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Sport: Blick ins Volle

Jens Lehmann glaubt an seine WM-Chance

Berlin - Kurze Zeit sah es so aus, als wolle Jens Lehmann jetzt den Oliver Kahn geben. Lehmann trat in Berlin vor die Presse, setzte sich hinter das Mikrofon und stierte dann scheinbar unmotiviert ins Nichts. Niemand beherrscht diese titanische Zurschaustellung der eigenen Lustlosigkeit besser als Oliver Kahn. Doch Lehmanns Blick ins Leere entpuppte sich als optische Täuschung. In Wirklichkeit betrachtete der deutsche Nationaltorhüter nur sehr ausführlich das voluminöse Ölgemälde „The debis Mural“ des amerikanischen Künstlers David Salle.

Mit der Unterstellung, er eifere Kahn nun auch außerhalb des Fußballplatzes nach, täte man dem 35 Jahre alten Lehmann wohl auch großes Unrecht an. Als die deutschen Torhüter noch sagen durften, was sie wirklich von einander denken, hat Lehmann einmal sein Unverständnis über den Lebenswandel des Oliver K. geäußert; inzwischen sind alle Aussagen der beiden Torhüter diplomatisch dekontaminiert. Aus gutem Grund. „Wir haben ja gemerkt, dass jeder Satz zu diesem Thema unterschiedlich interpretiert wird“, sagt Kotrainer Joachim Löw.

Aktuell hat eine Aussage von Bundestrainer Jürgen Klinsmann in einem Interview mit der „Sportbild“ die Debatte neu belebt. Klinsmann hatte gesagt: Wenn nichts Außergewöhnliches mehr passiere, also Kahn sich nicht verletze oder in ein Leistungsloch falle, „dann hat er die besten Karten zu spielen“. Man kann das für eine leichte Modifizierung der bekannten Aussage halten, dass Kahn die Nummer eins und Lehmann sein Herausforderer sei. Man kann aber auch gleich wieder in Hysterie verfallen.

Lehmann selbst hat dazu beigetragen, indem er – allerdings vergeblich – die Authentizität der Äußerung anzweifelte und – bisher ebenfalls vergeblich – ein Gespräch mit dem Bundestrainer anmahnte. Fast trotzig wirkt es daher, dass der Torhüter des FC Arsenal aus London weiterhin davon ausgeht, bei der WM im nächsten Jahr im Tor zu stehen. „Prinzipiell wäre ich kein guter Profi, wenn ich nicht glaube, dass ich eine realistische Chance habe“, sagt Lehmann. „Man wünscht sich ja auch keinen Zweifler im Tor.“

Es ist schon paradox: Niemand mag die Torwartrotation, am wenigsten die Kandidaten selbst, und doch haben beide von ihr profitiert. Der Konkurrenzkampf hat Kahns Ehrgeiz wieder geweckt und wird inzwischen selbst von Klinsmanns Kritikern als ursächlich für seine neue Stärke angesehen. Jens Lehmann wiederum kommt nun auch in der Nationalelf regelmäßig zum Einsatz und glaubt, sich auf diese Weise nachhaltig empfehlen zu können. Der neuen Dienstplanung zufolge spielt Lehmann am Samstag in der Slowakei (20 Uhr, live im ZDF) und am Mittwoch gegen Südafrika. Beide Torhüter sind dann in der Ära Klinsmann je neunmal zum Einsatz gekommen, und die Deutsche Presse-Agentur hat bereits ausgerechnet, dass Lehmann bisher nur alle 97,5 Minuten bezwungen wurde, Oliver Kahn hingegen alle 53. Wenn das nicht wieder Ärger gibt.

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