zum Hauptinhalt

Sport: Bitterer Abgang

Nach dem 1:1 gegen Mailand versuchen die Bayern, sich ihre missliche Lage schöner zu reden, als sie ist

Es wäre natürlich ein seltsames Bild gewesen, hätte sich Michael Ballack mehrfach auf den Oberschenkel oder den Hinterkopf oder irgendeine andere Körperpartie geklopft. Insofern könnte man seine Erklärung sogar verstehen, die er nach dem Spiel zu seinem Torjubel in Umlauf brachte. Ballack hatte sich mehrmals mit der flachen Hand energisch auf die Brust geschlagen – nach eigener Aussage nur zufällig auf exakt jene Stelle, an der das Vereinswappen des FC Bayern München prangt. Viele Fans wollten das partout als verschlüsselte Botschaft verstanden haben: Ich, Michael Ballack, habe mich entschieden, ich bleibe beim FC Bayern, denn das ist der beste Verein in Europa.

Dass Ballack nach dem 1:1 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen den AC Mailand all jene Interpretationen lächelnd, aber ausdrücklich dementierte, mag an der Erkenntnis gelegen haben, dass der FC Bayern möglicherweise eben doch noch nicht das Format erlangt hat, das die Dominanz in den nationalen Wettbewerben glauben machen konnte. Es war das Spiel, auf das die Münchner so lange hingefiebert hatten, es war die erste schwere Prüfung der Saison. Es könnte nun gleich die vorletzte gewesen sein, und diese unangenehme Befürchtung schien sich schon gleich nach dem Abpfiff bei den meisten Münchner Beteiligten zu verfestigen, auch wenn sie tapfer dagegen anredeten. Nicht bestanden – so oder so ähnlich dürfte es sich angefühlt haben.

Es hatte ohne Frage auch einige Ungerechtigkeiten gegeben aus Sicht der Münchner, die fieseste in der 56. Minute: Da hatte der Schiedsrichter den bis dahin bemerkenswert ungefährlichen Mailändern einen Handelfmeter zugesprochen, den selbst einige Mitglieder der norditalienischen Delegation anschließend nur mit schweigendem Schmunzeln kommentieren wollten. Doch dass jene unglückliche Begebenheit das (schon zuvor erschlaffte) Spiel der Münchner nach überlegen geführter erster Halbzeit völlig zum Erliegen brachte, überraschte schon. Geschockt sei die Mannschaft gewesen, erklärte Felix Magath, was dem ungewohnt milde gestimmten Trainer ausreichte, das mindestens 45 Minuten lang zerfahrene Spiel seiner Elf zu entschuldigen. Der Strafstoß habe die Mannschaft „völlig aus der Bahn geworfen“.

Uli Hoeneß musste sich bemühen, seine Enttäuschung zumindest halbwegs zu kaschieren. „Wir haben von der ersten Minute der zweiten Halbzeit an den Gegner das Spiel machen lassen“, sagte der Manager der Bayern, und sein Blick verriet, dass er wenig Verständnis für die jähe Passivität hatte. Es sei absehbar, dass man „gegen so eine Mannschaft dann Probleme bekommt“. Dass auf einmal nichts mehr zu sehen war von der Verve, mit der die Münchner noch in der Vorrunde Juventus Turin 90 Minuten lang in die Defensive gedrängt hatten, konnte auch Hoeneß nicht erklären. Eher schon Michael Ballack: „Milan hat sofort gemerkt, dass wir ein bisschen nachgelassen haben, dann haben sie nachgesetzt, sehr ballsicher gespielt, und wir mussten hinterherlaufen.“

Oliver Kahn kündigte an, die Mannschaft werde beim Wiedersehen in Mailand „das Spiel ihres Lebens“ machen. Der verletzte Torhüter schaute dabei zwar wie eine erfahrene Wahrsagerin, trotzdem wirft die Regelmäßigkeit solcher Voraussagen die Frage auf, wie viele Leben die Spieler der Bayern eigentlich haben: eines oder vielleicht doch drei oder gar vier. Felix Magath erwartet ebenfalls einiges von dem Ausflug nach San Siro. „Wenn es eine Viertelstunde vor Schluss in Mailand 0:0 steht, möchte ich mal sehen, wie der Gegner reagiert. Ein Tor kann das Ende von Mailand bedeuten“, sagte er und schlussfolgerte: „Das ist eine psychologisch durchaus attraktive Situation.“ Er lächelte ein schwer zu deutendes Lächeln, als er das sagte. Eines, das man beim FC Bayern in diesen Wochen bestens von Michael Ballack kennt.

Daniel Pontzen[München]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false