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Sport: Big in Wuppertal

Schwimmerin Sarah Poewe ist aus Südafrika in die deutsche Provinz gewechselt, um endlich Rekorde zu brechen

Wuppertal. Sogar künstlich beleuchtete Weihnachtsbäume hatte die kleine Schwimmgemeinschaft an den Beckenrand des Wuppertaler Schwimmzentrums gestellt, um ihren Weltstar zu empfangen. „Etwas kitschig ist das schon", meinte Sarah Poewe, 19, bei ihrer Ankunft. Doch die Rahmenbedingungen sind für die ambitionierte Weltklasseschwimmerin gar nicht so bedeutsam. Für sie geht es um mehr. Sie will „alle deutschen Rekorde brechen" und auch Weltrekorde anpeilen.

Für dieses Ziel hat Poewe einen bis jetzt einmaligen Schritt in der Geschichte des deutschen Schwimmens vollzogen: Seit einem halben Jahr startet Poewe, eine der weltbesten Brustschwimmerinnen, für den kleinen Verein SG Wuppertal/Uerdingen/Dormagen, für den auch Thomas Rupprath und Antje Buschschulte antreten. Zudem hat sich die Südafrikanerin entschieden, die deutsche Nationalität anzunehmen. Nun startet sie für einen kleinen Verein in Deutschland, auch wenn sie in Georgia in den USA studiert und trainiert.

Nach Deutschland kommt Poewe nur, wenn sie sich für Wettkämpfe qualifizieren muss oder internationale Titelkämpfe bestreitet. So erschien sie nun vor zwei Wochen wieder einmal in Wuppertal, um sich auf die Deutschen Kurzbahnmeisterschaften in Goslar, die die Qualifikation für die morgen beginnende Europameisterschaft in Riesa (12. bis 15. Dezember) waren, vorzubereiten. Bei der EM sollen dann nach Aussage ihres Wuppertaler Trainers Henning Lambertz „alle deutschen Rekorde, die es auf ihren Strecken gibt, fallen“.

Schon bei ihrem ersten Auftritt in Deutschland vor sechs Monaten sorgte Poewe für Furore. Bei den nationalen Titelkämpfen in Warendorf siegte sie überlegen über 100 Meter Brust. Was sie zu leisten in der Lage ist, zeigte sie bereits bei der Qualifikation in Goslar. Dort gewann die 19-Jährige über 100 und 200 Meter Brust, verpasste dabei über die kürzere Distanz den deutschen Rekord nur um eine Zehntelsekunde. „Da war sie aber noch von den Reisestrapazen geplagt", erläutert Lambertz, der die Rekorde auf die EM vertagt sieht. Diesmal fühle sie sich „topfit“. Über 50, 100 und 200 Meter Brust wird sie in Riesa vom Startblock springen, um die Rekordjagd aufzunehmen.

Dabei hat Poewe Glück, dass sie überhaupt starten darf. Erst wenige Tage vor den EM-Qualifikationsrennen erhielt Lambertz die Sondergenehmigung vom Weltverband Fina. Ihr Vereins- und Nationalitätenwechsel hätte normalerweise ein Jahr Wettkampfsperre nach sich gezogen, Poewe hätte erst nächstes Jahr bei der WM in Barcelona starten dürfen. Doch die schnelle Einigung des südafrikanischen Verbands mit dem deutschen Verband überzeugte die Fina. Poewe hatte hierfür einen letzten Wettkampf bei den Commonwealth Games in Manchester für die Südafrikaner bestritten. „Nach anfänglichen Animositäten haben wir uns doch noch freundlich getrennt“, berichtet Poewe. Schließlich hatte Südafrikas Schwimm-Präsident Gideon Sam zuvor von einem „herben Schlag“ gesprochen.

Warum ist Poewe eigentlich nach Deutschland gegangen? „Die südafrikanische Mannschaft ist schwach“, sagt Lambertz. Bei den Olympischen Spielen hatte Poewe keine Medaille im Einzelschwimmen errungen und die Lagen-Staffel, ihre letzte Hoffnung, war zu schlecht, um das zu kompensieren. Damals sah sie die deutsche Staffel neben sich ins Wasser springen und traf ihre Entscheidung. „Das ist ein absoluter Glücksfall für uns“, sagt Ralf Beckmann, der als Sportdirektor des deutschen Schwimmverbandes an dem lange geheimen Coup beteiligt war. Denn in den Disziplinen Kraul, Delfin und Rücken ist die deutsche Lagen-Staffel sehr stark besetzt – nur beim Brustschwimmen paddeln die Deutschen der Weltspitze seit Jahren hinterher. Doch zuletzt schwamm die Staffel in Berlin selbst mit diesem Defizit einen Europarekord. Lambertz sagt: „Da kann sich jeder ausmalen, was nun mit Sarah möglich ist.“

Christoph Bertling

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