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Sport: Brave Seefahrer

Die einst eroberungshungrigen Portugiesen sind trotz Niederlage zufrieden

Pauleta sagt: Die Portugiesen sind ein Volk von wagemutigen Seefahrern und fürchten sich vor nichts. Nicht mal vorm Verlieren haben sie Angst, sie nehmen es so locker hin wie die Seefahrer eine Flaute auf dem Ozean. Mittwochabend, kurz vor Mitternacht in den Katakomben des Münchner WM-Stadions: Pauleta, der glücklose Mittelstürmer, kommt nach dem 0:1 gegen Frankreich als einer der Ersten aus der Kabine. „Wir sind ein bisschen traurig, weil wir nicht das Ergebnis bekommen haben, das wir verdienen“, sagt er und wagt ein scheues Lächeln. Pauleta ist 33 Jahre alt, die WM in Deutschland ist wohl seine letzte. Trauer oder gar Wut über die verpasste Finalteilnahme ist ihm nicht anzumerken.

Luis Figo kommt als Letzter. Er hat Portugals größte Chance vergeben, als Frankreichs Torhüter Fabien Barthez einen Freistoß Cristiano Ronaldos aus den Armen hüpfen ließ, direkt auf Figos Stirn, aber Kopfbälle sind nicht die Stärke des portugiesischen Kapitäns. Er hätte jetzt allen Grund, schlecht gelaunt zum Bus zu stapfen, doch Figo lacht. „So ist eben Fußball“, sagt er, „er hat seine Höhen und Tiefen. Wir haben getan, was möglich war, und haben uns nichts vorzuwerfen.“ Vor zwei Jahren, nach der Niederlage im EM-Finale gegen Griechenland, ist Figo noch mit grimmigem Gesicht aus dem Estadio da Luz in Lissabon geeilt, er hat mit dem Finger auf portugiesische Reporter gezeigt und ihnen zu verstehen gegeben, dass er keinen Kontakt mehr zu ihnen wünsche. In München schüttelt Figo viele Hände, er umarmt Landsleute und plaudert gut gelaunt. Unter dem rechten Arm klemmt ein Kulturtäschchen, vielleicht steckt darin das Trikot von Zinedine Zidane, das er sich als Trophäe nach dem Schlusspfiff gesichert hat.

Luis Figo und seine Kollegen sind leicht zufrieden zu stellen in dieser Nacht von München. Wo ist die Leidenschaft, mit der die Portugiesen während der EM vor zwei Jahren so viel Sympathien erobert haben? Was ist aus ihrem wundervoll leichten Offensivspiel geworden, das damals stellvertretend stand für ein mitreißendes Turnier?

Portugal hat sich durch die WM gemogelt, mit einer halbwegs überzeugenden Leistung beim 2:0 über den Iran. In Erinnerung bleiben die unwürdige Treterei im Achtelfinale gegen Holland und die Ideenlosigkeit in der Runde der letzten Acht gegen zehn Engländer. Im Halbfinale haben sich die Portugiesen bemüht, doch der Wille, gegen die mit zunehmender Spielzeit immer müder werdenden Franzosen eine Wende herbeizuführen, er war allein dem in der Nachspielzeit nach vorn stürmenden Torhüter Ricardo anzumerken. Der Zauber von 2004 ist verflogen. Der Platz unter den besten vier Mannschaften der Welt mag dem sportlichen Niveau der Portugiesen entsprechen, ihrer Leistung bei der WM entspricht er nicht.

Vielleicht steht die Leistung des kleinen Deco am besten für den unvollendeten Auftritt einer Mannschaft, die zufrieden damit war, erstmals seit 40 Jahren wieder ein WM-Halbfinale zu erreichen. Beim FC Barcelona ist Deco der unumstrittene Chef, selbst Ronaldinho ordnet sich ihm unter. Bei der WM schoss er ein schönes Tor gegen den Iran und blieb doch weit unter seinen Möglichkeiten. Wie kein anderer kann Deco das Tempo eines Spiels forcieren oder verzögern, das Dribbling beherrscht er so perfekt wie den öffnenden Pass über 50 Meter. In Deutschland war davon nichts zu sehen.

Deco scheint sich damit zufrieden zu geben, dass er endgültig in der Mannschaft angekommen ist. Der Streit mit dem patriotischen Kapitän Figo ist beigelegt, vor dem Halbfinale hat der gebürtige Brasilianer erstmals die portugiesische Hymne mitgesungen. Deco muss nicht mehr um seinen Status kämpfen. An einem guten Tag wäre er die Schlüsselfigur für einen mitreißenden Schlussspurt gewesen, doch der Mittwoch ist kein guter Tag. Brav spielt er sein Pensum herunter. Der Stratege Deco ist einer von vielen und nicht einer, der viele führt. Wie Figo und Pauleta spricht er lächelnd von der Traurigkeit im Team, „wir hätten ein besseres Ergebnis verdient, aber wir haben gut gespielt, es war eine großartige WM“.

Das Volk der wagemutigen Seefahrer hat allen Grund, sich zu fürchten. Vor der eigenen Genügsamkeit.

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