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Sport: Borussia Dortmunds Fans

Wie die Anhänger das Spiel in München erlebt haben

Aus 25 Metern zieht Sebastian Kehl ab. Oliver Kahn muss sich ordentlich strecken, um den Ball über die Latte zu lenken. Endlich Applaus im „Barrock“, einer Kneipe im Dortmunder Westen, zehn Minuten Fahrt vom Westfalenstadion entfernt. Eine Stunde hat es gedauert, bis die etwa 150 Fans ein wenig Freude mit ihrer Mannschaft haben. Kurz vor Spielende, als Jan Koller einen Ball im Strafraum der Bayern in einigermaßen aussichtsreicher Position verstolpert, wird es noch einmal laut. Ansonsten: Wir trinken DAB und lassen uns die Laune auch von den Bayern nicht verderben.

Es hatte gut ausgesehen bis kurz vor Anpfiff. Falko tippte 4:1 für die Borussia, und als Lothar Matthäus nebst Gattin auf der Tribüne gezeigt wurde, gab es anerkennende Worte: „Die is’ aber hübsch.“ Und dann stand es auch schon 1:0. „Ach du Scheiße, das war aber gemein“, sagt Doris Wienke (62), die mit ihrem Mann Erich (67) jedes Auswärtsspiel des BVB im „Barrock“ anschaut. „Jetzt werdet wach“, ruft jemand am Tresen, wo die Fans in mehreren Reihen stehen, zu den Bildschirmen an der Decke starren und Pils trinken. „Das ist Optimismus pur“, spottet einer, als nach dem 0:3 die Vereinsführung des BVB mit zerknitterten Gesichtern auf der Tribüne gezeigt wird. Die Sanierer haben schwere Tage hinter sich, und der Ausflug nach München ist eine unerfreuliche Ablenkung.

Bei den Fans ist die Finanzkrise ihres Vereins nur ein Randthema. Jetzt wird gespielt – jedenfalls tun das die Bayern. Das 0:1 hat noch nicht weiter gestört, doch als eine Minute später das 0:2 fällt, wird es ziemlich ruhig im „Barrock“. „Der fällt ja wie ’ne Bahnschranke“, regt sich jemand über Torwart Roman Weidenfeller auf. Frau Wienke hat Mitleid mit dem Borussen-Trainer: „Der arme Marwijk.“ Die Sachverständigen prognostizieren den weiteren Spielverlauf: „Nun wird es ganz schwer, denn jetzt müssen wir genau so spielen, wie es die Bayern mögen.“ Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, und zuallerletzt am Tresen. „Wir müssen jetzt in der nächsten halbe Stunde das Anschlusstor schießen, dann ist wieder alles drin.“

Aber beim BVB läuft an diesem Spieltag überhaupt nichts. In der 15. Minute setzt sich Bayerns Verteidiger Bixente Lizerazu auf links durch und passt scharf in die Mitte. Roy Makaay verpasst knapp, die Kneipe stöhnt erleichtert. „Das gibt es doch nicht, haut das Ding weg!“ Kurz darauf schießt Mehmet Scholl über das Tor der Borussia. Trotzdem: „Wir müssen nur ein Tor machen, und dann sind wir wieder da. So gut sind die auch nicht.“ Falsch: Eine Minute später steht es 0:3. „Meine Güte. Aber wenn wir 4:3 gewinnen, wäre das super für die Moral in der Truppe.“

Nach dem 0:4 sind sich die meisten Fans darin einig, dass dieser Nachmittag nichts Gutes für die Moral ihrer Mannschaft bereithalten wird. Appelle an den Schiedsrichter häufen sich. „Pfeif endlich Halbzeit!“ Frau Wienke ist fassungslos. „Die haben noch nicht einmal auf den Kahn geschossen.“ Einer hatte das Desaster geahnt. „Als ich hörte, dass die Bayern in Bielefeld verloren haben, wusste ich, das gibt heute ein Klatsche.“ Die Rache der Bayern auf den Knochen der armen Schwarz-Gelben. Halbzeit. Zumindest die Moral der DAB-Trinker ist intakt. „Wollen wir jetzt abhauen oder Saufen? Saufen!“ Man stößt „auf ein wunderbares 5:4“ an.

Nach zwei Minuten in der zweiten Halbzeit haben die Bayern die nächste Großchance, kurz darauf steht es 5:0. „In jeder Geschichte steckt auch ein bisschen Hoffnung“, philosophiert einer und denkt bereits an den nächsten Spieltag. Und noch einmal wird angestoßen – diesmal realitätsnäher „auf die knappe Niederlage“. Bis zum nächsten Mal, dann auf der Südtribüne im Westfalenstadion.

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