zum Hauptinhalt
Sepp Blatter.

© dpa

Blatters nächster Schachzug: Fifa stellt Strafanzeige - aber gegen wen?

Im Skandal um die WM-Turniere 2018 und 2022 geht die Fifa jetzt in die Offensive. Sie hat Strafanzeige gestellt - gegen wen, ist unklar.

Der Skandal um die WM-Vergabe an Russland und Katar zieht immer weitere Kreise: Der Fifa-Präsident Joseph Blatter geht nun in die Offensive und hat Strafanzeige bei einem Gericht in Bern gestellt. „Wenn wir etwas zu verbergen hätten, würden wir uns hüten, ausgerechnet die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Fifa-internen Gremien haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten getan, was sie konnten, und arbeiten weiter daran“, sagte Blatter in einem Fifa-Interview auf der Homepage des Weltverbandes.  „Jetzt wird die Angelegenheit zusätzlich noch von unabhängiger staatlicher Seite aus beleuchtet“, konstatierte Blatter, der in der Affäre seit Veröffentlichung des Berichts der eigenen Ethikkommission und dem Freispruch für Russland und Katar am vergangenen Donnerstag geschwiegen hatte. Der Strafantrag wurde von der Fifa auf Empfehlung von Hans-Joachim Eckert gestellt, dem zuletzt international harsch kritisierten Vorsitzenden der Rechtssprechenden Kammer der FIFA-Ethikkommission. Gegen wen sich der Antrag konkret richtet, ist allerdings unklar.
Eckert hatte in seinem Urteil zur WM-Vergabe 2018 und 2022 die Gastgeber Russland und Katar sowie die sieben unterlegenen Kandidaten vom Vorwurf der Korruption freigesprochen, aber weitere Ermittlungen gegen Einzelpersonen angemahnt. „Manche dieser Abklärungen kann die Fifa-Ethikkommission selbst vornehmen. Andere wiederum gehören in die Hände der zuständigen Ermittlungsbehörden“, sagte Eckert auf der Fifa-Homepage.
Die Ankündigung könnte eine dramatische Wende im Fifa-Skandal einläuten. Besonders die Rolle der 22 wahlberechtigten Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees bei der Abstimmung im Dezember 2010 steht auf dem Prüfstand. Über einen Zeitrahmen der Ermittlungen gibt es noch keine Angaben.  In die Affäre war schon vor der brisanten Mitteilung aus Zürich Bewegung gekommen. Am Donnerstag wird sich Eckert mit Michael Garcia zu einem geheimen Spitzengespräch treffen. Die Zusammenkunft des deutschen Richters mit dem Top-Ermittler aus den USA wurde am Dienstag vom Fußball-Weltverband bestätigt. Ort und Zeit des Treffens sind aber vorerst nicht publik.
Eckert hatte am Wochenende angekündigt, den Kontakt zu Chefermittler Garcia aufzunehmen. Der Amerikaner hatte zuvor Einspruch bei der Fifa-Berufungskommission gegen Eckerts WM-Urteil angekündigt. Ob er diesen im Lichte der neuen Entwicklungen aufrecht erhält, ist unklar.  Unterdessen hat sich in Uefa-Präsident und Fifa-Vize Michel Platini ein weiterer Top-Funktionär für eine Veröffentlichung des sogenannten Garcia-Berichts ausgesprochen, auf dessen Grundlage Eckert sein Urteil fällte. „Präsident Michel Platini hat erneut seine Unterstützung für die vollständige Veröffentlichung des Garcia-Berichts bestätigt, wenn Vertraulichkeitsregeln nicht verletzt werden“, twitterte Uefa-Medienchef Pedro Pinto am Dienstag.
Diesem Begehr erteilte Blatter eine klare Absage. „Veröffentlicht die Fifa diesen Bericht, verletzt sie ihr eigenes Verbandsrecht und auch staatliches Recht“, sagte der Schweizer. „Dies können wir natürlich nicht tun.“ Mit Spannung wird nun erwartet, wie die Juristen in Bern die Arbeit aufnehmen und wie die Fifa-Ethikkommission nach dem Treffen ihres Führungsduos agieren wird.  Eckert verteidigte seine Entscheidung, die WM-Vergabe als solche nicht moniert zu haben. „Ich kann nur mit dem Material arbeiten, das in einem solchen Bericht enthalten ist“, sagte er. Dieses habe nicht ausgereicht, um „die Integrität des Vergabeprozesses als Ganzes infrage zu stellen.“ Eckert hatte bei allen Kandidaten Unregelmäßigkeiten festgestellt. Garcia sprach unmittelbar nach der Veröffentlichung von einer „erheblich unvollständigen und fehlerhaften“ Darstellung durch Eckert.
Besonders kritisch wurde in den Medien die Belobigung von Fifa-Chef Blatter durch Eckert kommentiert. Auch die Darstellung, die offensichtlich korrupten Aktivitäten des Katarers Mohamed bin Hammam hätten nichts mit der WM-Kandidatur des Emirats zu tun, stießen weltweit auf Unverständnis. Zudem hatten sich zwei frühere Mitarbeiterinnen der Bewerbungskomitees aus Katar und Australien zu Wort gemeldet, die sich als Kronzeuginnen Garcias durch den Eckert-Bericht diskreditiert fühlen.
In den USA ermittelt das FBI verstärkt in der Fifa-Causa. Auch in England werden mögliche Untersuchungen durch Parlamentarier vorangetrieben. Als wichtigste staatliche Instanz wird nun die Schweizerische Bundesanwaltschaft in Bern die Affäre beleuchten.  Der frühere Chef des englischen Fußball-Verbandes David Bernstein hatte zum WM-Boykott durch die europäischen Teams aufgerufen, sollte sich die Fifa nicht reformieren. Ligaverbandspräsident und DFB-Vizechef Reinhard Rauball hatte sogar einen Austritt der Uefa aus der Fifa zu einer Option erklärt. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false