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Ehre, wem Ehre gebührt. Juan Arango lässt sich von seinem Kollegen Igor de Camargo den Schuh putzen.

© dpa

Borussia Mönchengladbach: Juan Arango: Ein Tor schöner als das andere

Der Venezolaner Juan Arango ist bei Borussia Mönchengladbach nicht nur für die besonderen Momente zuständig, der Mittelfeldspieler hilft der Mannschaft mit seinen Treffern auch über eine fußballerische Schwächephase hinweg.

Lucien Favre ist ein Sprinter, selbst mit 55 Jahren noch. Obwohl der Schweizer eindeutig die schlechteste Ausgangsposition hatte, weil er vom entfernten Ende der Trainerbank starten musste, erreichte er als Erster das Ziel, mit deutlichem Vorsprung vor seinen Verfolgern. Das Ziel saß auf dem nassen Rasen, hatte beide Arme von sich gestreckt – und schien zu warten, was nun wohl kommen würde. Es kam: Lucien Favre. Von hinten umarmte der Trainer von Borussia Mönchengladbach Juan Arango, bevor der in einer Masse Mensch verschwand.

So viel Enthusiasmus zeigt Favre nur in besonderen Momenten; und wenn es in dieser Saison bei Borussia Mönchengladbach besondere Momente gibt, hat meistens Juan Arango seinen linken Fuß im Spiel. „Arango ist mit der beste Linksfuß der Welt“, sagt sein Trainer. Dass das keine maßlose Übertreibung ist, hat Gladbachs Mittelfeldspieler am Sonntag wieder einmal vorgeführt. 1:0 führten die Borussen gegen den FSV Mainz, als dessen Torhüter Heinz Müller mit einem Sliding Tackling an der Seitenlinie vor Patrick Herrmann klärte. Kurz vor der Mittellinie traf der Ball auf Arangos linken Fuß – und von dort flog er in einer präzisen Rechtskurve Richtung Mainzer Tor. „Wir dachten auf der Bank, der Ball geht drüber“, berichtete Favre. Tat er aber nicht. Kurz vor dem Ziel stürzte der Ball nach exakt 44 Meter Flugstrecke zu Boden, unmittelbar hinter der Linie berührte er den Rasen – als wäre er per Funk gesteuert worden. „Wieder ein Tor des Jahres“, sagte Favre.

Aber was heißt: wieder? Bei der Wahl zum Tor das Monats Oktobers war Arango gleich mit zwei Weitschusstreffern vertreten – es siegte ein Fallrückzieher des Schalkers Ciprian Marica. Und im November wird es wohl wieder nicht reichen, weil sich der Venezolaner eines gewissen Zlatan Ibrahimovics erwehren muss. Na gut, scheint er sich gedacht zu haben, schieße ich einfach im Dezember noch ein schönes Tor, vielleicht klappt es dann endlich mal. „Wir staunen inzwischen schon gar nicht mehr“, sagte Borussias Rechtsverteidiger Tony Jantschke. „Im Training schießt er auch dauernd solche Dinger.“

Nach der rauschhaften vergangenen Saison quälen sich die Gladbacher in dieser Spielzeit ein bisschen durch die Ebene. Ihrem Auftritt fehlt die Reus’sche Leichtigkeit, aber zuletzt hat die Mannschaft nicht nur ihre defensive Stabilität zurückgefunden, sie spielt auch wieder leidlich erfolgreich: In der Europa League haben die Borussen trotz starker Konkurrenz (Fenerbahce Istanbul, Olympique Marseille) die Qualifikation für die nächste Runde geschafft, in der Bundesliga liegen sie in dem vor der Saison definierten Zielkorridor (einstelliger Tabellenplatz), aber auch nur drei Punkte hinter einem Champions-League-Platz. Und das nicht zuletzt dank Juan Arango. „Ich weiß nicht, was er hat in dieser Saison“, sagt Favre, „aber es ist unglaublich.“

Der 32-Jährige hat wettbewerbsübergreifend acht Tore geschossen und zehn vorbereitet. Damit ist er an fast der Hälfte aller Gladbacher Treffer (18 von 40) beteiligt. „Juan ist ein Eisvogel. Du musst ihn bis zum Ende auf dem Platz lassen, weil er immer was Entscheidendes machen kann“, sagt Borussias Sportdirektor Max Eberl, der den Mittelfeldspieler 2009 für 3,5 Millionen Euro aus Mallorca verpflichtet hat. Die Investition hat sich längst bezahlt gemacht, auch wenn der Kapitän von Venezuelas Nationalmannschaft nicht nur strahlende Zeiten erlebt hat. Arango wirkt oft so, als müsste er das Leid der ganzen Welt auf seinen Schultern tragen. Der Chiller wird er von seinen Kollegen genannt, weil nichts und niemand ihn aus der Ruhe zu bringen vermögen. Doch Arangos Körpersprache führt leicht zu Irritationen – vor allem wenn es nicht läuft. Selbst Favre musste die Signale erst richtig deuten. Als der Schweizer noch neu war in Mönchengladbach, wandte er sich einmal hilfesuchend an einen ständigen Trainingsbeobachter: „Was ist mit ihm?“

Nichts war, und inzwischen weiß auch Favre, dass Arango eben ist, wie er ist. Dabei ist ihm ein gewisses Temperament gar nicht abzusprechen. Nur dass der größte Teil davon offensichtlich in seinem linken Fuß gelandet ist.

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