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Sport: Bloß nicht lächeln

Wasserspringerin Guo Jingjing ist Chinas bekannteste Sportlerin – ihr Erfolg hat sie hochnäsig gemacht

Es kann nur ein Versehen gewesen sein, dass Guo Jingjing am Ende die Silbermedaille am Hals baumelte. Ein zweiter Platz ist für die Wasserspringerin eigentlich nicht vorgesehen, gerade nicht in diesem Jahr, dem Jahr der Olympischen Spiele in ihrer Heimat China. Doch die Dauerweltmeisterin und Olympiasiegerin hat sich beim Weltcup in Peking vom Dreimeterbrett eine Schwäche erlaubt und ihrer Landsfrau Wu Minxia den Sieg überlassen. Sonst ist es Gewohnheit beim Wasserspringen, dass Guo Jingjing die beste Figur macht. Der Konkurrenz bleibt nur das Schwärmen. „Sie springt wie ein Uhrwerk, ein Paradebeispiel für Exaktheit, Schönheit und Eleganz“, preist der deutsche Bundestrainer Lutz Buschkow die Doppel-Olympiasiegerin von Athen.

Ihre Goldmedaillen und ihr Aussehen haben Guo berühmt, reich und auch hochnäsig gemacht. Reporter, die ihr Alter als Grund für die Niederlage beim Weltcup vermuteten, kanzelt sie schnippisch ab und kichert dafür lieber weiter mit Wu Minxia herum, die im Sychronspringen ihre Partnerin ist. Die 26-jährige „Diving Queen“ ist Chinas bekannteste Sportlererin. Nur NBA-Profi Yao Ming und Hürden-Olympiasieger Liu Xiang haben höher dotierte Werbeverträge. Schon bei der Ankunft am Flughafen Peking lächelt sie Besucher als Sympathieträgerin eines japanischen Elektronikkonzerns an.

Dabei kann allzuviel Öffentlichkeit leicht den Zorn der allmächtigen Sportbürokraten erregen. Wie leicht, das erfuhr Chinas zweites großes Wassersprungidol Tian Liang nach den letzten Spielen. Tian, Olympiasieger von Sydney und Athen vom 10-Meter-Turm, wollte sein Gold versilbern und nahm daher einen Werbeauftritt nach dem anderen war. Offenbar hatte der 25-Jährige zuvor weder das Sportministerium um Erlaubnis gefragt, noch einen Teil seiner Einnahmen abgeführt – ein unverzeihlicher Fehler. Selbst Basketball-Millionär Yao Ming gab in seinen ersten beiden Profijahren über die Hälfte seines Salärs an die chinesische Basketballliga CBA ab. Die Quittung kam prompt. Wenige Monate nach seinem Triumph von Athen flog Tian Liang aus dem Nationalkader. Peking wird er nur als Zuschauer erleben. Inzwischen hat er seinen Rücktritt vom Leistungssport erklärt und baut eine Nachwuchsakademie in seiner Heimat Xian auf, einem der Zentren des chinesischen Wasserspringens.

Tians Rauswurf war Guo Jingjing eine Lehre. Auch sie habe nach den Spielen von Athen zu viele Werbeauftritte wahrgenommen, gestand sie 2005 in öffentlicher Selbstkritik. Grell geschminkt und tief dekolletiert hatte sie für ein Hongkonger Modelabel posiert. Sie wolle zurück ins Nationalteam, ihrer „großen warmherzigen Familie“ und „ein Vorbild für jüngere Athleten werden“, sagte sie. Soviel Demut kam an. Bei den Spielen in Peking wird die inzwischen achtmalige Weltmeisterin die Erfahrenste in einem verjüngten chinesischen Kader sein.

Der hat offenbar weniger Berührungsängste als noch die Generation der Guos und Tians, berichtet Tobias Schellenberg, Silbermedaillengewinner von Athen: „Als ich noch jung war, waren die Chinesen immer für sich und haben selten gelacht. Jetzt hat sich das verändert. Die sind sehr offen und lustig.“ Guo Jingjing allerdings hasst zuviel Nähe. Über ihr Privatleben in der Öffentlichkeit zu sprechen, hält sie für „eigenartig“, Gerüchte über eine Affäre mit dem Sohn einer reichen Hongkonger Familie kommentierte sie nie. Bei Wettkämpfen zieht sich Guo Jingjing meist zwischen ihren Sprüngen zurück. „Sie lächelt wenig“, hat die deutsche WM-Dritte Christin Steuer beobachtet. Die Jüngeren seien anders.

Mit sieben Jahren hat Guo Jingjing ihren ersten Wettkampf bestritten. Nun nähert sich der letzte, Olympia in Peking, bevor sie endgültig in die Disziplin Glamour wechselt. Dann wird der Laufsteg oder das Filmset ihre Bühne sein.

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