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Biathlon: Gleiten statt rollen

Von Biathlon vor dem Winter hält Kati Wilhelm wenig, trainiert aber mit neuem Konzept für ihren Traum vom vierten Olympiasieg

Von Katrin Schulze

Einen Moment noch. Zweimal schreibt Kati Wilhelm jetzt ihren Namen auf ein Stück Papier, dann legt sie ein freundliches Lächeln auf und lässt sich mit einem Fan knipsen – so viel Zeit muss sein. „Ist doch schön, wenn die Leute sich über ein Foto mit mir freuen, dann kann meine Leistung im Winter nicht so schlecht gewesen sein“, sagt sie. Und grinst. Die Biathletin hat sich mittlerweile daran gewöhnt, dass sie selbst im knappen Sommeroutfit erkannt wird. In Schlappen schlurft die drahtige Frau mit der markanten roten Kurzhaarfrisur an einem sonnigen Herbsttag durch die Gegend, dazu trägt sie Shorts und ein enges pinkes Oberteil. „Auch wenn man es sich gerade schwer vorstellen kann: So lange dauert es nicht mehr, bis es losgeht“, sagt Wilhelm. Anfang Dezember startet die Biathlon-Saison mit dem Weltcup in Östersund, die Vorbereitung dafür hat längst begonnen.

Eigentlich hat Kati Wilhelm gar nicht aufgehört zu trainieren, schließlich steht kein beliebiges Jahr bevor, sondern eine Olympia-Saison. Deshalb geht es jetzt auch darum, „keine Fehler mehr zu machen“, wie sie sagt. „Bei der Vorbereitung werde ich diesmal nicht viel anders machen als im vorigen Jahr.“ Die 33 Jahre alte Thüringerin hat keinen Grund, etwas an ihrem Übungsprogramm zu verändern – zu erfolgreich war sie im vergangenen Winter. Zwar verpasste Wilhelm im letzten Saisonrennen gegen die Schwedin Helena Jonsson knapp den Gewinn des Gesamtweltcups, triumphierte allerdings bei den Weltmeisterschaften in Pyeongchang zwei Mal: im Sprint und im Einzel, dazu gab’s Silber in der Verfolgung und mit der Staffel.

Mangelnde Experimentierfreude lässt sich der Deutschen trotzdem nicht unterstellen, immerhin liegt eine ziemlich ausführliche Ausprobierphase hinter ihr. Nachdem sie im Winter 2007/2008 hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückgeblieben war, engagierte die Biathletin zwei neue Trainer, mit denen sie ein komplett neues Konzept aufstellte. „Wenn es nicht läuft, bin ich jemand, der konsequent etwas ändert“, sagt Wilhelm. „Das hat gut funktioniert, und deshalb versuche ich mich dieses Jahr auf hohem Niveau zu stabilisieren.“ Wie das einer Wintersportlerin im Sommer gelingt? Wenn es nach der 33-Jährigen geht, mit einer gesunden Mischung aus Kraft- und Ausdauertraining. Dass Biathleten im Sommer nur auf Skirollern laufen, wie viele Außenstehende sich das vorstellen, ist laut Wilhelm „Unsinn“. Vielmehr wird die Ausdauer für den langen Winter auf Skiern mit allen erdenklichen Mitteln geschult: „Joggen, Mountainbikefahren, Inline-Skating und sogar Kanu“, zählt sie auf. „Mal kombiniert mit Schießen, mal separiert.“

Dennoch wird der sommerliche Formtest für Biathleten immer noch auf Skirollern durchgeführt: Sommer-WM heißt diese zuletzt kontrovers diskutierte Veranstaltung. „Zum Stellenwert dieser WM gibt es ja unterschiedliche Meinungen“, sagt Wilhelm schmunzelnd. Ihr eigener Standpunkt ist dabei nicht schwer zu erraten: Während sich einige ihrer Mitstreiterinnen Ende September in Oberhof um den Titel Sommerweltmeister stritten, machte Wilhelm selbst zusammen mit anderen Sportlern lieber Urlaub im Robinson-Club. „Für mich ist es wichtig, vor der letzten großen Vorbereitungsphase noch mal abzuschalten“, sagt sie, bevor sie einem jungen Mann einen weiteren Autogrammwunsch erfüllt. Bei all dem Interesse an ihrer Person kommt Kati Wilhelm erstaunlich locker daher, sie hat sich an den Trubel um ihre Person gewöhnt und geht höchst professionell damit um, dass sie sozusagen zum Gesicht des deutschen Biathlons aufgestiegen ist.

In Vancouver, bei Olympia 2010, wird neben Wilhelm auch ihre Sportart an sich im Fokus stehen. Nicht erst seit den Erfolgen bei den Spielen 2006 in Turin, bei denen allein die deutschen Männer vier Mal Gold holten, hat Biathlon im öffentlichen Interesse in Deutschland andere Wintersportarten überholt. Längst wird den Biathlon-Trainern vor Olympischen Spielen nicht mehr die Frage gestellt, ob sie eine Medaille gewinnen, sondern wie viele. Aber bedeutet so ein Erfolgsdenken für die Athleten selbst nicht auch eine zusätzliche Last? Kati Wilhelm schüttelt den Kopf. „Ich habe, wie die meisten meiner Kollegen, schon ein paar Olympische Spiele erlebt und war da auch einigermaßen erfolgreich“, sagt sie. „Wir müssen niemandem etwas beweisen und können es entspannt angehen lassen.“

Erst wenn sie bei den olympischen Rennen an der Startlinie steht, „wird sich diese Herangehensweise wohl ändern“, sagt Kati Wilhelm. „Dann will ich nämlich unbedingt gewinnen.“

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