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Verbeugung vor Hertha? Die Dortmunder Kagawa (l.) und Lewandowski wurden vom Berliner Mijatovic niedergerungen. Foto: dapd

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Sport: Besser mit Plan

Der überraschende Sieg in Dortmund hat einige Dinge zurechtgerückt, die Hertha seit längerem begleiten

Berlin - Am Tag danach bekam der Sensationssieger des Wochenendes sogar die Nationalhymne zu hören, und das gleich in der Endlosschleife. Es war eine ungewöhnliche musikalische Begleitung, mit der das sonntägliche Training der Fußballprofis von Hertha BSC unterlegt wurde. Aber auch wenn die Berliner sich die Hymnen mit ihrem überraschenden 2:1-Erfolg beim Meister Borussia Dortmund mehr als verdient hätten – sie galten natürlich nicht ihnen. Die getragene Musik wehte vom nahen Olympiastadion herüber, wo die letzten Vorbereitungen für das Istaf getroffen wurden. Von Herthas Spielern fühlte sich jedenfalls niemand angesprochen. Selbst tags zuvor, unmittelbar nach dem Abpfiff, wirkten sie eher erschöpft als enthusiasmiert. „Wir wissen das einzuschätzen“, sagte Mittelfeldspieler Andreas Ottl. „Bei uns ist jedem bewusst, dass Demut eine sehr wichtige Tugend ist.“

Völlig entziehen aber konnten sich auch die demütigen Hertha-Spieler der Faszination ihres eigenen Erfolges nicht. Es war erst das dritte Mal nach 1972 und 2006, dass die Berliner in Dortmund gewonnen hatten. Kapitän Andre Mijatovic schaute sich das Spiel in der Nacht noch einmal in voller Länge an – und er war durchaus angetan. „Ja, Respekt, haben wir wirklich gut gemacht“, dachte der Kroate. „Defensiv war es perfekt.“

Der Sieg in Dortmund hat ein paar Dinge zurechtgerückt, die die Mannschaft und ihren Trainer Markus Babbel seit Saisonbeginn und vielleicht sogar noch ein bisschen länger begleiten. Von Babbel heißt es immer wieder, dass seine Herangehensweise wenig konzeptionell sei. Das Spiel am Samstag bewies das Gegenteil. Hertha gewann nicht aus Zufall, sondern weil die Mannschaft mit einem perfekten Plan in die Begegnung gegangen war, und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison. „Wir waren ein bisschen klüger als die“, sagte Änis Ben-Hatira, der kurz vor Schluss als Einwechselspieler zu seinem Debüt für Hertha kam.

Kapitän Mijatovic empfand die Vorbereitung auf das Duell mit dem Meister als perfekt: „Wir hatten viele taktische Einheiten und wussten genau, wie Dortmund spielt.“ Babbel hatte bei der Analyse des Gegners festgestellt, dass der BVB die größte Gefahr durch die Mitte entwickelt. Deshalb musste sein Team unbedingt das Zentrum dicht bekommen. Herthas zentrale Spieler erhielten die Anweisung, ihren Gegnern nicht hinterherzulaufen, wenn die durch ihre Reihen wirbelten, sondern sie dem zuständigen Kollegen zu überlassen. Die beiden Sechser Ottl und Peter Niemeyer sollten außerdem nah an den beiden Innenverteidigern bleiben, um den wendigen Dortmundern keine Lücken zwischen den Linien anzubieten.

„Wir haben versucht, das Spiel nach außen zu lenken“, sagte Ottl. Dortmunds Innenverteidiger Mats Hummels, so etwas wie der heimliche Spielmacher des Meisters, sollte gar keine andere Wahl haben, als den Außenverteidiger Marcel Schmelzer anzuspielen. Die Gefahr, dass es die Dortmunder vermehrt mit Flanken versuchen würden, nahm Babbel bewusst in Kauf. Das Risiko war angesichts der kopfballstarken Berliner Innenverteidigung mit Andre Mijatovic und Roman Hubnik überschaubar. „Die beiden haben einen super Job gemacht“, sagte Ben-Hatira. Kapitän Mijatovic hatte sich den Nachmittag sogar wesentlich anstrengender vorgestellt. „Es war sehr, sehr angenehm“, sagte er. Weil er nämlich gemeinsam mit seinem Kollegen Hubnik in letzter Instanz gar nicht mehr so viel zu klären hatte. „Hertha hat super diszipliniert und mit ganz viel Präsenz verteidigt“, musste selbst Dortmunds Trainer Jürgen Klopp zugeben.

In fünf Bundesligaspielen haben die Berliner erst fünf Gegentore kassiert. Das ist eine mehr als erfreuliche Zwischenbilanz für den Aufsteiger – und war so nicht unbedingt erwartet worden. Auch Klopp hob am Samstag Herthas „brutale Qualität in der Offensive“ hervor. So ist es eigentlich immer. Die Offensive gilt auch für Bundesligaverhältnisse als überdurchschnittlich besetzt, die Defensive hingegen – na ja. Es gab immense Zweifel, ob das mit den beiden alten Männern Andre Mijatovic, 31, und Lewan Kobiaschwili, 34, dazu Christian Lell, Maik Franz und Roman Hubnik, wirklich funktionieren wird. „Das sind alles gute Kicker“, sagt Babbel. „Wieso sollen die nicht funktionieren?“ Natürlich bekäme Mijatovic Probleme, wenn ein schneller Gegenspieler in hohem Tempo auf ihn zuliefe. Aber diese Gefahr hat Hertha bisher meist schon im Vorfeld unterbunden. „Wir haben in allen Spielen sehr wenig zugelassen“, sagte Niemeyer. „Die Ergebnisse sprechen für sich. Das ist Lob genug.“

Andre Mijatovic hat sich von den Diskussionen um seine Bundesligatauglichkeit jedenfalls nicht irritieren lassen. Er kann darüber nur lächeln. „In Barcelona gibt es auch Diskussionen, ob Puyol noch gut genug ist“, sagt er. „Wir haben gezeigt, dass wir zumindest mithalten können.“

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