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Sport: Blaue Augen, stumme Schreie

Ungläubig verfolgt der FC St. Pauli seinen tiefen Sturz

Von Joachim Frisch

Hamburg. Was ist nur los mit dieser Mannschaft? Zurück in die Bundesliga wollte sie, aber nach drei Niederlagen in den ersten drei Spielen lautet das Urteil über den FC St. Pauli: nicht zweitligatauglich.

Das Jahr der Partys im Oberhaus hat wohl den Sinn für die Realität getrübt. Da wurde nahezu jeder, der außer einer Grätsche auch noch einen Pass über 15 Meter zustande brachte (Meggle, Rahn, Bajramovic, Rath, Kientz) verscherbelt und gleichzeitig von spielerischer Verstärkung schwadroniert. Dann musste der bei den Fans beliebte Trainer Dietmar Demuth gehen. Nun quält sich dessen einstiger Assistent Joachim Philipkowski mit einer desolaten Truppe herum und fleht seine Chefs an, diese mögen sich doch bitte schnell mit Ingo Peters einigen. Der 50-Jährige verhandelt aber erst mal mit den Sportfreunden Siegen um eine Vertragsverlängerung. St. Paulis Kapitän ist ratlos: „Ich schäme mich, Profi-Fußballer zu sein“, sagt Holger Stanislawski. Die Lokalpresse bemüht schon apokalyptische Metaphern. Die 0:6-Niederlage am Freitag beim Aufsteiger Lübeck wurde als „Hinrichtung“ bezeichnet, die Spieler würden „stumm nach Hilfe schreien". Und der unglückliche Philipkowski diagnostiziert: „Die Mannschaft hat nicht mehr geatmet.“

Lebhaft geht es dagegen in den höheren Etagen zu. Da geht der Präsident öffentlich auf den ehemaligen Trainer Demuth und den noch amtierenden Manager Stephan Beutel los. „Jeder Fan weiß doch, wer diese Mannschaft zusammengestellt hat und für die Qualität verantwortlich ist, die wir heute haben“, schimpft Reenald Koch. „Ich habe die Leine zu lang gelassen. Das kann man Blauäugigkeit nennen.“

Beutel wurde bereits der frühere Bundesliga-Profi Franz Gerber als Sportdirektor vor die Nase gesetzt. Dass der einst gefeierte Manager nicht entlassen wurde, liege einzig an der hohen Abfindung, heißt es im Umfeld des Vereins. Selbst der Optimismus vor dem Pokalspiel bei Tennis Borussia wirkt aufgesetzt: „Gegen die Amateure zählt nur ein Sieg“, sagt Holger Stanislawski – und weiß nur zu gut, was ihm und seinen Kollegen im Falle einer Niederlage blüht.

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