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Traumduo. Kristina Vogel (r.) holte 2012 mit Miriam Welte in London ihre erste Goldmedaille bei Olympia.

© Matt Rourke/AP

Berliner Sechstagerennen: Kristina Vogel: "Ich bin eine, die gerne Spaß macht"

Vor dem Sechstagerennen räumt Bahnrad-Königin Kristina Vogel mit ein paar Missverständnissen auf – und erklärt ihre Motivation.

Von David Joram

Frau Vogel, in einem sozialen Netzwerk beschreiben Sie sich als „crazy girl“. Wie verrückt sind Sie denn?

Wer Leistungssport betreibt, muss immer ein bisschen verrückt sein. Und wer mit 60, 70, 80 Sachen um die Kurven donnert, sowieso. Der Mensch ist ja eigentlich komfortabel veranlagt – ich bin also schon nicht ganz normal. Nein, im Ernst: Ich bin halt eine, die gerne Spaß macht.

Der Bahnrad-Bundestrainer hat mal gesagt: „Kristina ist unser bester Mann.“

Das war nur so ein Spruch. Er wollte damit sagen, dass ich mein Ding einfach durchziehe, dass ich eine bin, die geradeaus ist.

Sie ziehen meistens so gut durch, dass keine andere Sprinterin folgen kann. Haben Sie schon mal überlegt, sich mit der Männerkonkurrenz zu messen?

(lacht) Ne, ne, ne, das kommt gar nicht in Frage. Biologisch bedingt sind die Männer einfach voraus.

Sie haben alles erreicht, sind Olympiasiegerin, neunfache Weltmeisterin. Was motiviert Sie noch?
Eigentlich bereite ich mich so vor, als ob ich noch nie etwas gewonnen hätte. Aber es stimmt schon: Die Leistungen zu bestätigen, immer an der Spitze zu stehen, wird von Jahr zu Jahr schwieriger, die Fallhöhe nimmt zu. Ich bin die Gejagte, die anderen kennen meinen Rennstil und stellen sich darauf ein.

Sie meinen, den Sprint von vorne und nicht aus dem Windschatten heraus zu fahren.

Genau. Das immer wieder zu bestätigen, spornt mich an.

Sie kommen gerade aus dem Trainingslager in Südafrika. Konnten Sie auch mal das Wetter genießen?

Wir waren 20 Tage dort und hatten einen Ruhetag. Das war schon ein harter Lehrgang, aber bewusst so gesteuert. Wir haben viele Umfänge trainiert. Den letzten Schliff für die WM Anfang März in Apeldoorn holen wir uns dann in Frankfurt/Oder. Am Ende geht es darum, die Power aufs Rad zu bringen, aber jedes Jahr ist von der Trainingssteuerung her anders, der Körper ist keine Maschine.

Ab Donnerstag steht noch das Sechstagerennen im Berliner Velodrom an, wo Sie im Oktober Europameisterin wurden. Fußballer treten am liebsten zuhause an, Bahnradfahrerinnen auch?

Im Velodrom fahre ich sehr gerne, die Bahn liegt mir besser als zum Beispiel in Apeldoorn, sie hat Charakter.

Worin unterscheiden sich Bahnen denn?

Auf den ersten Blick sieht alles gleich aus: Zwei Geraden, zwei Kurven, man fährt immer linksrum. Trotzdem ist jede Bahn unterschiedlich. Es gibt welche, die sind unebener als andere, die Winkel sind anders, mal flacher, mal steiler. Wenn man frisch auf eine Bahn kommt, muss man die erstmal fühlen und lesen lernen.

Was ist typisch für Berlin?
Berlin ist schwerer zu fahren, weil die Kurven enger sind, die Geraden länger. In Apeldoorn fällt das Lenken leichter, die Kurven sind weiter, die Geraden kürzer.

Wie viel Atmosphäre saugen Sie während eines Rennens auf?

Am Start kriegt man besonders viel mit. Manchmal ist es so laut, dass man den eigenen Puls nicht hört. Trotz aller Konzentration: Ausblenden lässt sich das Drumherum nicht; aber das will ich auch gar nicht, ich finde das ultraschön, es gibt mir extra Motivation.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Klage französischer Sportverbände gegen das „Whereabouts-System“ abgelehnt. Das heißt: Auch in Zukunft müssen ausgewählte Topsportler drei Monate im voraus ihren Aufenthaltsort angeben, um für unangekündigte Dopingtests zur Verfügung zu stehen. Wie bewerten Sie das Urteil?

Das ist eine schwierige Geschichte. Einerseits bin ich ganz klar pro Anti-Doping-Kampf, andererseits ist man als Sportler unheimlich gläsern geworden. Wer eine Wohnwagenreise durch Amerika plant, muss vorher bei der Nationalen Doping-Agentur, der Nada, anrufen. Die planen quasi schon deinen Urlaub.

Sie sind, zusammen mit dem Belgier Kenny de Ketele, seit Kurzem Athletensprecherin beim Internationalen Radsportverband UCI. Wie groß ist Ihr Einfluss bei solchen Themen?

Die Nada ist von der UCI abgekoppelt, insofern ist es schwer, da was zu machen.

Seit Dezember werden Sie vom Niederländer Anner Miedema trainiert. Was macht er anders als Vorgänger Tim Zühlke?

Was die Persönlichkeit betrifft, tickt Anner zu 180 Grad anders. Er hat – wie ja jeder Trainer – eine eigene Handschrift, darauf muss ich mich einstellen. Es gilt, eine gemeinsame Sprache zu finden.

Und das bedeutet?

Das ist schwer zu erklären...

Probieren Sie es gerne.
Sport ist unheimlich feinfühlig. Da geht es zwar auch um Taktik, aber eben nicht nur. Mit meinem Trainer muss ich mich blind verstehen, so als wären wir ein altes Ehepaar. Das meint gemeinsame Sprache. Bisher sind wir auf einem guten Weg.

Ihr alter Coach, Tim Zühlke, wechselte wegen besserer Verdienstmöglichkeiten nach China. Sie haben deshalb im Oktober Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, und Innenminister Thomas de Maizière kritisiert...

... nein, habe ich nicht.

Die „Bild“ titelte: „Doppel-Zoff um Gold-Kristina“.

Ich habe lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass wir aufpassen müssen, wenn schon die Trainer abwandern. Und es war auch so gemeint, dass wir mit den Fördermitteln, die wir bekommen, eben leben müssen. Ich kann ja deswegen schlecht Thomas de Maizière anrufen oder Angela Merkel.

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