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Eine Saison der vielen Fragezeichen: Ist die Zukunft des BFC vielleicht weiblich?

© Frank Willmann

Willmanns Kolumne: Der BFC auf dem Weg in die Unsterblichkeit?

Schafft der BFC Dynamo endlich den Sprung aus der Oberliga? Unser Kolumnist Frank Willmann will keine Prognose wagen, dafür aber hat er bei der Saisoneröffnung einige erstaunliche Dinge über den DDR-Rekordmeister herausgefunden.

Futtertag im Sportforum. Ich fühl mich Hohenschönhausen. Irgendwie gefeudelt. So weit das Auge blickt, nichts als Bier, Kuchen und Wildschwein. Das Fett tröpfelt vom Schwein in das Schweinetropfenauffangbecken. Weiter hinten soll`s Tofu geben. Oder sowas in der Art, murmelt eine geschmeidige Dame mit vermutetem Ganzkörpertattoo im Zombiestyle. Der Vegetarismus ist überall auf dem Vormarsch. Und lebende Tote sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Ein langer Fußballtag steht mir bevor. Der wieder mal runderneuerte BFC Dynamo feiert seine Saisoneröffnung. Mit Ringelpietz und Teddywerfen. Mehr als 2000 Fans sind erschienen. Eine bemerkenswerte Zahl, wenn man die Liste der verpassten Möglichkeiten des Klubs Revue passieren lässt. Die Fußballwelt interessiert sich nicht für Verlierer, sie will wissen, wer gewonnen hat. Man ist unter sich. Fanhotten fallen sich in die Arme, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen. Die Schar neutraler Beobachter hält sich in Grenzen. Nur selten ist der BFC eine Meldung in der Zeitung wert. Der Klub scheint endgültig auf den Dörfern angekommen zu sein.

Der BFC hat sich aus Magdeburg den Altrivalen FCM zur Saisoneröffnung eingeladen. Den einzigen und einstigen DDR-Europapokalsieger. Magdeburg siecht in der vierten Liga, der BFC hockt in der Oberliga Nordost Nord. Noch eine Stufe tiefer im Hit-Keller der Verdammnis.

Galante Kleinfamilien mit einem untrüglichen Hang zum Tätowieren zeigen ihren Hautschmuck. Leider kann ich einige interessante Details nur ungenügend bewundern, da sie von Kleidungsstücken bedeckt sind. Es ist ein warmer Sommersamstag. Er lädt zum Nackigmachen ein. Aber keiner macht sich nackig. Früher hatten viele Stadien eine integrierte Schwimmbahn, die Zuschauer und Spieler trennte. Vielleicht sollte man das wieder einführen.

Der BFC hat sein Team runderneuert, um endlich aufzusteigen

Halleluja Berlin, singt´s. Der runderneuerte BFC ist für manchen seiner Fans eine Wundertüte. Keiner weiß was rauskommt. Nach den außerordentlich jämmerlichen Leistungen der letzten Saison wurde großen Teilen des Versagerteams das Trikot ausgezogen. Zudem wurde ein Trainer verpflichtet, der diese Bezeichnung auch verdient. Der beim Fanvolk äußerst beliebte türkischstämmige Volkan Uluc trainiert nun den BFC Dynamo. Aus der neuen Mannschaft ragen der Ex-Unioner Björn Brunnemann und der Ex-Weltpokalsieger-Besieger Nico Patschinski, alias Patsche hervor. Für mich als bekennenden Patsche-Fan eine feine Sache, schaute ich ihm seinerzeit gern bei St. Pauli und Union beim Kicken zu. Patsche ist einer der letzten Gerechten, ein Mann mit Ecken und Kanten, wie der Volksmund zu sagen pflegt. Er hatte vor ein paar Monden schon mal ein kleines BFC-Intermezzo, das ziemlich in die Hose ging. Nun will der alte Haudegen zeigen, was wirklich in ihm steckt.

Gegen Magdeburg ward Patsche noch nicht aus dem Spendierhut gezaubert, Brunnemann zeigte bei 1A-Sonnenbrandwetter hin und wieder, was er noch auf dem Kasten hat. Der BFC hat einiges an Kleingeld investiert. Doch besser beim BFC Kleingeld verdienen, als gar kein Geld.

Männer prosten, Bier wird geschluckt, eine Gruppe junger Ballmädchen räkelt sich in der Sonne. Uluc freut sich heute besonders über Maciej Kwiatkowski, der als Innenverteidiger vor Angriffswut strotzt. Kwiatkowski wurde vorm Kick als Spieler der Saison 2011/12 ausgezeichnet und ist schon wieder auf 180 km/h.

Magdeburg gewinnt den Trainingskick 2:1, trotzdem war Euphorie zu spüren. Die Regionalliga ist das Sehnsuchtsziel des BFC. Einmal wieder gegen Magdeburg, Leipzig und Zwickau um Punkte kicken! Der BFC ist demütig geworden. Das ist vielleicht die wichtigste Nachricht. In der Oberliga besucht man alsbald Nester im Nordosten, deren Namen nach Ödnis und Agonie klingen. Trotzdem keimt Hoffnung, zum ersten Auswärtsspiel werden Motoren dröhnen und Schals im Wind flattern. Vielleicht hat mit viel Glück und Geschick die schier endlose Katharsis des DDR-Rekordmeisters im Jahr 2013 ein Ende. Die aktuelle Mannschaft kann sich unsterblich machen. Der geneigte Fan ist prinzipiell auf der Suche nach Unsterblichkeit. Ewiges Leben für den Lieblingsklub wird oft und gern herbei gesungen, es ist eines der großen Sehnsuchtsmysterien.

Einstweilen mümmle ich Kuchen im Sportforum. Horden von Spatzen machen sich über Kuchenkrümel her. Die Spatzenhirne sind ganz Giermodus. Sie vermuten keine Gefahr und picken nach den von mir gereichten Krümeln.

Neben mir ein Knabe, der ohne erkennbare Regung einen Ball nach den Spatzen schmeißt. Die Spatzen stieben davon, der Vater des Knaben springt dazwischen und mahnt: "Und ist ein Tier auch noch so klein, es könnte doch dein Bruder sein."

Es gibt Tierfreunde beim BFC.

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