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Sport: Botschafter des Normalen

Andreas Hinkel ist Schwabe – für ihn erklärt das ausreichend, warum er bis in Völlers Kader gekommen ist

Stuttgart . Es klingt seltsam für einen Nationalspieler, der bei seinem Verein, dem VfB Stuttgart, seit Jahren zur Stammformation gehört. Andreas Hinkel aber wirkt auf den ersten Blick wie einer, dem man über die Straße helfen möchte. Er musste Journalisten sogar mal versichern, er lese durchaus auch mal ein Buch. Jetzt ist er im Kader von Teamchef Rudi Völler für das Fußball-Länderspiel gegen Serbien und Montenegro (Mittwoch, 20 Uhr 40, live in der ARD), aber richtig voll genommen wird er von vielen immer noch nicht.

Das kann damit zusammenhängen, dass Hinkel nicht viel erzählt. Wer mit ihm sprechen will, muss ihm eine SMS schicken. Beim Frisör ist er schneller draußen als andere. „Die Haare färben gäb’s bei mir nicht“, sagt er fast empört. Der 21-Jährige spielt Fußball, still und leise. „Dass ich so bin, hat mit Regeln der Jugend des VfB Stuttgart zu tun. Nasenpflaster, Haarreifen, lange Haare, rote, weiße Fußballschuhe, das wollte keiner sehen“, sagt Hinkel. Der Rest an Zurückhaltung ist das Ergebnis seiner Herkunft. „Ich bin Schwabe", sagt er, als reiche das zur Entschlüsselung seines Charakters. Wobei, die Schwaben sind natürlich quasi kraft Natur eher bescheiden und zurückhaltend.

Den Hinkel, sagen sie in der Zentrale des VfB, solle nur keiner für dumm verkaufen. „Ich lese Zeitung“, sagt Hinkel und grinst. „Nur nicht den Sportteil.“ Zu Hause, bei den Eltern, sieht es aus wie bei Millionen Bundesbürgern. Er leistet sich keine Extravaganzen. „Von nichts kommt nichts“, sagt er. Das klingt für einen Twen eher altklug. Hinkel mag auf jeden Fall das Mittagsschläfchen und die „weiten und bequemen Klamotten“.

Es gibt Unauffälligeres im Leben, um glücklich zu werden, findet er. Kino, Freunde, Kneipen. Und sein Nebenjob als Zivildienstleistender. Seitdem der Groß- und Außenhandelskaufmann sportlich in Amt und Würden steht, sind die Chancen des Berufsbildungswerkes (BBW) Waiblingen gestiegen. Hinkel würde es nie sagen, aber seitdem er Trainer des Teams der Bildungsstätte ist, die lernbehinderte Jugendliche in 17 Berufen ausbildet, winkt seiner Mannschaft der Gewinn der BBW-internen deutschen Meisterschaft. „Ich hab für mein Alter schon viel erlebt“, sagt er. Keine Abenteuerreisen, kein bewegtes Leben. Es ging immer um Fußball. „Ich habe den Grundstock gelegt und mich langsam in die Öffentlichkeit gespielt.“ Zu Hause rufen die Spielerberater an. Vater Herbert aber meint, sein Sohn brauche keinen, der ihm vorschreibe, wo es lang gehe. „Vielleicht habe ich mehr Ruhe gehabt, weil ich beim VfB spiele“, sagt Andreas Hinkel. Davor Karriere in den DFB-Jugendteams. U-16 WM, U-17 WM. 1992, als die Schwaben ihren letzten Meistertitel gewannen, stand Hinkel im VfB-Trikot in der Fankurve: „Es war traumhaft.“

Sein Trainer Felix Magath klingt zufrieden, wenn er über Hinkel spricht. „Der wird seinen Weg machen.“ Hinkel sagt bloß: „Wenn man mit Leuten wie Balakow und Soldo spielt, kann man da schön reinwachsen.“ Das Handy bimmelt tief in der Sporttasche. Hinkel geht nicht ran. Es könnte ein Spielerberater sein. Aber Hinkel stört es nicht. Er will bleiben, was er ist. Ein Schwabe, ein ganz normaler. „Ich bin, wie ich bin, ohne Theater zu machen“, sagt er. Und wenn ihm einer über die Straße helfen will, dann wird er ihm beibringen, dass er allein ganz gut zurechtkommt.

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