Idols Funk. Hatten sich Wittmann und Funk zuvor als Verantwortliche der Berliner Lokalkonkurrenten noch nach allen Regeln rhetorischer Kunst bepoltert, so saßen sie im Sommer 2000 urplötzlich an einem Tisch. Medienwirksam verkündete Wittmann die Verpflichtung von Funk, bei der Zeremonie fehlte nur noch der Tölzer Knabenchor.

Funk fühlte sich gebauchpinselt. "Ich bin wieder zu Hause", hat er damals gesagt. Ein Zitat, das ihm vielleicht heute manchmal wehtut, auch wenn der Gemütsmensch Funk das nie zugeben würde. Bei den Capitals spielte er im Machtgefüge schnell keine schwergewichtige Rolle mehr. Es gab drei Sportdirektoren. Lutz Schirmer und Rob Cimetta hatten mehr zu sagen als Funk - auch deshalb, weil es nicht Funks Art ist, sich auf unbequeme Machtkämpfe einzulassen.

Seit dieser Saison ist Funk bei den Capitals im Marketingbereich tätig, eine genaue Amtsbezeichnung hat er nicht. In Eishockeykreisen wird er dennoch geschätzt und geachtet. Jeder freut sich, wenn der Funk Lenz mit seinen Kontakten hilft. So etwa der Nachwuchs der Capitals. Immer häufiger ist Funk bei Spielen der Young Capitals auf der Tribüne zu finden: "Es ist wichtig, dass endlich mal jemand was für den Nachwuchs macht." Kann einer wie er mit so einer Aufgabe bei den Capitals zufrieden sein? "Freilich bin ich zufrieden, es gibt ja schließlich viel zu tun."

Den ostalgischen Blick in die eigene Vergangenheit hat Funk nicht verloren. "Zu den Eisbären gehe ich häufig. Dass es heute bei denen so gut läuft, daran habe ich ja meinen Anteil. Ob das dort in Zukunft alles so funktioniert, wie die sich das mit ihrer neuen Halle vorstellen weiß ich nicht", sagt Funk. "Wir sind nicht in Amerika, die werden noch ihre Überraschungen erleben." Funk hat in jüngster Vergangenheit in beruflicher Hinsicht viele Überraschungen erlebt, wurde wegen seiner Auftritte für die Capitals auch schon als Grüßgottaugust verspottet.

"Lauf dem Puck nicht hinterher, sondern dahin, wo der Puck sein wird" - mit diesem Ausspruch von Erich Kühnhackl, einem prominenten Mitstreiter aus Funks Zeit als Spieler, wirbt zu Zeit eine Versicherung. Wohin ist Lorenz Funk gelaufen? Immer in die richtige Richtung, findet er, und die liegt für ihn jenseits der Bande eines Eishockeystadions: "Heute bin ich überall beliebt, ob in Ost oder West", sagt Lorenz Funk. "Und das ist in Berlin leider immer noch keine Selbstverständlichkeit."

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