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Beim Derby brannten Hertha- und Union-Anhänger Bengalos ab.

© AFP

Bitte mal den Ball flach halten: Pyrotechnik ist nicht das Kernproblem des Fußballs

Die Strafen, die der DFB den Berliner Fußball-Bundesligisten anhängt, tun Hertha BSC und dem 1. FC Union nicht weh. Müssen sie auch nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von David Joram

Wer viel lärmt und raucht, der muss viel zahlen. So kann, wer mag, die Strafe auffassen, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den beiden Berliner Bundesligisten aufgebrummt hat. Die Fanlager des 1. FC Union und von Hertha BSC hatten das Stadtderby am 2. November ja zum Anlass genommen, eine bizarre Feuershow abzuliefern. 190.000 Euro muss Hertha BSC daher zusammenkratzen, 158.000 Euro der 1. FC Union, der den Strafantrag allerdings (noch) nicht akzeptiert hat.

So weit die Zahlen. Sie mögen manchen Menschen gering vorkommen, und angesichts der vielen Millionen, die in der Bundesliga munter hin- und her geschoben werden, dürfen sie sich auch bestätigt fühlen. So richtig weh werden diese niedrigen sechsstelligen Beträge weder den Klubs und schon gar nicht den Fans tun. Müssen sie auch nicht. Der Versuch, Pyrotechnik einzudämmen, ist ohnehin kein lohnender.

Ohne Ultras wäre der Fußball ärmer

Die feurigen Fackeln gehören genauso zu einer lebendigen Fanszene wie die Trommeln, Fahnen und Gesänge. Das muss niemand mögen, zumal die Feuerzeremonien so viel Qualm und Gestank verursachen, dass es der Gesundheit kaum zuträglich ist. Es würde aber helfen, das Ansinnen der organisierten Fans, oft Ultras genannt, zu verstehen. Nach deren Geschmack verdienen besondere Spiele einen besonderen Rahmen, einen möglichst feurigen.

Die Ultras muss übrigens auch niemand lieben. Sie gelten im glattgebügelten Profibetrieb aber als eines der letzten kommerzkritischen Elemente – ohne sie wäre der Fußballkosmos deutlich ärmer. Dass die Eintrittspreise für Bundesligaspiele noch halbwegs im Rahmen liegen, geht vor allem auf ihre Kampagnen zurück. Sie sind es auch, die demokratische Prozesse in den Vereinen anmahnen und unterschiedlichste Projekte anschieben. Was wäre beispielsweise der 1. FC Union ohne ein starkes Fanbündnis? Vermutlich längst vergessen.

Einst in Italien begründet, gilt die Fußballsubkultur der bürgerlichen Klientel dennoch seit jeher als rebellisch bis respektlos. Und ja, manchmal schießen einzelne Fanszenen nicht nur sprichwörtlich übers Ziel hinaus. Dass etwa beim Stadtderby Feuerwerkskörper in benachbarte Blöcke flogen, ist nicht zu rechtfertigen.

Es gibt genug andere Probleme

Der Sache tut Differenzierung gut. Raketen auf andere Menschen schießen – nein! Über vieles andere, eingeschlossen Pyrotechnik, sollten Verbände und Vereine Für und Wider genau abwägen – und im Zweifelsfall lieber in Grautönen malen. Denn trotz aller martialisch anmutenden Bilder lautet die Bilanz des Berliner Bundesliga-Derbys: drei leichtverletzte Personen. Das sind drei zu viel, fraglos. Den (Feuer-)Teufel muss deshalb aber niemand an die Wand malen.

Die Verbände tun daher gut daran, die Kernprobleme ins Visier zu nehmen, das gilt speziell für den DFB. Jugendförderung, Ehrenamt, Angebote für Frauen, schwindendes Vereinswesen, Korruption, Rassismus, Homophobie – die Liste ist lang. Ein Pyrotechnik-Derby zählt nicht dazu.

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