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In der Kritik. Bundestrainerin Steffi Jones hat das enttäuschende Abschneiden bei der EM mitzuverantworten, viele Alternativen zu ihr gibt es aber wohl nicht.

©  Carmen Jaspersen/dpa

Bernd Schröder über das deutsche EM-Aus: "Die Hierarchie im Team stimmte überhaupt nicht"

Der Ex-Trainer von Turbine Potsdam spricht im Interview über das enttäuschende Abschneiden der Fußballerinnen bei der EM und die Arbeit von Bundestrainerin Steffi Jones.

Herr Schröder, wo haben Sie am Sonntag das Aus des deutschen Teams verfolgt?

Die erste Halbzeit habe ich mir im Fernsehen angeschaut, das hat schon gereicht. Die zweite hatte ich aufgezeichnet, um sie abends zu sehen, aber da kannte ich das Ergebnis schon. Überrascht hat mich das nicht.

Haben Sie der Mannschaft nicht zugetraut, eine Halbzeitführung gegen Dänemark über die Zeit zu bringen?

Mir war klar, dass es für diese Mannschaft schwer werden würde, sollte sie in Rückstand geraten. Die Leistung der ersten Halbzeit war ja eine Fortsetzung der schwachen Auftritte aus der Vorrunde.

Was waren Ihrer Meinung nach die Hauptgründe dafür, dass sich die Mannschaft so präsentiert hat?

Das Traurige ist ja, dass wir das Potential haben, Europameister zu werden. Mindestens die Finalteilnahme hätte drin sein müssen. Aber es fehlte an Esprit, an Willen, an Leidenschaft. Und dann reicht es eben auch nicht gegen Dänemark, das weiß Gott keine Übermannschaft hat.

Genau das kritisierte auch Bundestrainerin Steffi Jones.

Nicht zu Unrecht. Aber sie ist natürlich dafür verantwortlich, welche Mannschaft sie zusammenstellt. Mir waren das zu viele ähnliche Charaktere, alles liebe und nette Spielerinnen. Dort war aber niemand, der das Heft auch mal in schwierigen Situationen in die Hand nimmt. Die Hierarchie im Team stimmte überhaupt nicht.

Fußballerisch sah es auch dürftig aus. Fehlt es momentan einfach an überdurchschnittlichen Fußballerinnen?

Wir dürfen ja nicht vergessen, dass wir aktueller Olympiasieger sind. Potential ist also da. Nur wurde es nicht abgerufen. Die Abwehr war nicht in der Lage, Druck standzuhalten und der Angriff existierte de facto gar nicht.

Wie schwer machte sich in dieser Hinsicht das verletzungsbedingte Fehlen von Alexandra Popp bemerkbar?

Mit ihr wären wir ohne Frage anders aufgetreten. Aber die Wurzel allen Übels liegt tiefer. Wir waren so schwach, weil wir meiner Meinung nach den falschen Fußball gespielt haben.

Was meinen Sie konkret?

Wir hatten viel zu viel Ballbesitz. Herausgekommen ist dabei aber nur ein Tor aus dem Spiel heraus und das war auch noch ein Torwartfehler. Der Frauenfußball orientiert sich gerade zu stark am Männerfußball. Teams wie Frankreich, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, sind ebenfalls raus. Österreich dagegen hat mit einfachen Mitteln das Halbfinale erreicht. Im deutschen Spiel ist kein Risiko, kein Mut, auch mal einen langen Ball zu schlagen. Alles nur klein klein. Alles Alibi. Wir sollten ernsthaft überlegen, ob diese Spielphilosophie die richtige ist.

Viele Bundesligisten folgen diesem Ansatz.

Genau das meine ich ja. Für mich sind die Vereine die Henne und die Nationalmannschaft das Ei. Was wir in Holland gesehen haben, ist nur die Konsequenz aus der Vorbereitung der Spielerinnen durch die Vereine. International waren unsere Klubs in den vergangenen Jahren ja auch nicht mehr allzu erfolgreich. Da sollte man sich schon hinterfragen. Ist dieser Spielstil der Richtige? Und suchen wir gerade im Klubfußball ernsthaft nach Lösungen, wie wir erfolgreicher sein können? Da gibt es viel zu überdenken.

Welchen Anteil hat Bundestrainerin Steffi Jones nach dem Ausscheiden?

Sie steht jetzt in der Kritik, das ist klar nach diesem historisch schlechten Abschneiden. Aber alles nur an ihr festzumachen, ist mir zu einseitig. Auch ich hätte mir gewünscht, dass sie nach den ersten schwachen Spielen was ändert. Anderes System, andere Spielanlage. Die Möglichkeiten hätte sie ja gehabt.

Ein Kritikpunkt ist ihre mangelnde Erfahrung. Die Nationalmannschaft ist ihre erste Trainerstation.

Auch das war ja bekannt, aber wenn man in diese Richtung argumentiert, muss man auch über Alternativen reden. Und die haben wir zurzeit in Deutschland nicht. Steffi fehlte zwar die Erfahrung, aber die Fachkenntnis in Sachen Fußball ist ihr nicht abzusprechen.

Trotzdem dürfte es für sie schwer werden, im Amt zu bleiben oder denken Sie nicht?

Wie gesagt, wer sind die Alternativen? Der Gedanke, Steffi nach dem Ende der Ära Silvia Neid miteinzubeziehen, war richtig. Ich halte ihr nur vor, dass sie sich zu sehr auf die Spielweise versteift und aus der schwachen Vorrunde die falschen Lehren gezogen hat.

Bernd Schröder, 75, arbeitete über Jahrzehnte erfolgreich als Trainer bei Turbine Potsdam und gewann sechs deutsche Meisterschaften. 2016 beendete er seine Karriere.
Bernd Schröder, 75, arbeitete über Jahrzehnte erfolgreich als Trainer bei Turbine Potsdam und gewann sechs deutsche Meisterschaften. 2016 beendete er seine Karriere.

© Manfred Thomas

Andere Nationen wie Frankreich praktizieren einen stärkeren Austausch mit den Männern. Wäre das ein möglicher Ansatz?

Ich bin da gespalten. Was das Wissen angeht, sicherlich. Aber Frauenfußball ist eine eigene Erlebniswelt mit eigener Spezifik und ich sehe aktuell keinen Trainer, der aus dem professionellen Männerbereich kommt, der sie versteht.

Das heißt, Sie könnten sich keinen Bundesliga-Trainer der Männer bei der Frauen-Nationalmannschaft vorstellen?

Ich glaube einfach nicht, dass irgendein Trainer, der aus diesem Bereich kommt, Interesse daran hat, sich auf die Frauen einzulassen. Allein schon aufgrund der finanziellen Differenzen. Vielleicht haben manche auch vor einem möglichen Imageverlust Angst, falls sie bei den Frauen keinen Erfolg haben.

Also geht Deutschland mit Steffi Jones als Bundestrainerin die kommende WM an?

Ja.

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