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An dieser Stelle werfen wir jede Woche einen Blick auf den Berliner Fußball.

© promo

Fußball in Unterzahl: Antreten oder nicht?

In den unteren Spielklassen sind Spielabsagen wegen Nichtantretens keine Seltenheit. Viele Mannschaften bekommen einfach nicht jede Woche eine komplette Elf zusammen. Aber eine solche Spielabsage kann teuer werden.

Fußball wird mit elf gegen elf gespielt, normalerweise zumindest. In den unteren Ligen, vor allem da, wo sich zahlreiche zweite Mannschaften tummeln, kommt es jedoch nicht selten vor, dass die Trainer kein komplettes Team zusammen bekommen und von vornherein in Unterzahl antreten.  Der Weddinger Bezirksligist Hellas Nordwest zum Beispiel bot am 19. Spieltag bei Eintracht Mahlsdorf II nur acht Mann auf, die zweite Mannschaft von Blau-Weiß Mahlsdorf/Waldesruh erschien zum Kreisliga B-Spiel bei SSC Teutonia II in Spandau nur zu neunt.

„Ich bin momentan kein Trainer, sondern eher ein Zusammensammler von Spielern“, sagt Andreas Sachse, eigentlich Übungsleiter der Zweiten Mannschaft von Hertha 03 Zehlendorf. Die waren in der Bezirksliga-Partie gegen den Grünauer BC II am 18. Spieltag ebenfalls nur zu acht, spielten aber immerhin bis zum Ende wacker durch und verloren "nur" mit 0:9. Oft bitten Mannschaften in einer solchen Situation um einen vorzeitigen Abbruch oder geben Verletzungen vor. Laut DFB-Regeln müssen nämlich mindestens sieben Spieler pro Mannschaft auf dem Platz stehen. Wird diese Zahl durch Platzverweise oder Verletzungen unterschritten, erfolgt der Spielabbruch.

Doch ist es dann nicht schlauer, gar nicht erst anzutreten, anstatt sich in Unterzahl vermöbeln zu lassen? Bernd Wusterhausen, Vorsitzender des Spielausschusses beim Berliner Fußballverband (BFV) erklärt: „Tritt eine Mannschaft drei Mal innerhalb einer Saison nicht an, wird sie gestrichen und muss in der nächsten Spielzeit ganz unten wieder anfangen, in der Kreisliga C. Alle bis dahin absolvierten Spiele werden annulliert.“ Hinzu kommt eine Geldstrafe von 30 Euro pro Nicht-Antreten sowie 120 Euro im Falle einer Streichung oder bei freiwilligem Rückzug einer Mannschaft. Summen, die in den oft klammen Vereinskassen schon sehr schmerzen können.

Gerade im Fall von Bezirksligist Hertha 03 II wäre eine Streichung fatal, da man sonst den Neuanfang im nächsten Jahr gleich drei Ligen tiefer starten müsste. Deshalb versucht Coach Sachse momentan alles, um die restlichen Spiele irgendwie noch über die Bühne zu bringen. „Zum Training kommt momentan kaum jemand, ich bin die ganze Woche damit beschäftigt, Leuten hinterher zu telefonieren und irgendwie elf Spieler zusammen zu kratzen.“ Gerade im Winter hätten viele Amateurkicker keine große Lust auf Fußball, da sind dann plötzlich andere Dinge wichtiger. „Studium und Beruf gehen natürlich vor, aber viele kommen auch mit sehr dürftigen Ausreden“, so der Trainer.

Mal wettbewerbsfähig, mal Kanonenfutter

In höheren Ligen kommt Spielermangel vor allem dann vor, wenn Sponsoren abspringen und die Spielergehälter nicht mehr bezahlt werden können. Dennoch ist das Phänomen der Spiele zu acht oder neunt normalerweise nur in den untersten Ligen zu beobachten, wie Bernd Wusterhausen mitteilt.

Mannschaften, die sich auf diese Weise durch die Saison schleppen, haben in erster Linie selbst die Konsequenzen zu tragen. Wettbewerbsverzerrend ist es allerdings schon, wenn man in einer Woche eine konkurrenzfähige Truppe hat, an einem anderen Tag aber zu acht oder neunt lediglich ein Punktelieferant ist. Für die Liga-Konkurrenten wird es auch dann ärgerlich, wenn tatsächlich ein Team gestrichen oder zurückgezogen werden muss. Gerade in der Kreisliga C ist es üblich, dass während der Saison zahlreiche Mannschaften ausscheiden. Statt wie vorgesehen 16 Teams pro Staffel, sind es am Ende meistens nur noch um die 13, teilweise sogar noch weniger. In der 3. Staffel sind in der aktuellen Spielzeit noch ganze zehn Teams übrig. Große Lücken im Spielplan und mitunter mehrere Wochen spielfrei mitten in der Saison sind für die verbliebenen Mannschaften dann die Folge. Ein Nachteil für die anderen Klubs kann es auch sein, wenn eine Mannschaft zurückzieht, die man bereits geschlagen hat, da dann die Punkte wieder gestrichen werden.

Um die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung zu minimieren, hat der BFV vor drei Jahren eine weitere Frist für die Schlussphase der Saison eingeführt: Wer nach dem 1. April zurückzieht oder gestrichen wird, bekommt einen zusätzlichen Punktabzug für die nächste Spielzeit aufgedrückt. Auch die Geldstrafe für das Zurückziehen von Mannschaften gibt es erst seit drei Jahren. Seit diesen Änderungen, so Bernd Wusterhausen, sei die Zahl der nachträglichen Abmeldungen leicht zurückgegangen.

Ein Grund für die vielen Rückzüge in der Kreisliga C ist dem BFV-Mann zu Folge die schwierige Saisonplanung im Sommer. Während die Wechselfrist von Spielern bis zum 30. Juni läuft, geht die Meldefrist von Mannschaften nur bis Mitte Mai. Die Vereine müssen sich also frühzeitig entscheiden, welche Mannschaften sie anmelden, obwohl sie bis dahin meist noch gar nicht wissen, wer alles im Kader stehen wird und wie viele Spieler insgesamt zur Verfügung stehen werden. So entsteht ein Vakuum in der Saisonplanung, was zur Folge hat, dass viele Vereine zusätzliche Mannschaften „auf gut Glück“ anmelden, um sich die Platzzeiten für Spiele und Training zu sichern. Oft genug stellt sich dann erst später heraus, dass keine zweite Mannschaft zustande kommt.

Aus planungstechnischen Gründen lässt sich diese Lücke zwischen Melde- und Wechselfrist auch nicht verhindern, wie Wusterhausen erklärt. „Die Wechselfristen sind vom DFB vorgegeben und müssen einheitlich bis in die untersten Ligen gelten. Für die Einteilung der Staffeln und die Erstellung der Spielpläne brauchen wir aber den Vorlauf.“ Ein Problem sei auch, dass es für die niedrigen Spielklassen noch keine automatische Spielplanerstellung gibt, wie etwa in der Bundesliga. Die Ansetzer müssen daher manuell die Spieltage zusammenstellen und dabei alle Ligen inklusive der Jugend- und Seniorenspiele miteinander abpassen, damit es keine Überschneidungen bei der Platzvergabe gibt. Das braucht seine Zeit.

Somit bleibt den Kreisligisten oft keine andere Wahl, als ein wenig Risiko bei der Planung einzugehen und auf Zuverlässigkeit und Treue ihrer Kicker zu hoffen. In Zehlendorf zumindest hat sich der Einsatz und die mutigen Auftritte in aussichtsloser Unterlegenheit scheinbar gelohnt: Am 19. Spieltag konnte Trainer Sachse endlich mal wieder aus dem Vollen schöpfen, hatte sogar 13 Mann zu Verfügung – und prompt gab es einen Sieg des Schlusslichts gegen den Tabellendritten VfB Hermsdorf II. Hält dieser Trend an, ist sogar noch der Klassenerhalt möglich.

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