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Vitali Klitschko vs Juan Carlos Gomez

© ddp

Boxen: Handzahm geklopft

Witali Klitschko verteidigt seinen WM-Titel gegen Juan Carlos Gomez problemlos – und wünscht sich nun als nächsten Gegner Nikolai Walujew.

Unter seinem Panama-Hut blinzelte Juan Carlos Gomez aus eineinhalb Augen. Hinter dem Kubaner lagen nicht einmal volle neun Runden, in denen der 35-Jährige eine gehörige Tracht Prügel bezogen hatte. „Witali ist ein großer Champion“, stöhnte Gomez nach Mitternacht und fuhr nuschelnd fort: „Ich dachte, ich kann mit ihm über die Runden gehen. Am Ende war er müde, aber ich war noch ein bisschen mehr müde.“ Dann versuchte er aus seinem zerbeulten Gesicht zu lächeln.

Vor einer Woche hatte sich derselbe Herr noch ganz anders angehört. Er werde Witali Klitschko den Titel entreißen, hatte er getönt. Und das war noch die diplomatischste Botschaft seiner Predigt. Der besseren Griffigkeit halber hatte er auch den Kampfnamen des 37 Jahre alten Titelverteidigers umgedichtet – von „Doktor Eisenfaust“ in „Doktor Weichei“. „Ach, das waren doch nur Sprüche. Alles, was ich vorher gesagt habe, war Show.“ Der Kampf war das nicht.

Acht ganze und eine halbe neunte Runde benötigte Witali Klitschko, dann hatte er seinen ungestümen Herausforderer handzahm geklopft. Nach einem unabsichtlichen Kopfstoß, weswegen Klitschko verwarnt wurde, genügten zum Abbruch ein paar halbwegs schwere Kopftreffer des schon taumelnden Gomez. Während Gomez die Orientierung zu verlieren schien, sprang der Ringrichter dazwischen und kreuzte zum Zeichen des Abbruchs die Arme über dem Kopf. Gomez suchte Halt am Ringseil und nickte erleichtert – ein sicheres Zeichen dafür, dass er noch bei Besinnung war. Dann war der Spuk vorbei.

Bereits in der siebenten Runde kippelte Gomez nach einem rechten Haken Klitschkos so sehr, dass er kurz in die Knie ging. Es war die Runde, die Klitschko am deutlichsten gewann. „Mein Trainer und ich hatten eine Strategie entwickelt, den Kampf vorzeitig zu beenden. Allerdings habe ich nicht erwartet, dass Juan so lange durchhalten würde“, sagte Witali Klitschko. Erst im vergangenen Oktober war er nach vier Jahren Pause in den Ring zurückgekehrt und hatte sich in Berlin den WM-Titel im Schwergewicht nach WBC-Version vom Nigerianer Samuel Peter abgeholt.

Im Vorfeld des Duells der beiden früheren Hamburger Stallkollegen waren einige Emotionen hochgekommen. Klitschkos Trainer Fritz Sdunek hatte Gomez vor elf Jahren zum WM-Titel im Cruisergewicht geführt und war im Gegenzug von seiner Tochter und Gomez mit einer Enkeltochter beschenkt worden. Mittlerweile ist die Tochter Sduneks mit Ahmet Öner verheiratet, der Gomez heute als Promotor dient.

Der Kampf selbst war nichts für Box-Ästheten. Der Koloss aus der Ukraine wird kein geschmeidiger Tänzer mehr, und der einst als „Black Panther“ umjubelte Boxer aus Havanna ist nur noch ein ergrauter Ozelot. Das Einzige, was an diesem Abend in der mit 11 000 Zuschauern ausverkauften Stuttgarter Schleyerhalle funkelte, war seine silberfarbene Boxerhose, die aussah wie eine getunte Thermoskanne. Leider ist dem früheren Weltklasseboxer im Kerngeschäft wenig geblieben von den Möglichkeiten, über die er einmal verfügte. Gefährlich konnte er Klitschko nie werden.

Im Kampf war lange nicht klar, worin seine Taktik eigentlich bestand. Nach den ersten Einschlägen zog Gomez noch ein paar Grimassen. Mal grinste er überzogen, mal streckte er Klitschko die Zunge raus. Vielleicht wollte er den Weltmeister einfach nur locken und zu Fehlern verführen. Wenn, dann war es eine unbrauchbare Taktik. Hatte er angenommen, Klitschko würde sich selbst schlagen? Gomez’ Schlägen fehlte es an Timing, Genauigkeit und Kraft. Sein Promoter Öner war nach der achten Runde in die Ringecke gekommen und wollte ihn aus dem Kampf nehmen. Gomez lehnte ab.„Ich habe gesehen, dass er nicht mehr konnte“, sagte Öner. „Witali war zwar auch am Keuchen, aber ich wollte Juan nicht verbrauchen.“ Doch Gomez wollte noch eine Runde kämpfen. Bis zum Aus. „Er ist nicht untergegangen“, sagte Öner. Er hält weiter an Gomez fest: „In der Reihe hinter Klitschko kann er jeden schlagen.“

Witali Klitschko möchte noch in diesem Jahr seinen WBC-Titel verteidigen, aber noch lieber diesen mit einem Titel eines anderen Box-Weltverbandes vereinigen. „Ich will jetzt den Riesen aus Russland boxen“, sagte Klitschko in der Nacht von Stuttgart. Gemeint ist der 2,17 Meter große Hüne Nikolai Walujew aus St. Petersburg, der beim Konkurrenzverband WBA den Weltmeistertitel hält. „Ich drücke ihm die Daumen, dass er seine nächsten Aufgaben besteht, dann können wir die Titelvereinigung machen – egal ob in Deutschland, in Russland oder in den USA“, sagte Klitschko.

Dieser Titel der WBA ist der letzte, der in der ansehnlichen Familiensammlung noch fehlt. Witalis Bruder Wladimir, der neben Sdunek in der Ringecke sekundierte, ist Weltmeister der Verbände IBF und WBO.

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