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Sport: Boxen mit Pelz

Natascha Ragosina wartet auf Alis Tochter

Berlin - Als die „Zarin des Boxens“ in den Ring gerufen wird, steigen die Zuschauer auf ihre Stühle. Im schummrigen Licht eines umfunktionierten Hotel-Ballsaals taucht eine Figur samt Gefolge auf und die Zarin des Boxens sieht in ihrem pelzigen Kampfmantel aus wie Knut. Erst im gleißenden Spot des Rings ist zu erkennen, dass es sich nicht um das schmuddelige Fell eines Eisbären, sondern um einen weißen Zobel handelt – mit Goldbrokat auf Brüsseler Spitze, Wert: 25 000 Euro, wie der Veranstalter aufklärt. Die 1000 Besucher, oft russischer Herkunft, sind aus dem Häuschen. Es steigt eine Art Dinnerboxen, und als Sahnehäubchen fungiert Natascha Ragosina, eine große, elegante Moskauerin, die auch als Mannequin durchgehen kann.

Eineinhalb Runden mit angedeutetem Boxen später dreht Ragosina sich im Ring mit entfaltetem Zobel und sieht aus eine weiße Fledermaus. Der teure Pelz ist zu ihrem Markenzeichen geworden. In Ermangelung adäquater Gegnerinnen ist der Glamourfaktor ihrer Auftritte weit höher als der sportliche. Was freilich nicht an der 31-Jährigen liegt.

Auch in dieser Nacht kommt das Boxen ein bisschen kurz. Nach ein paar langen Händen knickt ihre untersetzte Gegnerin, Gardy Pena aus der Dominikanischen Republik, ein. Für Ragosina ist es der 15. Sieg im 15. Kampf. Dass sie nun auch den vierten WM-Gürtel erobert hat, ist nebensächlich. Ihr eigentliches Ziel bleibt ein Kampf gegen Laila Ali. Die Tochter von Mohammad Ali boxt in der gleichen Gewichtsklasse wie Ragosina, dem Super-Mittelgewicht.

Wie wertlos die Titel sind, belegt der Umstand, dass es in Deutschland in dieser Gewichtsklasse gerade mal zwei lizenzierte Boxerinnen gibt. Weltweit sind es vielleicht 20, die wenigsten taugen etwas. Denn auch Gardy Pena, die Ragosina an diesem Abend nicht einmal trifft, kam ungeschlagen nach Berlin.

Für Ragosina, die vor drei Jahren zum Profiboxen kam, ist das alles ein großes Aufwärmprogramm. Im Sparring hat sie sich ausschließlich Männer ausgesucht, wie ihr Promoter Ulf Steinforth erzählt. „Wir finden einfach keine Gegnerinnen mehr“, sagt Steinforth. Der Kampf gegen Ali war längst perfekt, aber im vergangenen Sommer musste Ragosina wegen einer Verletzung absagen, zum Ausweichtermin passte Ali wegen der Moderation einer Tanzshow. Der Kampf wird kommen. Steinforth lockt die berühmte Tochter mit einer Millionen-Gage. Dann, so glaubt der Promoter, kann Ragosina die Lücke füllen, die Regina Halmich hinterlässt. Die Mutter aller Boxerinnen wird im Herbst ihre einmalige Karriere mit einem Kampf beenden.

„Ich habe nur ein Ziel: Laila Ali. Ich bin jederzeit bereit, sie zu schlagen“, sagt die Russin. Dass sie in Wirklichkeit keine Russin ist, sondern als Natalja Jurjewna Ragosina in Karaganda (Kasachstan) geboren wurde, stört niemanden. Zur mitternächtlichen Pressekonferenz erscheint sie in einem pastellfarbenen Paillettenkleid und winkt mit rotlackierten Fingernägeln in die Runde ihrer Fans. Unter denen ist auch ihr Freund. Von dem heißt es, dass er in Russland mit Steinkohle steinreich geworden ist. Ragosina fährt Maybach und fliegt im Privatjet.

Zu guter Letzt kriegt sie einen Kuss und einen Blumenstrauß von Wladimir Kotenew, Russlands Botschafter in Deutschland. Beim nächsten Ball in seiner Residenz Unter den Linden wird die Zarin nicht mehr fehlen.

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