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Einen Kopf kleiner gemacht. Rajon Rondo (r.) war keine Verstärkung für Dirk Nowitzkis Dallas Mavericks.

© dpa

Big Four - Die US-Sport-Kolumne: Das Missverständnis Rajon Rondo

Rajon Rondo galt bei den Boston Celtics über Jahre als einer der besten Spielmacher der NBA. Der Wechsel zu den Dallas Mavericks wurde zum Desaster - für beide Seiten.

Einen kleinen Seitenhieb konnte sich Dirk Nowitzki dann doch nicht verkneifen. Im blaukarierten Hemd hing der 36-Jährige m Dienstagabend Ortszeit in Houston eher im Stuhl, als dass er wirklich saß im Presseraum des Toyota Centers. Seine Dallas Mavericks hatten gerade 94:103 bei den gastgebenden Rockets verloren - das abschließende 1:4 in der best-of-seven-Serie bedeutete das Erstrundenaus.  "Also, die Jungs, die dabei waren, haben alles gegeben", grummelte Nowitzki, und spätestens hier war klar, dass eigentlich einer im Mittelpunkt stand, der gar nicht gespielt hatte. 

So ging es irgendwie dann doch wieder für einen Moment um Rajon Rondo, und warum es denn nicht geklappt hat für den Aufbauspieler bei den Mavericks - die Causa Rondo bestimmte nicht nur die Play-offs der Texaner, sie fand dort eher sogar noch ihren Höhepunkt. Am Ende steht nun die Erkenntnis: Einer der vermeintlich besten Spielmacher der Basketballwelt ist in Dallas grandios gescheitert - auch an sich selbst. In Spiel zwei der Serie gegen Houston stand Rondo nur wenige Minuten auf dem Feld, fiel dann für den Rest der Runde mit einer nicht genauer definierten "Rückenverletzung" aus. Mavs-Trainer Rick Carlisle wurde vor wenigen Tagen überraschend deutlich und schloss klar aus, dass der 29-Jährige auch im kommenden Jahr das weiß-blaue Dallas-Leibchen trägt: "Das kann ich mir nicht vorstellen." Alles nur weitere Anzeichen dafür, wie zerrüttet die kurze Beziehung zwischen Klub und Spieler eigentlich war.

Im Dezember noch sah das ganz anders aus: "Dies ist ein großer Schritt nach vorne für uns", erklärte der stets redefreudige Mavs-Besitzer Mark Cuban bei der offiziellen Rondo-Vorstellung. Für den Wunschspieler und den jungen Forward Dwight Powell wurden - so will es das Regelwerk im Sinne der Gehaltsobergrenze - gleich drei Spieler und zwei künftige Draft-Picks an die Boston Celtics abgegeben. Das Dallas-Management im Generellen und Cuban im Speziellen sahen die Point-Guard-Position als wichtigste Baustelle, und im langjährigen Celtics-Passgeber das fehlende Puzzlestück zum Status des Titelkandidaten.

Bei den Boston Celtics brillierte Rajon Rondo über viele Jahre

In Neuengland brillierte der stille Spielmacher aus Kentucky knapp acht Jahre lang, reifte zu einem der besten Point Guards der NBA. 2008 noch war er eher Ergänzung denn Vorspieler beim letzten Titelgewinn der Celtics, erst danach kam der echte Durchbruch. Der damalige Bostoner Head Coach Doc Rivers adelte Rondo für seine Vielseitigkeit einst halb kryptisch als "Trainer-Porno". Einer, der selbst auf dem Parkett Entscheidungen treffen kann - nicht jedem Übungsleiter gefällt das, auch Rivers musste sich erst arrangieren mit dem Charakter Rondo. "Rajon ist nicht einfach", analysierte ESPN-Experte Skip Bayless einmal, "sind er und der Coach aber auf einer Linie, ist es ein Traum." 2012 und 2013 war Rondo bester Passgaber der Liga, mit Fabelwerten von fast zwölf Vorlagen pro Spiel. Auch bei den so seltenen Triple Doubles - zweistellige Werte in drei Kategorien - lag Rondo regelmäßig an der Spitze. Die Diskussion um den fähigsten Regisseur der Basketballwelt konzentrierte sich lange auf ihn und Chris Paul von den Los Angeles Clippers.

Dass die letzten Spielzeiten von Verletzungen durchsetzt waren - seit 2011 stand Rondo nur in 121 von 230 möglichen Saisonspielen auf dem Parkett - und Rondos eklatante Wurfschwäche sowohl aus dem Feld als auch von der Freiwurflinie von Gegnern längst als Achillesferse ausgemacht wurde - es hinderte die Mavs nicht, ihn unter Vertrag zu nehmen. Zu groß die Verlockung des auch defensiv so starken Rondo, der in Boston nach mehreren personellen Abgängen längst unzufriedener Alleinunterhalter war.

In Dallas konnte Rondo nur selten überzeugen

Schnell jedoch stellte sich in Dallas Ernüchterung ein. Nur an ausgewählten Abenden gelangen dem Hoffnungsträger Wunderdinge wie in alten neuenglischen Zeiten: Der eigenwillige Carlisle, der eine schnelle Ballzirkulation predigt, und der eigenwillige Rondo, der Passgeber alter Schule, der das Spielgerät mit Vorliebe lange in den Händen führt, wurden nie richtig warm miteinander. Im kleinen Kreis soll der 55-Jährige daher schon vor Abschluss an Sinn, Zweck und Nutzen des Wechsels gezweifelt haben. 

Von 46 Saisonpartien mit Rondo wurden nur 26 gewonnen, in den übrigen 36 gab es dagegen gleich 24 Siege. Entgegen den Erwartungen litt auch die sonst so starke Offensive - die eigentlich mit dem neuen Antreiber eher weiter florieren sollte. Die Punkteausbeute sank von 106 auf 100 Zähler pro Partie. Rondo wirkte meist wie ein Fremdkörper, konnte an seine alte Form nicht anknüpfen. Im Februar folgte der erste große Knall: Während der Partie gegen die Toronto Raptors gerieten Spieler Rondo und Trainer Carlisle über den nächsten Spielzug dermaßen aneinander, dass der Neuzugang nicht nur den Rest des Abends auf der Ersatzbank verbringen musste, sondern auch gleich noch für das nächste Spiel suspendiert wurde. "Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit, so etwas kommt nun mal vor", diktierte ein sichtlich genervter Carlisle danach.

Auch Kritiker fühlten sich bestätigt. "Mir hat Rondo bisher einfach nicht gezeigt, dass er spielerisch mit der starken Konkurrenz im Westen mithalten kann", analysierte Bayless' TV-Kollege Stephen A. Smith. Tatsächlich gilt dieser Bereich der in West und Ost geteilten NBA als hochklassiger. Mit Paul von den Clippers, Stephen Curry von den Golden State Warriors, Russell Westbrook von den Oklahoma City Thunder und Tony Parker von den San Antonio Spurs spielen hier gleich die vier wohl weltbesten Akteure auf der Point-Guard-Position. Nicht nur nach dem eigenen Selbstverständnis zählte Rondo seit Jahren auch zu diesem illustren Kreis - war 2015 aber nur einer unter vielen.

Rondos Vertrag läuft im Sommer aus, das Ende ist beschlossen. Mittlerweile sagt der seit 2008 in Dallas amtierende Carlisle: "Es ist Zeit für Veränderung. Wir sind mit dem Transfer ein Risiko eingegangen, aber das Risiko war es uns wert." Auch, wenn die Mavericks damit letztlich gescheitert sind.

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