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Sport: Bitter und tragisch

Die deutschen Herren verlieren zum fünften Mal das EM-Finale im Tischtennis

Berlin. Als es vorbei war, schloss Jörg Roßkopf seine kleine Tochter in die Arme. Es war allerdings nicht ganz klar, wer in dieser Szene wen tröstete. Der Papa hatte auch Trost nötig. Soeben hatte der Rekordnationalspieler im Tischtennis das Endspiel um die Mannschafts-Europameisterschaft in Courmayeur gegen Weißrussland 1:3 verloren. Natürlich nicht alleine, aber für Roßkopf war es besonders bitter. Der 33-Jährige hat nicht mehr viele Chancen diese Goldmedaille, die ihm in seiner Sammlung fehlt, zu gewinnen. „Dieser Titel hätte mir sehr viel bedeutet, denn Erfolge mit der Mannschaft sind die schönsten“, sagte Roßkopf.

Dabei war das deutsche Team eigentlich favorisiert. Weißrussland hatte im Halbfinale den Serienmeister und Angstgegner Schweden, gegen den das deutsche Team seine bisherigen vier Finalteilnahmen (1980, 1990, 2000 und 2002) verloren hatte, aus dem Rennen geworfen. Zudem trat Deutschland neben dem ehemaligen Doppelweltmeister Roßkopf mit seinem Star an, dem Weltranglistenersten Timo Boll. „Unsere Chancen waren so gut wie wohl noch nie zuvor, aber es hat wieder nicht sein sollen“, erklärte Roßkopf. Ausgerechnet der nach einem Jahr Verletzungspause wiedergenese Hesse wurde zur tragischen Figur im Finale.

Nachdem Herren-Bundestrainer Istvan Korpa bei der Mannschaftsaufstellung gepokert und vermeintlich gewonnen hatte, verlor Rosskopf völlig unerwartet das Auftaktmatch gegen den Defensivspieler Jewgeny Schetinin mit 2:3 Sätzen. Korpa erklärte: „Wir wollten diese Konstellation. Roßkopf als unser Spezialist gegen Abwehr sollte zuerst spielen.“ Doch der Weißrusse, der beim Bundesligisten TTG Müller Munscheid sein Geld verdient, spielte überlegt und profitierte von Roßkopfs Abschlussschwächen und mehrmals von Kanten- und Netzbällen.

Damit lastete der Druck im folgenden Spitzeneinzel auf Timo Boll, der unbedingt gegen den Weltranglistensechsten Wladimir Samsonow gewinnen musste, um das Finale offen zu halten. Beide waren zuvor noch ungeschlagen – und der Weißrusse blieb es auch. Mit 3:0 Sätzen fertigte Samsonow den amtierenden Europameister Boll ab, der nicht ganz auf der Höhe seines Könnens wirkte und nie zu seinem sicheren und aggressiven Spiel fand. „Wladimir hat gewusst, wie er mich in Schach halten kann. Er war heute eine Klasse besser“, sagte Boll. Auch sein Versteckspiel vor dem Match hatte nichts geholfen. Boll hatte auf das Vormittags-Training mit dem Team verzichtet und sich individuell vorbereitet.

Den Ehrenpunkt im dritten Spiel holte Zoltan Fejer-Konnerth, der gegen Dimitri Schumakow zum 1:2 verkürzte. Doch zu diesem Zeitpunkt war allen Beteiligten und den etwa 200 Zuschauern klar, dass das Finale für die Deutschen nicht mehr zu gewinnen war. Im letzten Einzel schlug Samsonow schließlich den tapfer kämpfenden Roßkopf locker mit 3:1und sank danach vor Freude auf die Knie. Samsonow schraubte seine EM-Bilanz auf 6:0-Siege. Im Einzel-Halbfinale könnte der Weißrusse erneut auf Boll treffen, der in der April-Weltrangliste weiterhin auf Position eins geführt wird. Doch der Deutsche sagte:„Damit beschäftige ich mich hier überhaupt nicht. Mit tut es für die gesamte Mannschaft leid.“

Jörg Petrasch

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