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"Ich könnte die ganze Welt umarmen." Im Ring haut Marco Huck aber lieber zu.

© dapd

Boxweltmeister Marco Huck: Halbe Rippe

Der Boxweltmeister Marco Huck verteidigt seinen Titel erfolgreich gegen den Russen Lebedjew nach Punkten, verblüfft aber vor allem in der Disziplin des In-Sich-Hinein-Horchens.

Berlin - Leistungssportlern wird ja ein besonderes Verhältnis zu ihren Körpern nachgesagt. Sie können auf ganz besondere Weise in ihn hineinhorchen. Und Boxer, die einer extrem körperbetonten Disziplin frönen, darf wohl ein noch feineres Gespür in dieser Hinsicht unterstellt werden. Marco Huck, der Boxer aus dem Berliner Sauerland-Stall, hat es Samstagnacht in dieser Angelegenheit zur einer gewissen Meisterschaft gebracht. Nachdem der Cruisergewichtler seinen WM-Titel nach Version der WBO erfolgreich gegen den Russen Denis Lebedjew verteidigt hatte, ergriff der 26-Jährige das Hallenmikrofon und teilte dem staunenden Publikum mit: „Ich habe nach der vierten Runde mit einem Rippenbruch geboxt. Das macht einen wahren Champion aus.“

Nun wollen wir nach strapaziösen zwölf Runden im Boxring auch mit dem Sportler Huck Nachsicht üben, wobei es immer von Vorteil ist, anderen das Urteil über die erbrachte Leistung zu überlassen. Die 5000 Zuschauer in der Max-Schmeling-Halle applaudierten dem Sieger brav nach dessen knappem Punktsieg. Zwei Punktrichter votierten mit jeweils 115:113 zugunsten des Titelverteidigers, der dritte Herr am Ring sah den Russen Lebedjew im Vorteil (116:112).

Man konnte durchaus geteilter Meinung sein. „In Moskau hätte Huck den Kampf verloren“, sagte ein gar nicht mal enttäuschter Zuschauer beim Verlassen der Halle. Vielleicht hätte Huck diesen Kampf schon nicht mal mehr in Frankfurt an der Oder gewonnen. Aber auch das sollte man dem Schützling von Trainer Ulli Wegner nicht anlasten. Den eigentlichen Vorwurf muss sich Lebedjew machen lassen. Der 31-Jährige, der in der Uniform eines Fallschirmjägers in den Ring einmarschiert war, hat es in keiner der zwölf Runden geschafft, den Titelverteidiger ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Für einen Herausforderer, der zudem noch im Land des Titelverteidigers antritt, ist das schlicht zu wenig.

Diese Ansicht setzte sich langsam auch im Lager des Herausforderers durch. „Der Kampf hätte besser verlaufen können. Ich dachte zwar, ich hätte mir Vorteile erarbeitet, aber das war wohl nicht der Fall“, sagte Lebedjew auf der nachmitternächtlichen Pressekonferenz. Während in der Halle bereits der Ring demontiert wurde, steckten auch Hucks Manager Wilfried Sauerland und Trainer Wegner die Köpfe zusammen. „Es war ein sehr enger Kampf“, sagte schließlich Sauerland. Lebedjew sei nun mal ein ausgezeichneter Konterboxer. Huck hätte sich trotz seiner relativen Unerfahrenheit ganz ordentlich „aus der Affäre gezogen“. Zustimmendes Nicken beider Boxer, die kleinere Blessuren im Gesicht trugen.

Vielmehr mutete Hucks Schnelldiagnose gleich nach Kampfende etwas abenteuerlich an. Zumal er es auch nicht abwarten konnte, auf jeden der vier Ringpfosten zu springen, um sich von den Fans feiern zu lassen, über deren Köpfen er wild seine Arme kreisen ließ.

„Es war ein Haken in der vierten Runde, ich stand an den Seilen und wollte mich rausdrehen, da hat er mich erwischt“, erzählte Huck später. In den folgenden acht Runden sei ihm jeder Schlag Lebedjews wie ein „Messerstich“ vorgekommen. Er habe aber an seinen Trainer, an das Publikum und seinen Titel gedacht und auf die Zähne gebissen. Schließlich wurde auch noch der Übeltäter befragt, ob er denn mitbekommen hätte, dass er seinem Gegenüber die Rippe gebrochen hätte: „Nein, ich habe davon nichts mitbekommen“, sagte der bis dahin ungeschlagenen Lebedjew.

Aber auch das musste nichts heißen. Der Russe, etwas kleiner als Huck, dafür weit beweglicher, boxte von Anfang bis Ende seinen Stiefel runter. Von der Ringmitte aus diktierte er den Kampf. Im Mittelteil des Duells hatte er seine beste Phase. Die kleinen Runden, also die ersten vier, sowie das Ende konnte der Weltmeister für sich verbuchen. Huck, den seine Fans für sein unerschrockenes Draufgängertum kennen und schätzen, war meist im Rückwärtsgang. Bloß nicht in einen der gefürchteten linken Haken des Rechtsauslegers laufen, lautete seine Devise. Gelegentlich traf Huck mit seiner Rechten, die auch nicht ohne ist, doch der ästhetisch anspruchsvollere Boxer der beiden war der Russe. „Wir brauchen uns keinen Sand in die Augen zu streuen“, sagte Uli Wegner: „Das war ein knappes Ding, ich habe Marco zwei Runden vorn gehabt.“ Er werde jetzt doch noch schöne Weihnachten haben, sagte der 68-Jährige noch. Sein Schützling schloss sich an: „Ich könnte die ganze Welt umarmen“, sagte Huck. Die Rippe hatte er wohl schon wieder vergessen.

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