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Die Dynamo-Halle im Sportforum Hohenschönhausen.

© Frank Willmann

Willmanns Kolumne: Oldtimer in der Dynamo-Halle

Der Berliner Fußball hat derzeit wenig Höhepunkte zu bieten. Umso willkommener war da das Traditionsturnier des BFC Dynamo. Unser Kolumnist Frank Willmann war dabei - samt Bier, Bockwurst und Folgeschäden.

Der Bundestrainer in mir frohlockt und jubiliert. Auch dieses Jahr haben wir wieder kein „Alles oder nichts Jahr“ im deutschen Fußball. Diese kolossale Fußball-Nachricht geistert brandheiß durch die Sportredaktionen zwischen Bangalore und Emden. Sie beruhigt neben mir die vielen Millionen Bundestrainer ungemein. Sie gibt uns innerlich viel Mut. Wir können die nächste Europameisterschaft bereits abhaken. Trotzdem die Zukunft groß ist, hat der weise Yogi aus dem Schwabenland für den Sommer die Parole „Schaumermal“ ausgegeben.

Nun ist aber ein Yogi längst kein Kaiser. Ein Kaiser wirkt durch bloße Anwesenheit. Ein Kaiser ist  gesalbt und strahlt seine Gnade auf die Mannschaft ab. Ein Kaiser ist ein höheres Wesen, das schwebt. Wenigstens zehn Zentimeter über dem Boden. Wenn ein Kaiser „Schaumermal“ sagt, bedeutet das für uns sterbliche Fußballwichte: wir sind schon Europameister, bevor es überhaupt losgeht. Als Fußballfan hat man viele bittere Lektionen zu lernen, aber am schwersten ist es, zwischen Spaßhaben und cleverem Posen zu unterscheiden.

Es ist der Unterschied zwischen Gewinnen und Verlieren, jedenfalls meistens. Möge die EM uns spaßliebenden Verlierern (seit 1996) eine versöhnliche Fratze aufsetzen. Ich für meinen Teil werde ordentlich auf den Putz hauen, dass einigen Idioten der Hirnkasten weg fliegt. Ich glaube es hilft, sich öffentlich zu betrinken, Parolen zu brüllen und Veitstänze aufzuführen. Das deutsche Volk muss Mitteleuropa wieder in Wallung bringen. Mitteleuropa wird dank des irre gewordenen deutschen Volks über die Ränder schwappen. Das hat uns, ich sage nur 1989, zu Weltmeistern gemacht.

Langeweile hält unser Sport augenblicklich außen vor. Die Bundesliga ist spannend wie nie, wobei unsere welke Fußballhauptstadt aktuell eine schorfige Tränenpfütze der fußballerischen Beschissenheit bildet. Die zweite Liga ruhte am Wochenende noch, bleibt abzuwarten, ob der 1. FC Union Berlin den Blues hat und die Herzen der Ostberliner zum Pumpen bringt. Zum Glück haben wir den Hallenfußball. Aller Orten werden gegenwärtig die Hallen gerockt. Letztes Wochenende kaperte eine Horde Oldtimer die Dynamohalle in Berlin –Hohenschönhausen. Der gastgebende BFC Dynamo meldete ausverkauft, ca. 1700 Zuschauer guckten sich das Spektakel an. Naturgemäß feuerten die meisten ihren BFC an, der gleich mit zwei Teams auflief, trotzdem das Halbfinale verfehlte.

Große und kleine Männer mit feinen Tricks und dicken Bäuchen

Die großen und kleinen alten Männer des Fußballs waren unterwegs, uns mit feinen Tricks und dicken Bäuchen zu unterhalten. Als Mannsbilder noch immer gefährliche Kicker. Sie wirbelten herum wie tasmanische Beutelwölfe, die vergessen hatten das Jungvolk aus dem Pelz zu schütteln. Für uns Zuschauer, die wir mit Bierchen und Winterspeck auf der Tribüne hockten, ein beruhigendes Zeichen. Da sind wir besonders gern Mensch unter Menschen. Die Angst vorm Älterwerden verflüchtigte sich an die Hallendecke und verschwand im Dunst. Alles war gut, die Lebenspartnerin war weit und die Halle gut geheizt.

Alte Recken meiner Jugendzeit traten manche Stunde gegen die Pille und ein Hauch von DDR-Oberliga wehte über die Dielen. Ich war wieder ein kleiner Junge, der stolz mit seinen farbigen Mannschaftsbildern, ausgeschnitten aus der Neuen Berliner Illustrierten, durch die Lande tigert, um Männer wie Jürgen Bogs, Waldemar Ksienzyk, Martin Busse oder Andreas Reinke zu erhaschen. Die Sehnsucht nach der Nähe meiner verwichenen Stars der DDR-Oberliga. Als die Welt nur Fußball und rote Brause war.

Der Fünftligist BFC Dynamo hatte ein schickes Turnier auf die Beine gestellt. Obgleich Dynamo Dresden und der 1. FC Magdeburg leider durch mehr oder weniger entschuldigte Abwesenheit glänzten, legten die alten Herren eine flotte Sohle aufs Parkett. Den Turniersieg brachte Hertha BSC ein. Ein Zeichen der Hoffnung für die geschundenen Seelen aller Herthafans. Der einzige Westclub, in der DDR-Fußballwoche stetig Hertha BSC Westberlin genannt, gewann den Pokal und eine satte Kiste alkoholfreies Bier.  Die blauweißen Fußballer um Eisen-Karl spielten einen geschmeidigen Stiefel und bezwangen Dynamo Schwerin im Finale. Einen Teil der Einnahmen spendet der BFC für einen guten Zweck, obwohl der Club finanziell nicht auf Rosen gebettet ist.

Auf den Rängen ging es halbwegs feuchtfröhlich zu. Eine Brauerei trat als Sponsor auf, der Bierteufel füllte die Massen anständig ab. Hallenfußball als Party im Bierteich. Dazu ne fettige, aber wirklich friedliche Bockwurst. Ihr wollt nun wissen, warum ich trotzdem ein wenig lisple, mein rechtes Auge geschwollen ist und meine Zähne wackeln?

Nun ja, jeden Montag schnüre ich höchstpersönlich die Töppen und schwebe galant auf meinem Fahrrad gen Fußballplatz an der kleinen Hamburger Straße. Das gilt als gefährlicher Quatsch in manchen Kreisen. Es ist nicht besonders originell, leichtsinnige Sachen aus leichtsinnigen Gründen zu tun. Wie es der Zufall wollte, begegnete mir ein Wolf im Schafspelz. Oder war es ein Fuchs im Igelkleid. Der oben genannte Bierteufel vernebelte mir ein wenig die Sinne. Ich fiel über ein Tier. Auf dem Heimweg zu ihr. Was kann ich denn dafür?

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