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Heiß auf Gold. Kay Matysik (links) und Jonathan Erdmann warten noch auf ihren ersten ganz großen internationalen Titel.

© Imago

Beachvolleyball-Duo Matysik und Erdmann: Zwischen Schneesturm und Sandstrand

Wer im Sommersport Beachvolleyball siegen will, muss im Winter hart arbeiten. Die Berliner Kay Matysik und Jonathan Erdmann pendeln dafür zwischen Berlin und Teneriffa. Ein Trainingsbesuch.

Sonne, 20 Grad im Schatten, Blick aufs Meer. Unter den nackten Füßen feiner, warmer Sand. Kay Matysik und Jonathan Erdmann trainieren am Strand von Teneriffa. Alles perfekt. So schön kann das Leben eines Beachvolleyballers sein. Das ist gerade mal ein paar Tage her, doch inzwischen haben sich die Bedingungen radikal verändert. Minus zehn Grad, ein eisiger Wind weht feine Eiskristalle durch die Luft. Eine dünne Schneeschicht bedeckt den steinhart gefrorenen Boden. Willkommen in Berlin.

In der Beachvolleyballhalle im Sportforum Hohenschönhausen trainieren Matysik und Erdmann an diesem kalten Winternachmittag mit ihrem Coach Daniel Wood und zwei Nachwuchsspielern. Zum Glück ist die kunstbelichtete Halle angenehm temperiert, der Sand ist zwar kühl, aber nicht unangenehm kalt. Wenigstens ein bisschen Teneriffa.

Beachvolleyball – das steht für Sommer, Sonne, Strand. Doch die Saison zwischen April und Oktober stellt nur den sichtbaren Teil des Sportlerlebens dar. Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage fällt schon im Winter – und der kann in Berlin auch mal eisig sein.

Bei der WM holten Matysik/Erdmann 2013 Bronze

Im vergangenen Jahr haben der 33-jährige Matysik und sein acht Jahre jüngerer Partner Erdmann bei der Weltmeisterschaft in Polen die Bronzemedaille gewonnen. Der Berliner und der Potsdamer sind die legitimen Nachfolger von Julius Brink und Jonas Reckermann, jenem Duo, das 2012 in London sensationell olympisches Gold holte und hierzulande einen kleinen Beachvolleyball-Boom auslöste. In der Weltrangliste stehen Matysik/Erdmann auf Platz zehn, in Europa auf Position fünf. In Deutschland müssen sie nach dem Karriereende von Reckermann momentan niemanden wirklich fürchten. 2014 soll endlich ein großer internationaler Titel her, ein Sieg bei einem Grand Slam oder der Europameisterschaft in Rom ist das erklärte Ziel.

Doch dieser Tage liegt auch ein wenig Spannung in der Luft, wenn das Duo trainiert. Der Grund ist eine Verletzung, die sich Kay Matysik im vergangenen Spätsommer zugezogen hatte. Nach einem Teilabriss der Supraspinatussehne in der rechten Schulter musste Matysik operiert werden. Zwar verläuft der Heilungsprozess deutlich besser als erwartet, dennoch hinken die beiden im Vergleich zu den vergangenen Jahren im Trainingsplan ein wenig hinterher. „Kays Schulter ist bei 65 Prozent“, sagt Trainer Wood.

Das aber merkt nur der Experte. Denn Matysik hechtet an diesem Trainingstag von einer Seite zur anderen. Abwehrarbeit steht auf dem Programm, der Abwehrspieler Matysik ist deshalb mehr gefordert als Blocker Erdmann. Der Schweiß läuft Matysik unter der Mütze hervor über das Gesicht. Die trage er „wegen der Haare“, erklärt er in einer Pause, lüftet kurz die Kopfbedeckung und gibt den Blick frei auf ein paar längere Strähnchen. Schon geht es weiter zur nächsten Übung. Coach Wood steht auf einem Schlagpodest kurz hinter dem Netz und verteilt die Bälle in der anderen Hälfte. Mal kurz, mal lang – mal hart, mal soft.

Der Spanier Wood arbeitet seit 2013 als Vollzeittrainer für die Berliner

Der 39-jährige Wood ist Spanier und auf Teneriffa geboren. Matysik und Erdmann engagierten ihn zu Beginn der vergangenen Saison als Vollzeittrainer. Dass er Ähnlichkeit mit Tennisstar Novak Djokovic hat, sei ihm schon häufiger gesagt worden. „Aber der hat mehr Geld“, sagt Wood lachend. Beim Training gibt er sich ruhig, aber bestimmt. Funktioniert etwas seinen Vorstellungen entsprechend, ruft er langgezogen „niiiice“. Englisch ist die Amtssprache zwischen Coach und Team. Beachvolleyball ist international.

Kay Matysik, 33, ist der Abwehrspezialist im Team - und der Mann, der auf dem Feld die Kommandos gibt.
Kay Matysik, 33, ist der Abwehrspezialist im Team - und der Mann, der auf dem Feld die Kommandos gibt.

© promo

Für Matysik und Erdmann bedeutet das, viel unterwegs zu sein. Nicht nur während der Saison, sondern auch im Training. In der Halle werden die Grundlagen geschaffen, draußen wird die Wettkampfform erreicht. Also heißt es im Winter: Teneriffa – Berlin – Teneriffa – und wieder zurück. Erdmann, den alle nur „Joni“ rufen, trägt die Bräune vom letzten Besuch auf der Kanareninsel vor ein paar Tagen noch deutlich an Armen und Beinen. „Draußen herrscht eine ganz andere Thermik. Dazu kommt der Wind“, erklärt er. „Das kannst du in der Halle einfach nicht simulieren.“

Erdmann hat an diesem Trainingstag schon eine Einheit am Vormittag hinter sich. Jetzt hält er sich etwas zurück, wirkt zuweilen ein wenig abwesend. „Zu viele Leute“, erklärt Partner Matysik. „Normalerweise trainieren wir nur zu zweit, da gibt es natürlich nicht so viele Pausen zwischen den Übungen.“ Das Balltraining ist dabei nur ein Teil des Ganzen. Krafttraining gehört genauso dazu wie der tägliche Gang zum Physiotherapeuten. Da sind die beiden Spieler dann auf sich allein gestellt, die Trainingsschwerpunkte variieren auch wegen der unterschiedlichen Positionen auf dem Feld.

Jonathan Erdmann, 25, ist vor allem für die Arbeit am Netz zuständig und soll gegnerische Angriffsschläge blocken oder selbst punkten.
Jonathan Erdmann, 25, ist vor allem für die Arbeit am Netz zuständig und soll gegnerische Angriffsschläge blocken oder selbst punkten.

© promo

Wenn sie in Berlin sind, schuften Erdmann und Matysik sechsmal die Woche von zehn bis 17 Uhr im Sportforum. Die beiden sind praktisch Profis, so wie alle Spitzenspieler auf der Tour. Trotzdem hätten sie ihr Hobby nicht zum Beruf machen können, wenn der Staat sie nicht unterstützen würde. Offiziell sind Matysik und Erdmann Sportsoldaten der Bundeswehr, auch wenn sie dort meist nur nach Saisonende für sechs Wochen in einer speziellen Sportförderkompanie auftauchen.

Trainer Wood sieht aus wie Tennisstar Novak Djokovic

Kurz vor halb fünf geht der Blick von Trainer Wood immer wieder zur Hallenuhr. Andere Beachvolleyballer warten schon auf ihre Einheit. Während sich die deutsche Spitzenspielerin Kathrin Holtwick neben dem Feld mit hochrotem Kopf ausdauernd durch den Sand kämpft, ruft Wood „last round“. Noch einmal schmettert er die Bälle kreuz und quer über das Netz. „Mann!“, brüllt Matysik nach einer missglückten Aktion. Erdmann registriert es, steigt seinerseits noch einmal hoch und prügelt den Ball mit Urgewalt in die gegnerische Hälfte. Trainer Wood spendet Beifall, klatscht seine Jungs hinterher ab und wechselt noch ein paar Worte mit ihnen.

Schon am nächsten Tag sieht man sich wieder im Sportforum. „Dann“, so mutmaßt Kay Matysik, „werden wir all das, was wir heute geübt haben, wohl in einem Spiel wiederholen.“ Das Leben eines Beachvolleyballers kann manchmal auch hart sein. Immerhin: Das nächste Trainingslager in Teneriffa ist schon gebucht.

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