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Teamsache. Die deutschen Biathleten um Johannes Kühn (links) und Philipp Horn rechnen sich bei der WM in Antholz gute Chancen in der Staffel aus.

© Darko Bandic/dpa

Biathlon-WM, Klimawandel, Umbruch: „Ich denke, dass ich das eine oder andere verändern werde“

Der Sportliche Leiter Bernd Eisenbichler über die Weltmeisterschaft in Antholz, Sorgen um den Nachwuchs und die Einflüsse des Klimawandels auf die Sportart.

Bernd Eisenbichler, 44, war über 20 Jahre lang für das Biathlon-Team der USA zuständig. Vor einem knappen Jahr wechselte er als Sportlicher Leiter zum deutschen Verband. Wir haben vor Beginn der Weltmeisterschaft in Antholz (13. bis 23. Februar) mit ihm gesprochen.

Herr Eisenbichler, können Sie den Namen Laura Dahlmeier noch hören?
Also ich habe mit dem Namen kein Problem. Im Gegenteil: Ausnahmeathletinnen wie Laura Dahlmeier oder Magdalena Neuner rücken unseren Sport in den Fokus der breiten Öffentlichkeit.

Es gab zuletzt ein paar Aktive aus dem deutschen Biathlon, die es leid waren, ständig auf die Folgen von Dahlmeiers Rücktritt angesprochen zu werden.
Dass das Thema dieses Jahr immer wieder aufkommen wird, war mir klar. Und dass da eine gewisse Lücke an Spitzenergebnissen entstehen wird, wenn so eine Topathletin – ganz egal, wie der Name ist – aufhört, ist völlig normal.

Wie groß ist denn aus Ihrer Sicht die Lücke, die Dahlmeier hinterlassen hat?
Genauso wie erwartet. Wenn man international einmal schaut: Wer hat denn wirklich drei Topathleten, die wöchentlich in die Top 6 laufen können? Da gibt es punktuell nur die Norweger und die Franzosen. Und wir haben es jetzt im Dezember mit Denise Herrmann und Franziska Preuß geschafft – so waren es halt „nur“ zwei.

Das Frauenteam kam in diesem Winter dennoch nur schwer in Tritt. In Hochfilzen gab es historisch schlechte Platzierungen. In Pokljuka fuhr Denise Herrmann dann aber den ersten Sieg ein.
In Hochfilzen kamen einige Dinge zusammen, das war wirklich ein schlechtes Wochenende von uns. Wir haben uns danach zusammengesetzt und in Ruhe analysiert. Wir haben dann im Team Wechsel vorgenommen, dadurch kam frischer Wind rein, und der Druck wurde ein bisschen erhöht. Diese Wechsel haben wir bis zum Weltcup in Pokljuka fortgeführt, um zu sehen, wer sich für die Weltmeisterschaft anbietet.

Laura Dahlmeier hat nach ihrem Rücktritt eine große Lücke hinterlassen.
Laura Dahlmeier hat nach ihrem Rücktritt eine große Lücke hinterlassen.

© Matthias Balk/dpa

Auch bei den Männern gab es immer wieder personelle Wechsel zwischen dem Weltcup und dem zweitklassigen IBU-Cup.
Das ist eine Reaktion auf die Ergebnisse. Wenn ich sechs Athleten im Weltcup habe, die alle in den Top 15 sind, dann wird es da keinen Wechsel geben. Es geht darum, klare Anforderungen zu stellen und auf Leistungen zu reagieren.

Die früheren Weltmeister Erik Lesser und Simon Schempp taten sich schwer, nur Lesser wurde nun für die am Donnerstag in Antholz beginnende WM nominiert. Ist da gerade ein Generationenwechsel im Gange?
Erst mal ist es schön, dass die Jungen nachrücken. Generationenwechsel würde ich nicht sagen, weil wir natürlich auch die arrivierten Athleten um Arnd Peiffer und Benedikt Doll für die nächsten Jahre brauchen werden. Benedikt hat beim Massenstart in Pokljuka auch noch mal ein richtiges Statement gesetzt, wo er Martin Fourcade und Jo-Thingnes Bö herausgefordert hat und sie besiegen konnte. Das war für die Mannschaft auch noch mal ein Fingerzeig: Wir können sie punktuell auch schlagen.

Sieben Medaillen gab es vor gut einem Jahr bei der WM in Östersund. Ist das auch dieses Jahr wieder drin?
Benedikt, Arnd und Johannes Kühn waren auf dem Podium, bei den Damen war es Denise. Natürlich ist es ihr Anspruch, das auch bei der WM zu schaffen. Wir haben zudem klar kommuniziert, dass wir bei den Staffel-Entscheidungen um Medaillen kämpfen wollen. Sieben Medaillen waren sicherlich ein sehr großer Erfolg letztes Jahr. Es ist bei dem engen und starken internationalen Feld schwierig, so eine Vorgabe zu wiederholen. Das können und dürfen wir so nicht erwarten.

Wie sieht Ihre Rolle bei der WM aus?
Ich bin natürlich im Mannschaftshotel vor Ort und kümmere mich darum, dass alles läuft, dass ich jeden zu Topleistungen motivieren kann, vom Techniker bis zum Physiotherapeuten. Ich habe im Endeffekt die Gesamtverantwortung für das Team. Wir betreiben auch großen Aufwand im Skitechnikbereich. Da gibt es viel zu koordinieren und mit den Trainern zu besprechen, um die richtigen Entscheidungen für die Einsatzkonzeption zu treffen.

Wie war denn nach fast 20 Jahren für den US-Verband Ihr erster Eindruck vom DSV?
Es sind, glaube ich, viele Dinge sehr, sehr gut im Deutschen Skiverband. Als Deutscher habe ich die Situation im DSV natürlich schon in den vergangenen Jahren verfolgt. Wenn man von außen kommt, sieht man unter Umständen auch Dinge, die sich über die Jahre eingeschlichen haben und die man in der Zukunft noch verbessern kann. Ich denke, dass ich mir da jetzt einen guten Überblick verschafft habe und dann sicherlich auch im Frühjahr das eine oder andere etwas verändern werde.

Bernd Eisenbichler, 44, war über 20 Jahre lang für das Biathlon-Team der USA zuständig. Vor einem knappen Jahr wechselte er als Sportlicher Leiter zum deutschen Verband.
Bernd Eisenbichler, 44, war über 20 Jahre lang für das Biathlon-Team der USA zuständig. Vor einem knappen Jahr wechselte er als Sportlicher Leiter zum deutschen Verband.

© Angelika Warmuth/dpa

Große Neuerungen können Sie also erst nach der Saison anschieben.
Man versucht natürlich schon jetzt auf verschiedene Dinge einzuwirken. Im Nachwuchsbereich haben wir in den letzten Monaten sehr viel Energie investiert. Im August haben wir mit Zibi Szlufcik einen neuen Nachwuchschef geholt, mit ihm werden wir in Zukunft eine neue Strategie fahren.

Die Nachwuchssorgen sind zuletzt größer geworden. Da war von „Angst“ die Rede, und mit Ausnahmetalenten sei auf absehbare Zeit ohnehin nicht mehr zu rechnen.
Für jeden Verband wird es immer schwieriger, große Talente in das System zu bringen. Magdalena Neuner, Laura Dahlmeier – solche Ausnahmetalente kommen nicht alle ein, zwei Jahre. Es ist aber schon so, dass wir momentan Athleten mit Potenzial haben, die wir aber systematisch entwickeln müssen. Ich sehe es jetzt nicht schwarz, aber ich sehe schon, dass wir von der Nachwuchsgewinnung zur -entwicklung und dann auch in der Weiterführung noch systematischer werden müssen.

Hat man da in den vergangenen Jahren ein bisschen was verschleppt, weil durch die erfolgreichen Ausnahmetalente der Druck gefehlt hat, Neuerungen anzustoßen?
Ob was verschleppt worden ist oder nicht, das müssen andere beurteilen. Meine Aufgabe ist es, den Ist-Zustand zu betrachten. Und da sehe ich, dass wir im Nachwuchs Arbeit vor uns haben.

Wo liegen die größten Aufgaben?
Völlig klar ist, dass wir im Damenbereich hinter den Topathletinnen eine Lücke haben. Es ist unsere Aufgabe, den Perspektivkader ein gewisses Stück jünger aufzustellen, um die Athletinnen schneller und zielgerichteter vom Juniorenbereich Richtung Weltspitze zu entwickeln.

Treibt Sie denn auch das Thema Klimawandel um? Schmilzt Ihnen da gerade die Zukunft davon?
Ja, das treibt mich extrem um. Das hat zwei Hintergründe: Das Erste ist, dass es schwieriger sein wird, Athleten an Biathlon oder Skilanglauf heranzuführen und sie für eine Sportart zu begeistern, die in Zukunft vielleicht nur noch auf einem weißen Band stattfinden kann. Und das Zweite ist: Unsere Junioren verlieren im Vergleich zu unserer Konkurrenz relativ viel an Schneekilometern. Da müssen wir mit Schneesicherungskonzepten entgegenwirken in der Zukunft.

Findet man denn überhaupt noch genug Kinder und Jugendliche, die Lust auf Biathlon haben?
Jede Sportart – bis auf vielleicht Fußball – hat Probleme, hochtalentierte Athleten zu gewinnen. Deswegen müssen wir aktiver in die Talentgewinnung gehen: Wir werden mit Schulen kooperieren, und wir werden auch versuchen, ehemalige Weltklasseathleten für diese Talentsuche zu gewinnen, um es attraktiv zu gestalten. Wir müssen die besonderen Talente finden und für den Leistungssport gewinnen. Wir wollen nicht warten, bis sie sich für Biathlon interessieren, weil sie es mal im Fernsehen gesehen haben oder in der Nähe von Ruhpolding oder Oberhof wohnen.

Müsste man dazu dann nicht auch mehr in die Städte gehen, also dahin, wo mehr Menschen wohnen?
Es bringt uns nicht wahnsinnig viel, wenn wir in Großstädte gehen und die Sportart bekanntmachen, aber wissen, dass die nächste Biathlon-Anlage 150 Kilometer weiter weg ist. Das heißt, wir müssen in der Nähe dieser Stützpunkte ansetzen. Es ist gut, dass wir unsere Sportart nach außen tragen mit Events wie Schalke oder Wiesbaden. Aber wir brauchen den Schnee, wir brauchen eine gute Anlage, und wir brauchen vor allem starke Trainingsgruppen.

Das erste Biathlon-Toptalent aus Berlin ist also erst einmal nicht in Sicht.
(lacht) Das ist zwar eine nette Vorstellung, aber in der Praxis wird das noch sehr lange dauern.

Leonard Brandbeck

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