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Sport: Bis der Arzt kommt

Berlin will Medizininstitut schließen – Sportler drohen mit Klage

Berlin. So langsam verliert Peter Hanisch den Glauben an die Demokratie. „Mich beschleicht das Gefühl, in einer Bananenrepublik zu leben“, sagt der Chef des Berliner Landessportbundes. Seit Monaten verhandelt er mit dem Senat über Kürzungen für den Berliner Sport. Nun will er nicht mehr verhandeln. Der Landessportbund droht, die Regierung der Stadt zu verklagen. Anlass ist die Schließung des Instituts für Sportmedizin. Dort wurden bislang Berliner Spitzensportler medizinisch betreut. Im Haushalt für das kommende Jahr sind dafür keine Mittel mehr eingeplant. Nach Informationen des Tagesspiegel gibt es aber ein Problem: Der Senat hat den Nutzungsvertrag nicht fristgerecht gekündigt. „Wenn es in den nächsten zwei Wochen keine Lösung gibt, ziehen wir vor Gericht“, kündigt Hanisch an.

Der Senat lässt sich von den Drohungen nicht beeindrucken. „Die sportmedizinische Betreuung muss privatisiert werden“, sagte Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) am Mittwoch dem Tagesspiegel. „Wir können dafür nur noch geringe Finanzmittel bereitstellen.“ Bisher hat sich das Land die Betreuung von Spitzenathleten zwei Millionen Euro pro Jahr kosten lassen. In sieben Beratungsstellen wurden in diesem Jahr 2000 Nachwuchssportler betreut und 500 angehende Schüler der Sport-Eliteschulen untersucht. Auch Breitensportler konnten sich kostengünstig behandeln lassen. Zwischen 50 und 60 Euro kostete eine Untersuchung für einen Erwachsenen, Kinder und Jugendliche bezahlten gerade mal fünf Euro.

Solche Preise wird es in einem privaten Institut nicht mehr geben. „Zukünftig dürfte eine Untersuchung zwischen 80 und 100 Euro kosten“, sagt Institutschef Folker Boldt. Er soll die bisher landeseigene Sportmedizin in einen privaten Trägerverein überführen. In einem Sanierungskonzept ist vorgesehen, das Institut von sieben auf zwei Standorte einzuschränken und die Mitarbeiterzahl von derzeit 32 Personen „deutlich abzubauen“ (Boldt). Der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses soll in der kommenden Woche über das Konzept befinden. Um die Betreuung der Spitzensportler sowie der Sportschüler – für diese sind die Untersuchungen eine Aufnahmevoraussetzung in den Sportschulen – zu sichern, sollen doch noch öffentliche Mittel mobilisiert werden. Knake-Werner sagt aber: „Auch Leistungssportler müssen künftig für die Untersuchungen Gebühren zahlen.“

Hinter den Kulissen gibt es derzeit hektische Verhandlungen. Am Dienstag traf sich Knake-Werner mit Sportsenator Klaus Böger (SPD), zudem gab es Gespräche mit dem Landessportbund. Das Bemühen des Senats, eine Klage abzuwenden, ist deutlich erkennbar. Schließlich verlängert sich der Vertrag automatisch um ein Jahr, wenn er nicht „mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt wird“. Genau das ist aber nicht passiert. Nach Auffassung der Sportvertreter gilt der Kontrakt deshalb bis Ende 2003 – auch wenn Knake-Werner entgegnet: „Da wir den Landessportbund von der Privatisierung informiert haben, hat der Vertrag für uns keine Grundlage mehr.“

Und es gibt noch ein Problem: das Gesundheitsdienstgesetz. Darin garantiert das Land die medizinische Versorgung von Spitzensportlern. Das Gesetz soll nun geändert werden. Berlin wäre das erste Bundesland, das sich aus der Betreuung zurückzieht.

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