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Selbstinszenierung? Fehlanzeige. Stattdessen versenkt Tim Duncan (rechts) konstant seine Mitteldistanzwürfe

© Imago

Big Four - Die US-Sport-Kolumne: Erfolgreiche graue Maus

Die San Antonio Spurs gehören zu den erfolgreichsten Basketballklubs der vergangenen 15 Jahre. Doch außerhalb ihrer regionalen Reichweite erfreut sich das NBA-Team keiner großen Beliebtheit. Warum eigentlich nicht?

Basketball kann eine schöne Sportart sein. Wie schöner Basketball auszusehen hat, liegt im Auge des Betrachters. Es gibt Zuschauer die freuen sich über athletische Aktionen und spektakuläre Dunkings. Dann gibt es Zuschauer, die gutes Zusammenspiel und schöne Pässe honorieren. Einige wenige können sogar in knallharter Verteidigung etwas Ästhetisches erkennen.

Und dann gibt es Fans der San Antonio Spurs.

In den vergangen 15 Jahren gab es kein Team, mit Ausnahme der Los Angeles Lakers, welches so oft im Finale stand und zudem noch vier Meisterschaften holte. Seit 1996 hat der texanische Verein die Play-offs nicht mehr verpasst. Eine so positive Bilanz über einen so langen Zeitraum zu halten, ist eigentlich beeindruckend.

Dennoch, die Spurs werden nicht geliebt. Sie haben es nie geschafft den Glamour zu verbreiten wie die Lakers, Bulls oder Knicks. Sie werden von der breiten Masse höchstens akzeptiert aber nicht gefeiert wie manch anderer Verein. Ein Blick auf die am meisten verkauften Trikots der Saison 2012/13 in Europa, Südamerika und den USA zeigt: Unter den Top 10 befindet sich, trotz Platz eins in der regulären Saison und dem Final-Einzug, kein einziger Spurs-Akteur.

Die Gründe für die fehlende Wertschätzung sind vielfältig. Sie beginnen schon mit einem Standortnachteil. Der Klang des Namen San Antonios versprüht nicht den Glanz wie New York, Los Angeles oder Miami. Mark Cuban, Besitzer der Dallas Mavericks, nannte den San Antonio River Walk (Promenade und Touristenattraktion entlang des Stadtflusses) sogar einmal ein „schmutziges, schlammiges Etwas“.

Den Menschen rund um San Antonio ist dies egal. Die Mannschaft ist der Stolz der Region, die Stadt und deren Vororte sind Spurs-Hochburgen. Auch bei vielen Menschen mit mexikanischem Hintergrund, sonst eher Fußballbegeistert, stehen „Los Spurs“ hoch im Kurs. Von Abneigung gegenüber der Mannschaft kriegt man dort nichts mit.

Es ist aber auch der Spielstil der Spurs, der den meisten außenstehenden Zuschauern wenig zusagt. Insbesondere der langjährige Star der Mannschaft, Tim Duncan, zeichnet gnadenlose Effizienz und solides Handwerk aus. Auseifernde Emotionen, spektakuläre Aktionen und Selbstinszenierung? Fehlanzeige. Stattdessen versenkt Duncan konstant seine Mitteldistanzwürfe, typisch für ihn, indem er über das Brett den Ball in den Korb wirft – und dabei keine Miene verzieht.

Dabei könnte die Wertschätzung, insbesondere für den Cheftrainer, kaum groß genug sein. Es ist kein Zufall, dass mit der Verpflichtung von Gregg Popovich 1996 auch der Erfolg kam. In der Defensive bilden die Texaner ein Bollwerk, offensiv schafft es Popovich, spielerische Mängel seiner Spieler zu kaschieren und die Spielsysteme auf die einzelnen Stärken zuzuschneiden. So konnten auch eher unbekannte Akteure verpflichtet werden, die trotz ihrer beschränkten Möglichkeiten optimal ihre wenigen Stärken einbringen können. Eine Qualität, die der Verein auch dringend benötigt hat um sich dauerhaft in der NBA-Spitze zu positionieren. Schließlich erhalten die Spurs durch die guten Platzierungen nie die Chance im alljährlichen Draft, eines der Top-Talente zu verpflichten. Damit widersetzen sie sich den üblichen NBA-Mechanismen, dass eine Meisterschaft nur mit Stars gewonnen werden kann.

Wenn es einen Akteur bei den Texanern gibt, der aus dem kollektiv herausragt, dann ist es Tony Parker. Doch selbst er wirkt neben den schillernden NBA-Größen wie ein gewöhnlicher Spieler.

Ganz unschuldig ist der Verein mit dem Sporen-Logo jedoch auch nicht am eigenen Image. Vor allem zur Mitte des letzten Jahrzehnts war man in einige hitzige Gefechte verwickelt, legendär ist die Play-off-Serie gegen die Phoenix Suns, als Robert Horry den Suns-Aufbauspieler Steve Nash mit einem Bodycheck niederstreckte. Wegen der anschließenden Rangeleien auf dem Spielfeld wurden auch diverse Suns-Spieler mit einer Sperre belegt. Ein Vorteil, den die Texaner hinterher ausnutzten, um die Serie zu gewinnen. Auch Spieler wie Bruce Bowen trugen mit der kompromisslosen, teilweise überharten Verteidigung etwas zu dem negativen Ruf bei. Dass San Antonio damit zum Erfolg kam, wurde nicht gerne gesehen. Auch vom damaligen Liga-Chef David Stern nicht. Die TV-Einschaltquoten für NBA-Finals mit Spurs-Beteiligung liegen unter dem üblichen Durchschnitt.

Allen Widerständen zum Trotz, sind die Spurs auch in diesem Jahr erfolgreich in die Saison gestartet. Nach 9 Begegnungen gab es erst eine Niederlage. Und das obwohl die Leistungsträger wie Duncan, Ginobili oder Parker noch älter geworden sind.

Wenn es nicht ein Widerspruch in sich wäre, könnten die San Antonio Spurs als erfolgreiche graue Maus beschrieben werden: kein Glamour, keine Superstars und dennoch mehrere NBA-Titel. Die Spurs-Fans wird es nicht stören.

Marvin Clignon

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