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Kaweh Niroomand, 58, ist Manager des Volleyball-Bundesligisten SC Charlottenburg. Niroomand hat im Wesentlichen den SCC zu seiner heutigen Bedeutung verholfen.

© promo

Volleyball - SC Charlottenburg: "Wir sitzen ganz gut in der Nische"

Kaweh Niroomand, Manager des SCC, über Volleyball in Berlin, seine Fehler, seine bitterste Nacht und sportliche Perspektiven.

Pech, Herr Niroomand, vor acht Wochen haben Sie für dieses Wochenende einen Geschäftstermin in Dubai vereinbart. Sie hatten nicht mehr im Hinterkopf, dass zeitgleich das erste Finalspiel um die deutsche Volleyballmeisterschaft stattfindet. Am Samstagabend spielte der SCC in Friedrichshafen - ohne Sie. Wie sehr ärgern Sie sich darüber?

Ich ärgere mich sehr. Das Finale ja ein Traum. Wir arbeiten auf dieses Ziel hin und leider sind diese Termine vor Wochen geplant worden, und ich konnte sie nicht mehr aufschieben. Ich habe damals auf die einzelnen Tage gar nicht geachtet. Immerhin habe ich geschafft, dass ich am Mittwochabend, zum Heimspiel in der Schmeling-Halle, zurück bin.

Wie schätzen Sie die Chancen des SCC auf den Titelgewinn ein?

Wir gehen als Außenseiter in diese Finalspiele. Für Friedrichshafen spricht die ungemein große Routine der Mannschaft. Wir waren zuletzt vor sieben Jahren in solchen Endspielen. Wir haben Respekt, aber keine Angst.

SCC-Trainer Mark Lebedew hat sich nach dem Finaleinzug mit einem Glas Rotwein belohnt. Wie belohnen Sie sich?

Ich bin sicher, dass es nicht bei einem Glas Rotwein bleiben wird. Möglicherweise wird sich auch die Qualität des Rotweins unterscheiden.

Sie haben erklärt, die Mannschaft sei so stark, dass ein Finaleinzug das Saisonziel sei. Sollte der SCC Vizemeister werden, hat dann die Mannschaft nicht mehr als ihre Pflicht erfüllt?

Ja, ich habe zwar diese Ziele so genannt, aber ich beurteile die Leistung der Mannschaft nicht danach, ob sie Erster, Zweiter oder Dritter wird. Für mich ist die sportliche Entwicklung während der ganzen Saison wichtig, und da habe ich vor den play-offs gesagt, dass der Trainer überragende Arbeit geleistet hat. Die Mannschaft hat sehr gut und sehr hart gearbeitet. Deshalb überrascht mich dieser Finaleinzug nicht. Der Titel gewinn wäre natürlich die Krönung.

Vor der Saison bezeichneten Sie diese Mannschaft auch als die stärkste SCC-Truppe, die es in den vergangenen Jahren gab. Sollte dieses hoch gelobte Team also Meister werden, ist dann dieser Titelgewinn weniger wert als es die Titel von 2003 und 2004 sind, bei denen die jeweiligen Mannschaft auf dem Papier schwächer war?

Die Mannschaften waren damals schon auch sehr gut besetzt. Aber in dieser Saison haben wir mit Scott Touzinsky einen Olympiasieger geholt, das hatten wir noch nie. Aber letztlich ist das Team entscheidend, mit einzelnen Spielern allein gewinnt man keinen Titel. Wir haben die SCC-Mannschaften von damals genau analysiert, und als Ergebnis kam heraus: Wir haben die Struktur der Mannschaften geändert. Es ging um eine Balance zwischen angriffs- und abwehrstarken Spielern und Spielern, die psychisch stark sind. Nach diesen Vorgaben haben wir die Mannschaft in den vergangenen zwei Jahren umgebaut.

Gegen Friedrichshafen hatten Sie in der Schmeling-Halle 8045 Zuschauer. Das war Bundesliga-Rekord. Ist das so ein Moment, in denen es egal ist, ob der SCC verliert oder gewinnt? Stehen Sie dann einfach da und denken: Whow, genau dafür mache ich diese ganze Arbeit.?

Ja, das war für Deutschland schon einmalig. Und in Europa gibt es so eine Kulisse auch nur selten. Wir waren alle gerührt. Aber wir sind trotzdem in erster Linie Sportler Wir wollen gewinnen, wir wollen nicht bloß die Hallen füllen.

Drei Wochen später kamen zum Halbfinal-Heimspiel gegen Haching gerade mal 3700 Zuschauer. Kam da die große Ernüchterung?

Eigentlich nicht. Es war Osterwochenende, das Wetter war traumhaft, und viele unserer Fans waren einfach verreist. Wir hatten ohnehin nur mit rund 4000 Zuschauern gerechnet. Und, mal ehrlich: 4000 Zuschauer an einem solchen Tag zum Volleyball zu locken, das ist doch eine imposante Entwicklung.

Gleichwohl: 8000 Zuschauer haben die Füchse in der Handball-Bundesliga permanent. Ist trotz allem also Volleyball eine Sportart, die in Berlin nicht wirklich groß Fuß fasst?

Wissen Sie, was ich schon vor Jahren zu meinen Mitstreitern gesagt habe: Lasst uns nicht mit Fußball, Handball oder Basketball vergleichen. Das sind Sportarten, die haben eine ganz andere Tradition in Deutschland. Die Handball-Bundesliga ist die stärkste der Welt, dort sehen die Fans außergewöhnliche Spieler. Volleyball hat das nicht zu bieten, deshalb ist unser Maßstab: Wir besetzen eine Nische, und die müssen wir gut besetzen. Dafür gibt es auch Potenzial. Und in dieser Nische sitzen wir ganz gut.

Die Handball-Bundesliga ist die stärkste der Welt. Die Volleyball-Bundesliga zerfällt in drei Spitzenteams und viele mittelmäßige, unauffällige Mannschaften. Die Fans sehen selten Außergewöhnliches. Ist nicht diese überschaubare Attraktivität eines der großen Probleme des Volleyballs?

Stimmt, es gibt ein Gefälle. Aber unterschätzen Sie nicht die Möglichkeiten dieser so genannten schwächeren Teams. Beispiel Bottrop. Als wir in den play-offs mal schwächelten, war Bottrop drauf und dran, uns zu schlagen. Ich denke, das Gefälle ist eher kleiner geworden.

Für den SCC ging es in dieser Saison mehr als bloß um einen Finaleinzug. Es ging ums Projekt SCC. Wenn es dieses Jahr nicht klappt, ist in Berlin Volleyball auf hohem Niveau nicht länger möglich, haben Sie vor der Saison erklärt.

Ja, sicher. Nach unseren Investitionen stellte sich für uns die Frage: Kommt Volleyball beim Berliner Publikum an, ja oder nein? Wie Don Quichotte wollen wir auch nicht sinnlos gegen die Mühlen rennen. Aber jetzt haben wir gesehen: Sinnlos ist es nicht, Volleyball wird angenommen.

Sie arbeiten seit 20 Jahren mit ihrem ganzen Herzblut für den SCC, Sie sind das Gesicht dieses Teams. Wenn dieses Projekt gescheitert wäre, dann wäre doch für Sie ein sportlicher Lebenstraum zerbrochen.

Ja, klar. Ich habe viel für Volleyball getan. Ich habe mich schon immer engagiert, früher politisch, später dann im Sport. Ich betrachte das auch als eine Art Bürgerpflicht. Ich möchte dieser Gesellschaft, die für mich sehr viel getan hat, etwas zurückgeben.

Geht Ihr Engagement nicht über die Bürgerpflicht hinaus? Manchmal wirken Sie, als seien Sie auf einer Mission.

Das ist voneinander nicht zu trennen. Eine ehrenamtliche Pflicht und eine Mission treffen sich in einem Punkt. Wenn Sie diesen Missionsgedanken nicht haben, fehlt Ihnen auch der Antriebsmotor. Und dieser Motor beflügelt mich auch immer wieder.

Sie haben jetzt einen relativ großen Kreis an Mitarbeitern. Wann haben Sie gemerkt, dass Ihre Rolle als Alleinunterhalter nicht mehr durchzuhalten ist?

Ganz einfach. Als der Erfolg kam und die Anforderungen stiegen. Früher habe ich selber noch das Netz aufgebaut und die Banden aufgestellt. Jetzt sind bei einem Spiel in der Schmeling-Halle fast 70 Mitarbeiter beschäftigt, fast alles Ehrenamtliche. Früher habe ich die Reisen organisiert, die Hotels gebucht und nebenher noch die Mannschaft trainiert. Das ist heute undenkbar. Unsere Geschäftsstelle macht da wunderbare Arbeit. Wegen unserer Organisation haben wir in Europa ja einen sehr guten Namen.

Jemand, der so engagiert ist wie Sie, läuft Gefahr, dass er den Tunnelblick bekommt. Auf welche Ratgeber hören Sie denn?

Oh, ich habe sehr viele Ratgeber. In der Familie in erster Linie. Meine Söhne kennen sich im Sport sehr gut aus, sie spielen beide auf recht hohem Niveau Fußball, und ich höre natürlich auf meine Frau. Aber wir lernen auch von vielen anderen Sportvereinen. Ich tausche mich sehr intensiv mit Füchse-Manager Bob Hanning aus, ich habe sehr genau angeschaut, wie Alba-Manager Marco Baldi den Umzug in die Halle am Ostbahnhof vollzogen hat, ich registriere sehr genau, wie Hertha die Stimmung in der Stadt mit verschiedenen Aktionen für sich gewonnen hat, ich beobachte sehr genau, wie die Füchse diesen Aufstieg gemanagt haben.

Was können Sie zum Beispiel von Bob Hanning profitieren?

Dank seiner Argumente habe ich mich nicht vom Umzug in die Schmeling-Halle abschrecken lassen. Das war für die Entwicklung des Volleyballs ein entscheidender Punkt. Wir haben es gewagt, in eine andere Dimension vorzustoßen. Die Füchse hatten am Anfang auch nur 200 Zuschauer in der Schmeling-Halle. Aber sie sind konsequent dort geblieben.

Auf welche Ratgeber hätten Sie denn mehr hören müssen?

Schwer zu sagen. Ich habe eigentlich für alle offene Ohren, die etwas Interessantes zu sagen haben.

Sie sind beruflich als auch sportlich engagiert. Dementsprechend hoch ist die Betriebstemperatur. Wann haben Sie denn mal Momente, in denen Sie sagen: Hoppla, jetzt mal langsam, ich brauche mal Abstand zu mir selber?

Ich versuche immer wieder, diese Momente zu suchen. Ich gehe jeden Tag laufen oder fahre mit dem Fahrrad. Heute morgen zum Beispiel habe ich auf dem Rad 30 Kilometer zurückgelegt. Das sind die Situationen, in denen ich mich gut entspanne. Dann habe ich viele Freunde, mit denen ich mich austausche. Sie brauchen solche Freunde, die Sie verstehen und zugleich von draußen auf etwas schauen können. Ratgeber, die eine eigene Agenda haben, sind keine wirklich guten Ratgeber.

Welche Fehler bereuen Sie?

Oh, ich habe reichlich Fehler gemacht. Aber wenn ich mal den Trend bei der sportlichen Entwicklung betrachte, dann muss ich sagen Wir haben ein paar gute und wichtige Weichenstellungen gemacht.

Und wo lagen Sie im Detail falsch?

Wir waren mit unserer Personalsuche nicht immer glücklich...

... Sie meinen jetzt die Trainerfrage?

... in der Trainer- und in der Spielerfrage. Gut, hinterher ist man immer klüger, aber in der damaligen Situation waren es aus meiner Sicht die richtigen Entscheidungen. Ich würde sie mit dem damaligen Wissensstand auch wieder so treffen.

Viele Trainer können nach einem aufreibenden, verlorenen Spiel nicht oder ganz schlecht schlafen? Wie ist das bei Ihnen?

Ich schlafe gleich ein, weil ich so erschöpft bin. Aber nach zweieinhalb Stunden wache ich wieder auf, und dann kann ich nicht mehr schlafen. So geht das seit 20 Jahren.

Was war Ihre bitterste Nacht?

Naja, jede Nacht nach einer Niederlage ist eine bittere Nacht. Aber ich war schon sehr enttäuscht, als wir vor ein paar Jahren, das war im Jahr 2009 , das Endspiel nicht erreicht haben. Wir hatten die Normalrunde überragend gespielt, aber kurz vor den play-offs haben wir unseren ersten Platz noch verloren. Und dann sind wir im Halbfinale an Friedrichshafen gescheitert. Das war schon eine sehr bittere Zeit.

Und ihr schönster Moment?

Das war unser erster Auftritt in der Schmeling-Halle. Wir haben gegen Düren gespielt, und auf den Rängen saßen 5000 Menschen.

Es gab einen Trainer, der sagte, Ihre Präsenz sei hemmend für die Arbeit eines Trainers. Hatte er Recht?

Das empfindet natürlich jeder anders. Aber das mag durchaus so gewesen sein. Es gibt halt Zeiten, in denen der Manager mal mehr involviert ist als sonst. Ich habe mich seit einem Jahr im Wesentlichen auf die Arbeit eines Geschäftsführers zurückgezogen, ich kümmere mich vor allem um strategische Fragen. Die sportliche Arbeit ist sowieso Sache des Trainers. Im habe in der Vergangenheit nur dann eingegriffen, wenn es zwischen der Mannschaft und dem Trainer nicht funktioniert hat. Da war ich als Vermittler gefragt.

Was unterscheidet den heutigen Manager Kaweh Niroomand vom 15 Jahre jüngeren Netzaufbauer Kaweh Niroomand?

Ich bin ruhiger und gelassener geworden. Und ich versuche viel häufiger, die Dinge von einer anderen, mehr übergeordneten Perspektive als früher zu sehen. Und ich versuche deshalb, Menschen gegenüber großzügiger als früher zu begegnen.

Hat Sie denn mal ein Spieler so richtig über den Tisch gezogen?

So krass war es nie. Aber natürlich hatten wir manche Spieler falsch eingeschätzt. Wir haben uns zu wenig über sie erkundigt.

Sie engagieren sich selber nicht unerheblich finanziell für den SCC. Haben denn Ihre Söhne mal gesagt: Papa, Du spinnst?

Nein, Gott sei dank nicht. Ich habe versucht, Ihnen eine gewisse Großzügigkeit zu vermitteln. Dieses Thema hat deshalb nie bei uns eine Rolle gespielt.

Haben Sie denn einen Moment im Kopf, an dem Sie sagen: Jetzt höre ich auf. Jetzt habe ich den Höhepunkt erreicht?

Nein, eigentlich nicht. So lange ich noch Spaß an der Arbeit habe und Entwicklungsmöglichkeiten sehe, werde ich weitermachen. Dass das nicht immer der Fall, war, ist auch klar. Gerade vor zwei, drei Jahren habe ich den Spaß ein Stückweit verloren. Da hatte ich wirklich Zweifel, dass man dieses Projekt wirklich weiter entwickeln kann.

War das ein Moment, in dem Sie gedacht haben, jetzt werfe ich den ganzen Krempel hin?

Nein, so weit ging es nicht. Einfach aufgeben, das passt nicht zu mir. Ich habe mir aber überlegt, dass ich den SCC in sehr geringerem Maß unterstütze als bisher. Das habe ich auch intern angekündigt. Ich hätte denen, die dann weitergemacht hätten, eine gewisse Grundlage gegeben, mich dann aber ganz zurückgezogen. Das Projekt Volleyball darf und wird nicht nur mit der Person Kaweh Niroomand zusammenhängen. Wenn ich mich zurückziehe, dann nur sukzessive.

Welche Reserven hat noch das Projekt Volleyball in Berlin? Die Eisbären wurden Meister, die Füchse trumpfen groß auf, Alba ist wieder erstarkt.

Ach, diese Entwicklung sehe ich nicht mit Sorgen. Sie sind auch gar keine klassischen Konkurrenten. Als wir 8000 Zuschauer hatten, spielte Alba fünf Kilometer weiter vor 14 000 Zuschauern. Die Stadt ist groß genug für alle Vereine. Was mich mehr beschäftigt: Wir als Vereine müssen die Sportstimmung in der Stadt verstärken. Es gibt eine lange Nacht der Museen, eine lange Nacht der Kulturen, aber für den Spitzensport gibt es so etwas nicht. Das wollen wir ändern. Deshalb haben die Vereine auch das Projekt Sportmetropole gegründet. Wir müssen den Sponsoren klar machen, wie wichtig der Sport für die Stadt ist.

Sie sind nicht bloß SCC-Manager, sie sind auch noch glühender Anhänger von Borussia Dortmund. Für 14. Mai ist das fünfte Finalspiel, in Friedrichshafen, geplant. Sollte diese Partie stattfinden, haben Sie dummerweise ein großes Problem.

Stimmt. Am 14. Mai findet auch das letzte Bundesligaspiel statt. Und ich habe schon vor Wochen für mich und meine Freunde Karten fürs Heimspiel der Borussia besorgt, ich habe auch schon einen Bus gechartert, der uns - hoffentlich - zur Übergabe der Meisterschale bringt. Nur, sollte es zu einem fünften Spiel kommen, gerate ich natürlich in einen Terminkonflikt.

Selbstverständlich fahren Sie nach Dortmund.

Selbstverständlich fahre ich nach Friedrichshafen.

Das Gespräch führte Frank Bachner.

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