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Sport: Bleierne Bayern

Einer nach dem anderen marschierten sie ans Gitter wie zu einer Beichte. Die Blicke gesenkt, die Arme entschuldigend ausbreitend, die Schultern hochziehend, als erhofften sie Verständnis.

Einer nach dem anderen marschierten sie ans Gitter wie zu einer Beichte. Die Blicke gesenkt, die Arme entschuldigend ausbreitend, die Schultern hochziehend, als erhofften sie Verständnis. Nach diesem 1:1 gegen Borussia Dortmund fühlten alle sonst so tapferen Bayern diese tiefgreifende Erkenntnis, die schmerzt, weil sie eine Spur Endgültigkeit in sich trägt. Der Traum vom vierten Titel in Folge, der ist wohl ausgeträumt, auch wenn Torwart Oliver Kahn sein berühmtes "im Fußball ist alles möglich" in den Abend hinaushauchte.

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Nach 90 Minuten, in denen Borussia Dortmund als bessere und reifere Mannschaft auftrat, sprach Mehmet Scholl von Hemmschwellen und Rucksäcken beim Titelverteidiger und Champions-League-Sieger in dieser bleiernen Zeit. Sie redeten, als lägen sie beim psychologischen Hilfsdienst der Diakonie auf der Bank. "Wir müssen zufrieden sein mit dem 1:1", sagte Giovane Elber, der mit seinem frechen Kopfballtor in der 82. Minute eine schlimme Niederlage verhindert hatte. Jürgen Kohler hörte Jens Lehmanns Ruf aus dem Hintergrund und überließ den Ball der Ballistik. Dortmunds Keeper kam zu spät und "ich bin einfach mit dem Kopf hingegangen", erzählte Elber mit traurigem Blick und gequältem Lächeln.

Diese verhaltene Freude hatte die entsetzten Gesichter abgelöst, die das Führungstor von Amoroso, der erst nach 65 Minuten eingewechselt wurde, ausgelöst hatte. Ein seltsamer Freistoßpfiff des eigenwilligen Schiedsrichters Edgar Steinborn aus Sinzig bescherte Amoroso einen Schussversuch ohne störende Gegner. Kahn "sah den Ball zu spät", und als er ihn in vollem Umfang wahrnahm, da lag das Ding schon im Tor.

Kaum einer der 54 000 Zuschauer hätte in dem Moment viel Geld auf eine Wende im Spiel gesetzt. Zu eindeutig beherrschten Kehl und der Tscheche Rosicky die Szenerie. Die Bayern fielen durch peinliche Fehler und Schussversuche auf. Samuel Kuffour rannte zum x-ten Mal in seiner Laufbahn seinen Torwart Oliver Kahn über den Haufen, obwohl weit und breit kein einziger Schwarz-Gelber zu sehen war.

Jetzt, wo spielerischer Glanz nicht mehr war als eine schöne Erinnerung, vergeudeten die Münchner ihre Energie in kleinlichen Meckereien beim Schiedsrichter. "Ganz klar, wir hätten hier gewinnen müssen, wir haben zwei Punkte verschenkt, und das macht ärgerlich", sagte Dortmunds Kapitän Stefan Reuter. Neben ihm stand Sebastian Kehl. Der ehemalige Freiburger hat sich nach erst fünf Wochen Dortmund nahtlos in Spiel und anschließende Vereinsmeinung eingefügt und plapperte wie ein Routinier. Für den Mann, der erst den Bayern zugesagt, dann aber trotz Anzahlung für sich eine bessere Chance in Dortmund sah, gab es ein paar Pfiffe.

Nach einer guten halben Stunde aber war auch das den Fans der Bayern zu aufwändig. Zudem überzeugte Kehl im Mittelfeld und lieferte im Duell mit Bayerns schwächelndem Spielmacher Stefan Effenberg ein gutes Spiel ab. Effenberg tauchte fast völlig unter. Und hätte Lehmann seinen Schuss in der 68. Minute nicht spektakulär an die Latte gelenkt, der Kapitän wäre gar nicht aufgefallen. "Wir haben Glück gehabt", sagte Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld. Dann ergriff auch ihn das bleierne Bayern-Gefühl, das Beine und Köpfe so schwer werden lässt. "Wenn wir gewonnen hätten, dann hätten wir von der Meisterschaft sprechen können, aber so wäre es unrealistisch", sagte Hitzfeld und freute sich, dass es keine Fragen mehr gab.

Die Sieger aus Dortmund dachten "als Tabellenführer natürlich an die Meisterschaft" (Kehl), aber vor allem "an die nächsten schweren Wochen" (Reuter). Spiele gegen "alle, die oben stehen, werden uns zeigen, was wir erreichen können (Kehl). Große Freude brach bei den Westfalen nicht aus. Zwei Punkte, fanden sie alle, die hätten sie eindeutig verloren.

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