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Bernd Schröder, 72, trainiert seit 1971 Turbine Potsdam und war auch Frauen-Nationaltrainer der DDR.

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Update

Bernd Schröder, Turbine Potsdam: Nachdenken über Männerquote bei Trainern im Frauenfußball

Im Interview mit dem Tagesspiegel kritisiert Potsdams Trainer Bernd Schröder die Entscheidung des DFB für Steffi Jones als neue Bundestrainerin.

Von Christian Hönicke

Herr Schröder, hat Sie die Berufung von Steffi Jones als Fußball-Bundestrainerin ab 2016 überrascht?

Das hat keiner erwartet, ich genauso wenig wie jeder andere. Vor allem nicht zu diesem Zeitpunkt. Wir haben ja eine Weltmeisterschaft vor uns. Was passiert denn, wenn wir das nicht erreichen, was wir erreichen wollen? Dann bleibt Silvia Neid noch ein Jahr Bundestrainerin. Und was ist, wenn wir in Kanada ganz groß spielen? Dann könnte man ja immer noch überlegen, ob sie weitermacht oder nicht.

Ist Jones die Richtige für die Stelle?

Wenn Steffi wirklich die einzige Lösung gewesen sein sollte, wäre das schon sehr verwunderlich. Es wäre ein bisschen ein Armutszeugnis, wenn wir da keine anderen Varianten hätten. Aber es gäbe natürlich auch andere Möglichkeiten, ob Mann oder Frau, das sei dahin gestellt. Ich habe mit ihr persönlich ein gutes Verhältnis.

Welche anderen Lösungen hätten Sie so?

Martina Voss-Tecklenburg zum Beispiel, die in der Schweiz Nationaltrainerin ist, oder es kann auch ein Mann sein. Man redet ja immer über die Frauenquote, und nichts gegen die Frauen, aber man kann ja vielleicht hier mal über eine Männerquote nachdenken. Wir haben 100.000 Fußballlehrer ausgebildet – ich übertreibe mal –, alle mit hoher Qualität.

Haben Sie das Gefühl, dass es beim DFB unbedingt eine Frau werden sollte?

Ich kenne die ganzen Leute im DFB, den Präsidenten, den Generalsekretär. Wir haben persönlich ein gutes Verhältnis. Aber ich glaube, der DFB sieht die Frauen als eigenen Bereich und will eine klare Trennung zwischen Männern und Frauen. Der Frauenbereich soll mit Frauen besetzt werden. Ob das gut ist oder nicht, sei dahingestellt.

Was spricht gegen diese klare Trennung?

Im Moment haben wir nur eine Trainerin in der Frauen-Bundesliga. Die vier ersten Mannschaften werden von erfahrenen Trainern gecoacht. Beim DFB gibt es außer einem Trainer und einem Torwarttrainer in den Nachwuchsmannschaften keinen Mann. Dabei haben wir jede Menge junge Fußballtrainer, die vielleicht auch mal ein anderes Klima einbringen könnten. Man muss mal drüber nachdenken.

Waren Sie überrascht, dass der DFB keinen dieser erfahrenen Trainer wie zum Beispiel Sie gefragt hat?

Ich bin da sowieso raus (lacht). Aber die haben gar niemanden gefragt. Ich glaube, das ist in einem stillen Kämmerchen passiert. Man kann ja auch seine Meinung haben und beibehalten, kann sich aber trotzdem mal die anderen Leute anhören. Der DFB hat sich eine Erlebniswelt konstruiert und kommt da nicht mehr raus. Bei dieser Personalie gab es dort eine völlig andere Wahrnehmung als die, die wir Klubtrainer haben. Man hätte mal vier, fünf Sätze drüber reden können.

Sehen das andere Klubtrainer auch so?

Ja, wir sind uns da schon einig. Es gab SMS, alle habe das Gleiche gedacht: Warum jetzt? Warum so? Das kann keiner von uns beantworten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von uns gefragt wurde und dann die Steffi genannt hat.

Steffi Jones hat zwar seit 2007 den Trainerschein, allerdings bisher keine praktische Erfahrung als Trainerin. Ist es richtig, die wichtigste Stelle im deutschen Frauenfußball mit so jemandem zu besetzen?

Es ist schon bedenklich. Die Frage ist, ob man so etwas ohne Not machen muss. Die Bundestrainerin muss im deutschen Fußball das System vorgeben, die Richtung, die Linie, auch für die Klubs.

Sie haben Steffi Jones schon im Zuge der WM 2011 für Ihre Arbeit als DFB-Sportdirektorin hart kritisiert: Sie lebe in den Tag hinein und packe wenig an.

Ja, Kritik gab es. Aber es ging um die Sache, nicht um Persönliches. Sie konnte ja viel bewegen und hätte als Direktorin ganz andere Dinge anpacken können. Sie ist eine Frohnatur, man kann ihr nicht wehtun. Ich glaube, dass sie auch den Wert der Kritik erkannt hat. Geändert hat sie trotzdem nichts.

Glauben Sie, dass sie die Aufgabe Bundestrainerin fachlich gesehen meistern kann?

In dieser Konstellation sehe ich viel Konjunktiv. Sie kann die Aufgabe meistern, wenn um sie herum ein Stab von kompetenten, durchsetzungsfähigen, qualifizierten Leuten ist. Eine Bundestrainerin ist alleine nichts. Wer ist Co-Trainer? Wer ist sonst noch dabei? Wer sind die entscheidenden Leute? Das weiß man ja alles noch gar nicht.

Steffi Jones ist also angewiesen auf einen großen Expertenzirkel, um als Bundestrainerin Erfolg zu haben?

Ja. Allein wäre das tödlich. Woher soll sie wissen, wie das alles funktioniert? Sie braucht Leute, die sich einbringen und sie beraten. Und das muss sie dann auch annehmen.

Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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