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Sport: Boxen: Ein Phantom boxt immer mit

Anfang dieser Woche nutzte der 34-jährige Berufsboxer Ka-Dy King die erste Gelegenheit, Klage in eigener Sache zu erheben. Anlässlich der Pressekonferenz zu der WBO-Weltmeisterschaft zwischen Dariusz Michalczewski und King, die morgen Abend in Essen steigt, hatte der übertragende Sender Premiere der Medienschar soeben seinen Trailer präsentiert.

Anfang dieser Woche nutzte der 34-jährige Berufsboxer Ka-Dy King die erste Gelegenheit, Klage in eigener Sache zu erheben. Anlässlich der Pressekonferenz zu der WBO-Weltmeisterschaft zwischen Dariusz Michalczewski und King, die morgen Abend in Essen steigt, hatte der übertragende Sender Premiere der Medienschar soeben seinen Trailer präsentiert. Der kurze Werbefilm zeigte Szenen aus dem Leben des so genannten Tigers, doch beinahe nichts von dessen Gegner. So könne man mit einem Herausforderer nicht umspringen, schimpfte King und drohte Revanche im Ring der Grugahalle an. Viel besser hätte der Mann aus Detroit seine Aufgabe kaum erfüllen können: Als erboster Außenseiter gibt er nun zumindest im Vorfeld einen passablen Widersacher ab. Es wäre Ka-Dy King vermutlich nicht besser gegangen, hätte er sich statt des Videos die Plakate zu dem Kampfabend angesehen - auch die zeigen einzig das Konterfei Michalczewskis.

Das scheint in Deutschland eine neue Mode zu werden, denn auch die Poster einer zweiten Profibox-Veranstaltung, die parallel in Karlsruhe stattfinden wird, sind völlig auf einen deutschen Champion fixiert - den IBF-Weltmeister im Supermittelgewicht, Sven Ottke. Anders als Mr. King aber ließ dessen Gegner Silvio Branco einen Pressetermin am Mittwoch ohne Proteste verstreichen. Als Ersatzmann kam der 34-jährige Italiener drucktechnisch betrachtet zu spät für solche Ansprüche; auch ist der lautstarke, fordernde Ton sein Stil nicht. Dennoch geht von ihm Gefahr aus, da er den Weltmeister gleich um elf Zentimeter Körpergröße überragt und sich auf die Kunst versteht, die Pläne seiner Gegner zu durchkreuzen. "Ein Ekelpaket", wie Jean-Marcel Nartz, Technischer Direktor in Karlsruhe, hervorhob.

So geben sich beide deutschen Großveranstalter tapfer Mühe, ihre Boxabende als prickelnde Galas des Sports zu verkaufen. Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack, weil beide mit ihren Titelträgern erheblich ehrgeizigere Ziele avisierten - und daran scheiterten. Da hatte Klaus-Peter Kohl im Sommer mal wieder angekündigt, mit dem seit Jahren versprochenen Kampf von Dariusz Michalczewski gegen den US-Amerikaner Roy Jones Jr. nun Ernst machen zu wollen. Doch der eigensinnige Champion dreier Verbände ist so etwas wie der berühmte Godot des Dramatikers Samuel Becket: Er kommt auf alle Zeiten hinaus immer erst morgen. Jones ist tatsächlich die einzige echte Aufgabe, die dem seit nun sechs Jahren amtierenden WBO-Champion bleibt; der Rest aus den diversen Ranglisten im Halbschwergewicht ist für Michalczewski mehr oder weniger leichte Beute. Und je mehr sie in Hamburg von diesem tollen Mr. Jones erzählen, desto stärker wird nun jeder andere als Ersatzgegner empfunden.

Ottke geht es nicht viel anders. Der gebürtige Berliner hat sich seit dem Titelgewinn vor über zwei Jahren als ein Champion erwiesen, der seine Herausforderer ebenso unspektakulär wie überlegen ausboxen kann. So peilte sein Promoter Wilfried Sauerland eine Titelvereinigung mit dem WBC-Weltmeister Dingaan Thobela an, um seinem 33-jährigen Schützling höhere Boxer-Weihen zu verleihen. Aber der Südafrikaner ist in ein unwürdiges Gezerre mit dem Weltverband verstrickt. Und der hoch gehandelte walisische WBO-Champion Joe Calzaghe, der Ottke wohl als einziger im Supermittelgewicht gefährlich werden könnte, muss seinen Titel am gleichen Wochenende gegen den Briten Richie Woodhall verteidigen. Deshalb boxt Ottke nun gegen Branco.

Mittelfristig aber wird auch im Lager des Kohl-Konkurrenten von Roy Jones Jr. geträumt. Jedenfalls wurden am Rande des jüngsten WBC-Kongresses in Mexiko mit dem Jones-Management Kontakte geknüpft. Der Profi aus Pensacola in Florida hat kürzlich angekündigt hat, ins Supermittelgewicht hinunterzugehen, dem Limit von Ottke. Doch von Jones zu erzählen, kann sich als Promotion-Bumerang erweisen, wie das Beispiel von Michalczewski zeigt. Außerdem ist dieser Jones einer, wie Michalcewskis Trainer Fritz Sdunek weiß, "der sowieso macht, was er will". So wie Godot, das ewige Phänomen auf den bedeutendsten Theaterbühnen dieser Welt.

Nur auf die realistischere Möglichkeit, die beiden deutschen Titelträger miteinander zu matchen, kommt offenbar niemand von den Entscheidungsträgern. Vorläufig bleiben Ottke und Michalczewski zwei einsame Könige in parallelen Galaxien, so wie einst Maske und Michalczewski - und einsame Helden auf den Plakatwänden der städtischen Bereiche von Karlsruhe und Essen.

Bertram Job

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