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Sport: Boxer Oktay Urkal ist ruhiger geworden und härter zu sich selbst

Oktay Urkal gibt sich auf dem Weg zu den wartenden Journalisten, wie gewohnt, betont gelassen. Shakehands hier, Küsschen da.

Oktay Urkal gibt sich auf dem Weg zu den wartenden Journalisten, wie gewohnt, betont gelassen. Shakehands hier, Küsschen da. Ein Lächeln überzieht sein Gesicht, er tänzelt auf den Stufen. Der Boxprofi ist auch Medienprofi. Doch die Show endet schnell. Die Fragen zu seinem Europameisterschaftskampf am 19. Februar bleiben aus, und der schwungvolle Auftritt weicht einer gemütlichen Familienrunde.

Nur ein Fotograf präsentiert ihm stolz ein Bild, auf dem ein Pärchen in kuscheliger Pose zu sehen ist. Es folgt ein Wortwechsel in türkisch zwischen den beiden Beteiligten, die keineswegs miteinander liiert sind, und endet mit einem verlegenen Lächeln der mit dem Boxprofi abgebildeten Hotelmanagerin. Selbst einem Sprachunkundigen erschließt sich die Flirtkunst des Super-Leichgewichtlers. Er öffnet sein Hemd und zeigt seinen Bauch: "Schaut mal, wie viel Farbe ich auf Gran Canaria bekommen habe." "Er will doch nur seine Bauchmuskeln päsentieren", entgegnet sie. Der Flirt ist beendet.

Es folgt ein Interview mit einem türkischen Fernsehsender und ein Fotoshooting. Doch das stört die Ruhe des 30-jährigen Berliners nicht. "Das gehört eben dazu." Der Vater eines drei Monate alten Sohnes ist zurückhaltender geworden. Er gibt sich nachdenklich und respektvoll, beim Gespräch über seinen russischen Gegner Mikhail Kriwolapow. Der steht in der europäischen Rangliste auf Rang eins direkt vor Urkal.

Über seine Chance gegen den starken Russen will er lieber nichts sagen. "Ich halte mich damit sehr zurück, seit ich in der Schule mal jemandem Prügel angedroht und dann selbst eins auf die Nase bekommen habe." Auch wenn er in den Jahren seit dem Gewinn der Bronzemedaille in Atlanta 1996 noch manches Mal den Mund groß aufgemacht hat, überlegt er sich jetzt sogar, ob er wie bei früheren Kämpfen in die Arena eintanzen oder besser nur mit Anstand hineingehen soll. Aufgeregt sei er aber nicht. "Das kommt erst in der Kabine".

Gut trainiert habe er aber im Trainingslager schon. "Ich hatte zwei Sparringpartner. Doch beide waren bereits nach drei Tagen weg", sagt Urkal, wobei er sich mit Bedacht zurücklehnt, "danach habe zwei Wochen nur gegen Artur gekämpft. Ich brauche im Training starke Gegner, die mich fordern." Artur Gregorian boxt in zwei Wochen im Convention Center des Estrel Hotels im Hauptkampf um den WBO-Titel, Urkal in seinem Vorprogramm. Er findet aber, dass eine EM schwieriger ist als eine WM. "Du suchst dir doch den leichsten der vier WM-Titel aus. In Europa hast du keine Wahl."

Abschließend muss er sich doch noch einmal präsentieren. "Ich bin jeden Tag bis zu fünf Mal 103 Treppen gelaufen", sagt er. Das würde reichen für den berühmten Empire-State-Building-Lauf. "Nein, so viel Kondition habe ich doch nicht", gibt er kleinlaut zu. Urkal ist als Profi auf dem Weg nach oben - und das nicht nur beim Treppenlauf.

Ingo Wolff

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