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Die deutsche Biathletin Miriam Gössner beim Anschießen unmittelbar vor dem Wettbewerb.

© dpa

Biathlon: Die fetten Jahre sind vorbei

Bei den deutschen Biathletinnen gibt es, nicht erst seit dem Abschied von Magdalena Neuner, ein Nachwuchsproblem – trotz der wieselflinken Miriam Gössner.

Das Gesamtbild des deutschen Frauen-Biathlons löst bei den zuständigen Chefs in diesem Winter zwar ordentliches Magengrummeln aus – in einem nicht unerheblichen Punkt ist die aktuelle Lage aber sogar positiver als zu Saisonbeginn angenommen. Verantwortlich dafür ist die 22-jährige Ex-Langläuferin Miriam Gössner, die beim Schießen auf die schwarzen Scheiben oft noch eine gewaltige Streuung aufweist, dazwischen aber stets mit einem Tempo durch die Wälder saust, dass den Konkurrentinnen Hören und Sehen vergeht.

In dem Maße abzusehen war das nicht unbedingt – sagt zumindest Uwe Müssiggang. „Die Situation war vor dem Winter ein bisschen schwierig für uns“, erzählt der frühere Frauencoach und heutige Bundestrainer der Biathleten – denn: „Mit Magdalena Neuner hatten wir über vier Jahre hinweg immer die schnellste Läuferin in der eigenen Mannschaft. Diesmal dagegen war uns nicht ganz klar, was da auf uns zukommen würde.“ Diese Ungewissheit immerhin ist mittlerweile beseitigt, dank der wieselflinken Gössner. „Mit ihr haben wir eine in der Mannschaft, an der sich die anderen immer aufbauen und orientieren können. Sie ist das Maß aller Dinge“, sagt Müssiggang, der aber zugleich weiß: Im Großen und Ganzen werden sich die Dinge für die deutschen Biathletinnen, die zum Auftakt des Weltcups in Ruhpolding am Mittwochabend ihren dritten Platz in der Staffel von Oberhof bestätigen wollen, nicht so glücklich fügen.

Schon der frühere Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle beklagte einst, gerade dem weiblichen Nachwuchs fehle es zunehmend an der Bereitschaft, sich im Training über Jahre hinweg zu quälen und viel Zeit in seinen Sport zu investieren. „Da gebe ich ihm Recht, das sehen wir auch so“, sagt Gerald Hönig, Müssiggangs Nachfolger als Cheftrainer der deutschen Biathletinnen. Noch, so seine These, zehrten die Drahtzieher in seinem Bereich von der Vorbildwirkung einer Kati Wilhelm oder Magdalena Neuner. „Trotzdem wird es auch für uns von der Talentsichtung her immer schwerer. Da muss man sich in Deutschland sicher einiges überlegen – auch was die Qualität des Schulsports angeht“, fordert Hönig, der in der laufenden Diskussion zudem ein geschlechterspezifisches Problem geortet hat: „Ich glaube, dass eher Mädels als Jungs dazu tendieren, die sichere Variante über Ausbildung, Beruf oder Studium zu gehen – anstatt sich dem Sport mit aller Konsequenz zu stellen.“

Ein grundsätzliches Problem, für das es – wenn überhaupt – keine einfache Lösung geben kann. „Wir machen uns viele Gedanken“, sagt Uwe Müssiggang. Der Chef erwähnt den bewusst verschärften Konkurrenzkampf zwischen den Juniorinnen und jenen Biathletinnen, die seit Jahren auf dem Sprung ins Weltcup-Team sind, ihn aber nie wirklich hinbekommen haben. Er will seine Branche „anderen Disziplinen öffnen und dort nach echten Bewegungstalenten suchen – auch schon im Bereich der Zehn- bis Zwölfjährigen.“ Der Fußball gilt Müssiggang dabei durchaus als Vorbild. „Dort machen sie schon mit 13-Jährigen Verträge“, sagt er – und ergänzt: „Das wollen wir nicht, machen wir auch nicht. Aber zum Fußball hinschauen kann man schon mal.“

Zumal nicht so viele junge Frauen wie erhofft zum Biathlon schauen. Den Versuch, die wintersportliche Vorzeigedisziplin mit Talenten aus dem Langlaufbereich zu füttern, gibt es ja bereits seit dem letzten Winter. „Zwei haben gewechselt, da hätten wir ein bisschen mehr erwartet“, sagt DSV-Generalsekretär Thomas Pfüller und bekennt: „Die Situation ist nicht mehr ganz so komfortabel, wie wir sie über viele Jahre hatten. Und bis zu den Winterspielen im nächsten Jahr wird sich daran auch nichts ändern – deshalb müssen wir jetzt schon mal an Olympia 2018 denken.“

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