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Die Vergangenheit verblasst. 1891 war Germania inoffizieller Deutscher Meister.

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BFC Germania 88 aus Tempelhof wird 125: Deutschlands ältester Fußballklub

Früher kam der Kronprinz, heute lässt sich die politische Prominenz entschuldigen: Deutschlands ältester Fußballverein, der BFC Germania aus Tempelhof, feiert seinen 125. Geburtstag.

Klaus Wowereit hat an diesem Montag wichtige Termine. Nein, nichts mit Fußball, schließlich kann der Verein seines Herzens entgegen ersten Hoffnungen am Montag doch nicht auf dem Sofa in die Bundesliga aufsteigen und braucht daher auch noch keinen prominenten Gratulanten. Da diese protokollarische Pflicht wegfällt, hätte der Regierende Fußballfan aus dem Roten Rathaus durchaus einem Klub aus der alten Heimat die Ehre erweisen können. Der BFC Germania 88 ist immerhin der älteste Fußballverein Deutschlands, und er kommt wie Wowereit aus Tempelhof. An diesem Montag feiert der BFC Germania seinen 125. Geburtstag.

Die Party steigt, nicht ganz stilecht, im Rathaus Schöneberg, aber immerhin ist da ja auch schon mal große Politik gemacht worden. Germania dagegen ist im hohen Alter ein kleiner Verein und feiert als Zehntligist im bescheidenen Rahmen. Neben Wowereit hat für die Feierstunde zur Mittagszeit auch Wolfgang Niersbach abgesagt. Er ist Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), und sollte das Jubiläum des ältesten Mitglieds nicht Pflicht sein für einen Mann in seiner Position?

Macht nichts. Dieter Kraschewski kann das alles nicht die Laune verderben. Sagt er so und wiederholt es immer wieder. Kraschewski ist Erster Vorsitzender des BFC Germania und Kummer gewohnt. Seit 2004 bekleidet er sein Amt, gerade erlebt er die schönste Phase dieser Zeit, „denn wissen Sie, mit meinen Mannschaften bin ich ja immer nur abgestiegen“. Wohl wahr, aus der Landesliga ging es hinab bis in die Kreisliga B. Darunter kommt nur noch die Kreisliga C, tiefer geht es nicht, und als Tabellen-13. muss Germania den Abstieg durchaus fürchten. Bis zum Relegationsrang 15 sind es nur vier Punkte.

Früher war alles mal ganz anders, aber früher ist auch verdammt lange her. Der BFC Germania ist im Dreikaiserjahr 1888 gegründet worden, als Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. im Berliner Stadtschloss regiert haben. Das Schloss steht nicht mehr, aber als es noch stand, in den Jahren 1890 und 1891, war Germania so etwas wie der erste deutsche Fußball-Meister der Geschichte, allerdings noch vor Gründung des DFB, als sechs im „Bund Deutscher Fußballspieler“ zusammengeschlossene Vereine ihren Besten ermittelten. 1908 stand dann bei der deutschen Länderspielpremiere der Germane Fritz Baumgarten in Basel gegen die Schweiz zwischen den Pfosten. Die standen bei dieser 3:5-Niederlage genau wie heute 7,32 Meter voneinander entfernt – natürlich, doch auch für dieses hierzulande längst selbstverständliche Wissen zeichnet ein Germane verantwortlich. Fritz Boxhammer gilt unter Historikern als treibende Kraft innerhalb eines Komitees, das die Regeln des Fußballspiels aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und dem DFB-Bundestag zur Abnahme vorgelegt hat.

Ein Germane gab die entscheidenden Impulse zur Gründung des DFB

Überhaupt, Germania und der DFB: In Dokumenten aus dem Jahr 1928 sind ausdrücklich Georg Demmler die entscheidenden Impulse zur Gründung eines Deutschen Fußball-Bundes zugeschrieben worden. Verfasst hat sie Johannes Kirmse, der Leiter der DFB-Gründungsversammlung vom 28./29. Januar 1900 in Leipzig.

Derzeit spielt der Klub in der zehnten Liga und muss aufpassen, nicht abzusteigen.
Derzeit spielt der Klub in der zehnten Liga und muss aufpassen, nicht abzusteigen.

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„Unser Verein blickt zurück auf eine bewegte und bewegende Geschichte“, sagt Niklas Rotter. Er ist 19 Jahre alt und Abiturient, bei Germania hat er in dieser Saison den Sprung ins Tor bei den Herren geschafft, er ist also in gewisser Weise ein Ur-Ur-Urahn von Fritz Baumgarten. Rotter hat schon in der Jugend für Germania gespielt, er fühlt sich wohl in diesem Verein, seine Geschichte fasziniert ihn. Und es macht ihn traurig, dass für seine Generation davon fast nichts mehr greifbar ist. Die Erzählungen von damals leben fort, doch Dutzende Pokale und auch eine bronzene Büste der Germania sind verloren gegangen, vermutlich unwiederbringlich. Manches ist im Laufe der Jahre und besonders durch die Kriegswirren zerstört worden, anderes bei einem Umzug des Vereinsheims Anfang der 1970er-Jahre in vermeintlich treue Hände gegeben worden und danach nie mehr aufgetaucht.

Jetzt dürfen Kraschewski und seine Vereinskameraden immerhin für einen Tag mal wieder stolz sein auf sich und das Erbe ihres Vereins. In Gütersloh oder sonst wo in Deutschland wären sie damit auch eine große Nummer in ihrer Stadt. Doch ausgerechnet in Berlin gibt es nun mal vertrackt viele Vereine mit diesem oder jenem Alleinstellungsmerkmal. Und wenn man erst mal so weit unten angekommen ist wie Germania, fällt es zusätzlich schwer, aus der breiten Masse hervorzustechen. So ist mit der Zeit, erst recht seit dem Rückzug von Kraschewskis Vorgänger Matthias Senger und dessen Vater Heinz als Sponsor, alles weniger geworden: Geld, Spieler, Mitglieder.

Der erste Besuch des Kaiserhauses beim Fußball: Der deutsche Kronprinz beim BFC Germania

Letztlich ist es auch nichts geworden mit dem Geschenk an sich selbst. Am Samstag sollte die große Geburtstagsfeier stattfinden – auf dem Tempelhofer Feld, an historischer Stätte also, dort nämlich, wo Germania im April 1905 ein Spiel gegen die Amateure von Civil Service London 3:2 gewonnen hat. Und als wäre ein solcher Sieg einer deutschen Mannschaft gegen ein Team aus dem Mutterland des Fußballs nicht schon außergewöhnlich genug gewesen, hatte kurzfristig ein Staatstelegramm noch den Besuch des deutschen Kronprinzen Wilhelm angekündigt. Der erschien dann auch und blieb prompt länger als die avisierten 30 Minuten. Es war der erste Besuch des Kaiserhauses beim Fußball, dem Germanen-Kapitän überreichte Wilhelm einen von ihm gestifteten Silberpokal.

Präsident Dieter Kraschewski (r. unten, links im Bild) lässt sich die Feierlaune nicht verderben.
Präsident Dieter Kraschewski (r. unten, links im Bild) lässt sich die Feierlaune nicht verderben.

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Nun wollte der älteste deutsche Fußballverein antreten gegen den ältesten Fußballverein der Welt, den Sheffield FC, gegründet 1857 und vom Weltverband Fifa als einer von weltweit zwei Vereinen mit dem „Centennial Order of Merit“ (Jahrhundert-Verdienstorden) ausgezeichnet; der andere ist Real Madrid, der sportlich erfolgreichste Verein auf dem Planeten. Viele Weichen waren schon gestellt, doch nun sind all die schönen Planspiele auf den Sommer verschoben.

„Die Zeit hat einfach nicht ausgereicht“, sagt Kraschewski. Sein Blick richtet sich stattdessen auf diesen Montag, der „sehr erfüllend“ werden wird, glaubt er. Unter sich werden sie feiern, ein paar lokale Größen der Politik können es dazu immerhin ebenso einrichten wie der Präsident des Berliner Fußballverbandes, Bernd Schulz. Wowereit und Niersbach, den Granden von Stadt und Verband, ist Kraschewski nicht böse, wirklich nicht, sagt er: „Ich sehe die beiden doch jede Woche.“ Pause. „Im Fernsehen. Wenn die nicht zu uns kommen, dann weiß ich, die haben was anderes vor.“ Also, abgehakt. „Wir werden eine schöne Stunde erleben“, sagt Kraschewski, „und danach planen wir die nächsten 125 Jahre.“

Daniel Stolpe

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