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© dpa

Boxen: Arthur Abraham - übers Kinn zur Krone

Heute verteidigt Boxweltmeister Arthur Abraham seinen Titel in Berlin. Ein Kieferbruch gab ihm ein neues, kostbares Image.

Sein Kinn ist glatt rasiert, es glänzt. Besonders wenn er lächelt. Dieses Kinn ist eine Erwähnung wert. Es ist in der deutschen Sportwelt das prominenteste Kinn überhaupt – nach dem von Michael Schumacher versteht sich. Das besondere Kinn gehört zu Arthur Abraham, dem Boxweltmeister. Wenn der Mittelgewichtler heute Abend in der Berliner Max-Schmeling-Halle von Khoren Gewor herausgefordert wird (23 Uhr, ARD live), werden sich viele mythische Geschichten erzählt werden. Arthur Abrahams Kinn ist eine Marke geworden, und er ein Boxer mit einer Story.

Es ist eher selten, dass ein Kinn die Karriere eines Boxers nachhaltig so positiv beeinflusst. Gerade weil im Boxen dieses Körperteil ein äußerst beliebtes Trefferziel ist, sind es eher Geschichten von Knock-outs und gescheiterten Karrieren. Bei Arthur Abraham (27) ist es umgekehrt. Diesem Kinn verdankt der Weltmeister seinen Titel, vor allem aber die Anerkennung, die ihm seitdem entgegengebracht wird. Dieses Kinn hat ihm ein Image gegeben, wofür sich andere ein Athletenleben lang mühen. Es hat aus dem früheren Schlumpfboxer Abraham, der jahrelang mit einer albernen Mütze in den Ring stieg, einen Kämpfer gemacht, der nie aufgibt, über den ehrfürchtig gesprochen wird – „King Arthur“ eben.

Der Knackpunkt in seiner Karriere war die Nacht, als ihm im Ring der Kiefer gebrochen wurde. Es war am 23. September 2006 in Wetzlar. Der Kolumbianer Edison Miranda zertrümmerte ihm in der dritten Runde den Unterkiefer. Abrahams Mund stand offen, als die Faust des Gegners einschlug, deswegen die verheerende Wirkung. Sein Kiefer brach – gleich zweimal. Es waren zum Teil schreckliche Bilder, die aus Wetzlar in die Wohnstuben der Republik flimmerten. Abrahams Kinn hing wackelig unter seinem Kopf. Fortwährend schoss Blut aus seinem Mund, insgesamt ein Liter. Der Ringarzt hatte starke Bedenken, den Kampf fortzusetzen, Abraham wollte es aber, und sein Trainer, Uli Wegner, ließ ihn gewähren. Acht Runden lang boxte Abraham mit diesem Handicap und gewann. Für das Boulevard war der „Blutboxer“ geboren. Anschließend wurden dem Boxer Titanplatten mit 22 Schrauben in den Kiefer gepflanzt. Wochenlang konnte er keine feste Nahrung zu sich nehmen. Solche Geschichten machen einen für die Masse wiedererkennbar.

Den WM-Titel nach IBF-Version hatte Abraham sich im Dezember 2005 erboxt und zweimal freiwillig verteidigt. Das Duell mit dem Kolumbianer Miranda war die erste Pflichtverteidigung. Nun kommt es nach einer weiteren freiwilligen Titelverteidigung knapp vier Monaten zur zweiten Pflichtverteidigung. Das heißt, er kämpft gegen den besten Boxer der IBF. Es ist Khoren Gewor von der Hamburger Universum Box-Promotion. Dass sein Herausforderer ebenfalls Armenier ist, mache ihn traurig. „Ich wollte nie gegen einen Landsmann boxen, tut mir auch wirklich leid für ihn, aber der Verband hat so entschieden“, sagt Abraham. Ans Verlieren denkt er nicht, nicht mal im Traum: „Ich träume nie vor Kämpfen.“ Eine Niederlage wäre schlimmer als Schmerzen. „Verlieren halte ich nicht aus“, sagt Abraham.

Der Titelverteidiger sollte gewarnt sein. Der 28-jährige Gewor besitzt gute Qualitäten. Er ist robust, hat eine erfolgreiche Amateurkarriere hinter sich und besitzt einen starken Willen. Die beiden einzigen Niederlagen, die er in 29 Kämpfen einstecken musste, liegen lange zurück und resultieren aus Verletzungen an den Augenbrauen. „Abraham ist sicher der Favorit“, sagte Gewors Trainer Fritz Sdunek, der schon zehn Boxer zu Weltmeistern geformt hat: „Favoriten sind dazu da, sie zu stürzen. Abraham ist schlagbar.“

Solche Sätze rufen im Lager des Weltmeisters ein müdes Lächeln hervor. „Ich gehe von einem Sieg von Arthur aus. Für mich ist er der beste Mittelgewichtler der Welt“, sagt Wilfried Sauerland. Der Promoter hat bereits konkrete Pläne für die Zeit danach. Abraham soll den amerikanischen Markt erobern, im Hintergrund bastelt Sauerland schon an einem Kampf in 2008 gegen Jermain Taylor, den Weltmeister des Konkurrenzverbandes WBC.

Der Kampf heute Abend in Berlin wird in 32 Länder live übertragen, beispielsweise in China und Japan. Der Boxer Abraham, mittlerweile deutscher Staatsbürger, ist auf dem Weg, Weltkarriere zu machen, vorausgesetzt, er behält seinen Titel. Ob der Weltmeister seinen nächsten Gegner unterschätzt, wurde Arthur Abraham gefragt. „Oh nein“, antwortete er. „Ich mache mich vor jedem Kampf gedanklich schlechter als ich bin. Das brauche ich, sonst kann ich nicht so gut trainieren.“ Dann lächelt er und streicht sich übers Kinn.

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