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Sport: Bis einer fliegt

Keine Mannschaft erhält so viele Platzverweise wie Hertha BSC – und keine stellt sich so unglücklich an

Berlin. Als der erste Ärger verflogen war, stand Christian Fiedler lächelnd im Keller der Arena Auf Schalke. „Na, Mensch, da haben wir ja richtig Glück gehabt“, sagte der Torhüter von Hertha BSC. Seine Tonlage war überaus sarkastisch, denn hätte am Sonntag sein Kollege Pal Dardai ebenfalls die Gelbe Karte gesehen, dann wäre auch der in der nächsten Woche gesperrt gewesen. „Und so viele Spieler hätten wir dann nicht mehr, die noch mitspielen dürfen – oder?“ Fiedler war sichtlich bedient, und das lag nicht nur an der 0:3-Niederlage beim FC Schalke 04.

Im Kader des Berliner Bundesligisten stehen nicht mehr viele Spieler, die in dieser Saison noch nicht verwarnt worden sind. Christian Fiedler hat bisher keine Rote, nicht mal eine Gelbe Karte gesehen. Da ist er die Ausnahme. Seine Kollegen pflegen seit Monaten den intensiven Körperkontakt mit Kartenfolge. Hertha BSC hat in dieser Saison sieben Rote Karten gesehen, eine Gelb-Rote und 84 Gelbe Karten – so viele wie kein anderes Team. Am Sonntag sah auch noch der mittlerweile im Amateurteam verschwundene Niko Kovac im Spitzenspiel gegen Babelsberg Rot. „Wer nur die Statistik sieht, der muss denken, dass wir knüppelhart foulen“, sagt Herthas Trainer Hans Meyer.

In Wirklichkeit ist es anders, aber nicht besser: Die Berliner schwächen sich seit Monaten nicht durch brutale Fouls, sondern durch dumme. Am Sonntag bei Schalke 04 zog Marko Rehmer seinen Gegenspieler Gerald Asamoah im Stolpern zu Boden und sah dafür, drei Minuten nach seiner Einwechslung, die Rote Karte. Eine Minute später nahm Malik Fathi wie ein Volleyballspieler die Hand zu Hilfe und musste, weil vorher schon verwarnt, mit Gelb-Rot vom Platz. Dass Hertha eben „nicht extrem disziplinlos spielt“ (Hans Meyer), zeigt auch das Urteil des Deutschen Fußball-Bundes für Marko Rehmer. Es war eine klare Notbremse, aber mit so geringem Brutalitätsfaktor, dass Rehmer nur für ein Spiel gesperrt wurde.

Das Urteil des Sportgerichts reiht sich nahtlos ein in die gesamten Sanktionen für die Berliner in dieser Saison. Sieben Spieler mussten mit Rot vom Platz – doch niemand wurde länger als zwei Spiele gesperrt. „Wir sind keine Tretertruppe“, sagt Manager Dieter Hoeneß. „Wir bewahren nur nicht immer die Nerven.“ Man kann auch sagen: Die sportliche Qualität des Abwehrverhaltens spiegelt sich in der Sünderkartei der Liga wieder. Mit Hertha, Wolfsburg und Kaiserslautern stehen jene Mannschaften in dieser Tabelle vorn, die mit am meisten Gegentore kassiert haben. Werder Bremen dagegen, der Tabellenführer, steht mit einer Roten und 47 Gelben Karten am Ende. Die Bremer spielen ruhig, klug und haben erst 28 Tore kassiert. Bei Hertha sind es doppelt so viele.

Auch Trainer Hans Meyer sieht eine Verbindung zwischen den vielen Roten und Gelben Karten und seinen verunsicherten Spielern, „die im Tabellenkeller herumkrauchen“. Die Spieler „wollen Willen zeigen und stellen sich ungeschickt an“. Die Gelb-Rote Karte für Malik Fathi war ein gutes Beispiel dafür: Er wehrte die Flanke mit der Hand ab, weil hinter ihm zwei ungedeckte Schalker standen. Und bevor Marko Rehmer, der erst drei Minuten zuvor eingewechselt worden war, den Schalker Gerald Asamoah zu Boden riss, „haben wir es versäumt, den Passgeber zu stören“, sagt Manager Hoeneß. Bei Hertha BSC reihen sich also die Fehler so lange aneinander, bis ein Berliner vom Platz fliegt.

Dass nun Fathi und Rehmer am komenden Wochenende gegen Borussia Dortmund ausfallen, kann Hans Meyer immerhin verkraften. Am Wochenende wird für Fathi Dennis Cagara spielen, der am Wochenende mit Dänemarks Junioren-Nationalmannschaft unterwegs war. Trainer Hans Meyer stehen dann auch wieder Arne Friedrich und Fredi Bobic zur Verfügung. Die beiden waren gegen Schalke – richtig – gesperrt.

André Görke

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