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Der ehemalige Bergmann Stefan Beinlich schaffte es sogar bis in die Nationalmannschaft. Für Deutschland lief er insgesamt fünfmal auf.

© dpa

Alte Bekannte im Berliner Fußball (10): Bergmann-Borsig: Das Geld brachte den Ruin

Die Betriebssportgemeinschaft Bergmann-Borsig war die dritte Kraft in Ost-Berlin. Dann kam die Wende und mit ihr das große Geld - doch der Verein übernahm sich.

Schlimm ist’s im Winter. Die Kälte, die hohe Luftfeuchtigkeit und der marode Schuppen – Eckhard Düwiger kann sich noch genau erinnern. Wie die Spieler die Trainingssachen mit nach Hause nehmen, weil sie in der Kabine nicht trocken werden. „Die Bedingungen im Kissingen-Stadion waren eine Katastrophe, bestenfalls kreisligatauglich“, sagt Düwiger heute.

Und doch schafft er es als Trainer, mit den Fußballern der BSG Bergmann-Borsig 1977 bis in die DDR-Liga, also die zweithöchste Spielklasse des Landes, aufzusteigen. Nicht schlecht für einen Verein, der im Berliner Norden stets im Schatten des großen BFC Dynamo steht und nur über bescheidene Mittel verfügt. Die Fußball-Abteilung ist als Betriebssportgemeinschaft dem Energieanlagenwerk Bergmann-Borsig zugehörig. Im Sportsystem der DDR sind Vereine meist an sogenannte Trägerbetriebe gebunden, Betriebssportgemeinschaften verlieren in der Hierarchie des organisierten Sports aber mehr und mehr an Wertigkeit.

Gefördert werden nach einem politischen Entschluss zuerst die neu gegründeten Fußball-Clubs, kurz FC. Sie werden als selbstständige Sektionen meist aus den Sportclubs ausgegliedert. So kommt es, dass in den Siebzigern die Oberliga von Fußball- und Sportclubs dominiert wird, während für die Betriebssportgemeinschaften nur selten mehr als die DDR-Liga möglich ist. Bergmann-Borsig gehört mit Kabelwerk Oberspree (KWO), Rotation und Narva zu jenen Vereinen, die hinter dem BFC Dynamo und dem 1. FC Union um den Platz als drittstärkste Ost-Berliner Kraft konkurrieren.

Von 1977 bis 1983 spielt Bergmann-Borsig abgesehen von einer Saison stets in der DDR-Liga. „Das war immer ein Kraftakt, wir konnten den Spielern ja nicht viel bieten. Lediglich die Aussicht auf ein Fachschulstudium hat bei manchen gezogen“, sagt Düwiger. So kommen meist jene, die ihre Karriere in einem familiären Umfeld ausklingen lassen wollen oder die beim BFC oder bei Union aussortiert wurden.

Stefan Beinlich macht nach dem Mauerfall Karriere

Das trifft viele Jahre später auch auf zwei Spieler zu, denen Bergmann-Borsig in erster Linie seine heutige Bekanntheit verdankt: Stefan Beinlich und Matthias Breitkreuz. Beide kommen 1989 als Junioren vom BFC. Zumindest Beinlich hat zu diesem Zeitpunkt den Traum von einer Laufbahn als Fußballer verworfen. „Ich wurde bei Dynamo aussortiert, offiziell aus gesundheitlichen Gründen, inoffiziell wegen Westverwandtschaft“, sagt Beinlich. Fußball will er noch in der Freizeit spielen, Beinlich beginnt beim Betrieb Bergmann-Borsig eine Ausbildung als Elektriker. Doch dann fällt wenige Wochen später die Mauer.

Die Fußballer von Bergmann-Borsig machen sich zur Saison 1990/91 als Pankower Verein selbstständig und spielen fortan in der neu gegründeten Oberliga des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV). Breitkreuz und Beinlich gehören da schon zum Kader der ersten Männermannschaft, ohne allerdings eine große Rolle zu spielen. Das ändert sich ein Jahr später während des Trainingslagers in den Niederlanden. Die zwei fallen einem Scout vom englischen Spitzenteam Aston Villa auf.

Wenige Wochen später wird der Deal fix gemacht, die Nachwuchsfußballer wechseln von der deutschen Oberliga in die erste englische Liga. Dem Berliner Verein eröffnen sich auf einmal ganz neue Möglichkeiten. Man spricht von 400 000 Mark, die Bergmann-Borsig insgesamt für beide erhält. Alle Seiten sind zufrieden. „Bergmann-Borsig war für meine Entwicklung genau der richtige Verein zur richtigen Zeit“, sagt Beinlich heute.

Doch das viele Geld bringt dem Verein kein Glück. Dabei sieht es zunächst gut aus. Nach Platz drei in der Oberliga kommt 1992 Eckhard Düwiger als Trainer zurück, mit ihm soll der Sprung in die Zweite Bundesliga gelingen. Der Verein spielt inzwischen in der Nordendarena in Hohenschönhausen, im Kader stehen hoffnungsvolle Nachwuchskräfte wie Christian Beeck oder Oldies wie Bernd Schulz. „Es gab in Berlin nicht wenige, die uns damals für besser als Hertha hielten“, erzählt Düwiger.

Der Verein investiert viel in die Mannschaft. Zu viel, wie sich bald herausstellt. „Schon im September kamen die ersten ungedeckten Schecks“, sagt Düwiger. Eine Saison später ist Bergmann-Borsig pleite. Die Fußballabteilung schließt sich dem Weißenseer Verein SV Preußen Berlin an. Eckhard Düwiger ist zu diesem Zeitpunkt auch längst fort. „Der Verein wurde regelrecht zu Grunde gewirtschaftet. Ein schlimmes Ende“, sagt er. Heute erinnert sich der Trainer lieber an seine erste Zeit bei Bergmann-Borsig. Damals, als im alten Schuppen die Wäsche nicht trocken wurde.

Bisher erschienen: Viktoria 89, Spandauer SV, Türkiyemspor, Wacker 04, BFC Dynamo, VfB Einheit zu Pankow, SC Union 06, Blau-Weiß 90 und Tasmania 1900. Hier finden Sie alle Folgen der Serie!

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