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Sport: Bochums Bolle

Dariusz Wosz hat zu seiner alten Liebe zurückgefunden – mit Hertha wurde er nie so recht warm

Berlin. Bisher hat sich Dariusz Wosz nicht viel aus Büchern gemacht. Wosz ist Fußballprofi, dazu sogar ein recht begabter. Als solcher hat er es jetzt auf den Titel eines Buches gebracht. „Bochumer Bekannte“ heißt das Werk. Porträtiert sind 14 Menschen, die für Bochum eine Rolle spielen. Beispielsweise Dietrich Grönemeyer, Arzt und Bruder von Herbert. Der Stadtförster Johann Mauer oder Christof Wackernagel, früher mal RAF-Terrorist und jetzt Schauspieler und Schriftsteller („Gadhafi lässt bitten“). Und mittendrin Dariusz Wosz, der mit dem ortsansässigen VfL vor wenige Monaten wieder in die Erste Fußball-Bundesliga aufgestiegen ist.

Dariusz Wosz hat aber auch mal in Berlin gespielt. Bei Hertha BSC, drei Jahre lang. Weswegen das Spiel Herthas am Sonntag in Bochum für ihn von „besonderer Bedeutung“ ist. Vor seiner Berliner Zeit spielte Wosz schon einmal in Bochum, fast die kompletten 90er Jahre durch. Im Juni 1990 hatte der gebürtige Pole (Piekary) beim VfL unterschrieben. Im Dezember 1991 wechselte er ins Ruhrgebiet, zwei Jahre später stieg der Klub erstmals ab. Und gleich wieder auf, und dann wieder ab. Viermal ging das so. Aus den „Unabsteigbaren“ waren die „Immerwiederaufsteigbaren“ geworden, was charmanter klingt als Fahrstuhlmannschaft. Nach dem Weggang von Uwe Wegmann war Wosz Kapitän und zur Seele jener Mannschaft geworden, die 1997 den Uefa-Cup erreichte. Eine Sensation für einen Verein, der ohne jeden zählbaren Titel blieb.

In dieser Zeit wurde der nur 1,69 m große Mittelfeldspieler von Berti Vogts in die Nationalmannschaft berufen (16 Einsätze, davor 7 für die DDR). 1998 wechselte er für 5,2 Millionen Mark nach Berlin. Hertha hatte zu dieser Zeit seine erste Bundesligasaison nach vielen Jahren der Unterklassigkeit auf Rang elf beendet. Ein Jahr später gelangt den Berlinern mit Wosz der Sprung auf den dritten Platz und mithin in die Champions League. Am 20. Oktober 1999 erzielte Wosz vor 75 000 Zuschauern im Olympiastadion den 1:0-Siegtreffer über den AC Mailand. Hertha erreichte die Zwischenrunde. Für Wosz „die sportlich schönsten Jahre“. Noch heute erzählt Manager Dieter Hoeneß, dass Hertha mit der Verpflichtung von Dariusz Wosz „der bisher größte Sprung“ gelungen sei. Zu einer Berühmtheit wie in Bochum aber hat es der kleine Mittelfeldregisseur in Berlin nicht gebracht. Bei den jüngsten Hertha-Fans kam Wosz an. Und bei Walter Momper. Der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin antwortete auf die Frage nach seinem Lieblingssportler mal: „Dariusz Wosz, da er sich immer für seine Mannschaft einsetzt und einen ungemeinen Drang nach vorne hat.“

Früher als geplant musste Dariusz Wosz Berlin vor gut einem Jahr verlassen. In der Rückrunde der Saison 2000/01 wurde er so gut wie gar nicht mehr eingesetzt. Sein Einfluss auf die Mannschaft war rapide gesunken. In Stefan Beinlich hatte der Verein eine neue dominante Figur für das Mittelfeld eingekauft. Schließlich wurde ihm auch noch Sebastian Deisler vorgezogen. Die gestiegenen Ansprüche beim Verein aus der neuen Mitte Deutschlands waren Wosz über den Kopf gewachsen. „Egal, wer bei Hertha hinter den Spitzen spielt, er wird irgendwann Probleme kriegen“, sagt Wosz. Für ihn kam das Angebot aus Bochum wie gerufen.

Nichts in der Welt konnte Wosz davon abhalten, zum VfL in die Zweite Liga abzusteigen. Dort lief es zunächst nicht ganz so gut für ihn. Der damalige Trainer Bernard Dietz („Die Spieler hier sind nicht selbstkritisch und charakterlos“) hatte im vergangenen Dezember entnervt das Handtuch geworfen. Dann kam Peter Neururer. „Jetzt können die Bochumer Fans morgens mit einem Lächeln zur Arbeit gehen. Oder im VfL-Trikot“, sagte damals Dariusz Wosz. „Das war früher nicht so.“ Wosz lebte auf. Neururer stattete seinen neuen Kapitän mit allen Freiheiten auf dem Feld aus. „Hier werde ich auf meiner Position nicht in Frage gestellt“, sagt Wosz. Der VfL stieg auf und übernahm in der Bundesliga für kurze Zeit sogar die Tabellenführung. Heute ist der VfL (bei einem Spiel weniger) Tabellenachter. Wenn alle Spiele „normal“ gelaufen wären, „dann müssten wir besser stehen“, sagt Wosz. „Unsere Siege waren kein Zufall.“

Vor gut einem Jahr hat ihn Bochum mit offenen Armen empfangen. Vergessen waren die unschönen Szenen aus der Trennungszeit. Kurz nachdem sein Wechsel nach Berlin bekannt wurde, war sein in den Farben des VfL lackierter Trabant ausgebrannt vorgefunden worden. Beim VfL hat er einen Vertrag bis 2005 (als Spieler) und für vier weitere Jahre in einer Vereinsfunktion, die noch nicht klar umschrieben ist. Dariusz Wosz ist mittlerweile 33 Jahre alt und hat festgestellt, dass Bochum zu ihm passt. Und umgekehrt. So steht es auch geschrieben.

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