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Bremen

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Bremen - Dortmund: Verrückte Regelmäßigkeit

Lange liegt Werder Bremen 1:2 gegen Borussia Dortmund zurück, geht dann in vorletzter Minute in Führung und spielt am Ende nur 3:3.

Wer sich dieser Tage vergnügen will, ist in Bremen genau richtig. Beim 973. Bremer Freimarkt, der großen Volksbelustigung auf der Bürgerweide, fehlt es an nichts. Aber als gäbe es dort nicht schon genügend Fahrgeschäfte, die einem den Magen umdrehen, hat nun auch Werder Bremen, das sportliche Aushängeschild der Hansestadt, eine Achterbahnfahrt sondergleichen hingelegt. Das 3:3 (0:0) gegen Borussia Dortmund war eines jener verrückten Bundesligaspiele, die es in schöner Regelmäßigkeit im Weserstadion zu bestaunen gibt und die neben 42 100 Augenzeugen auch die eigentlichen Hauptdarsteller etwas ratlos zurückließ. „Ich dachte, ich bin im falschen Film“, konstatierte Dortmunds Kapitän Sebastian Kehl.

Bezeichnend, dass beim Schlusspfiff von Schiedsrichter Michael Kempter weder die Werder- noch die Borussen-Profis wussten, ob sie sich nun grämen oder freuen sollten. „Zwei Minuten vor dem Abpfiff wäre ich mit einem Punkt nicht zufrieden gewesen, nach der Nachspielzeit war ich das schon“, sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, der von einem „absolut ungewöhnlichen Spiel“ sprach. Aus gutem Grund: Seine taktisch in einem Tannenbaum-System angeordnete Elf führte bis zur 88. Minuten durch einen von Alexander Frei verwandelten Foulelfmeter, einen Treffer von Mats Hummels und dem vorübergehenden Ausgleich durch Frank Baumanns Kopfball 2:1. Bis die letzten zwei Minuten plus Nachspielzeit anbrachen. Bei einem harmlosen Schuss von Sebastian Boenisch rutschte das Runde unter dem Bauch von Torwart Roman Weidenfeller durch – Claudio Pizarro bedankte sich mit dem 2:2. Und dann stellte der Peruaner all seine technische Klasse unter Beweis – 3:2 in der ersten Minute Nachspielzeit. Doch wer dachte, damit sei dem tollen Treiben ein Ende gesetzt, verkennt die Anfälligkeiten des grün-weißen Gebildes: Nach Fehler von Aaron Hunt stürmte Florian Kringe unbehelligt über die linke Seite, dann lenkte Torwart Tim Wiese den Ball ziemlich unglücklich in die Mitte, wo ausgerechnet der ehemalige Bremer und eingewechselte Mohamed Zidan zuschlug – 3:3 in der zweiten Minute Nachspielzeit.

Trainer Thomas Schaaf versammelte seine Mannschaft, in der Torsten Frings nach den Turbulenzen der Vortage im defensiven Mittelfeld eine solide Leistung zeigte, denn auch sofort in der Kabine, um Grundsätzliches anzusprechen. „Ich habe der Mannschaft ein paar Worte mit auf den Weg gegeben. Ich möchte ein Echo von ihr bekommen. Das war fahrlässig.“ In der Tat herrscht dicke Luft in Bremen, auch wenn Werders-Sportchef Klaus Allofs seine Generalschelte in ironische Worte kleidete: „Wir müssen daran arbeiten, diese Fehler abzustellen. Dazu kann man 24 Stunden Videoberieselung, akustische Signale oder Stromstöße machen. Aber besser wäre es, die Spieler verinnerlichen das, ohne dass wir zu solchen Mitteln greifen.“

Werder hat nun die meisten Treffer in der jungen Saison geschossen. Und kassiert. Dass deshalb gar eine Stromstoß-Bestrafung – wenn auch im Scherz – erwähnt wird, zeigt eine gewisse Machtlosigkeit der Macher. Die Schaaf-Schüler als Unbelehrbare? Der Sportchef glaubt, die Flut an Gegentoren habe „nichts mit dem System zu tun, sondern mit der Bereitschaft alles abzurufen.“ Allofs sagte: „Wir haben schon viel zu viele Punkte liegengelassen. Wir haben nicht die Konstanz, nicht diese Sicherheit – deshalb ist die Spitze mir zu weit weg.“ Schaaf empfahl seinen Profis übrigens, sich besser nach diesem achten Spieltag nicht beim Freimarkt zu verlustieren. „Ich hoffe, dass meine Spieler sich mit diesem Spiel noch am Abend beschäftigen und die Dinge nicht so vorbeirauschen.“ Für den heutigen Vormittag ist dem Vernehmen nach gleich die nächste Kopfwäsche für seine sorglosen Spieler angekündigt.

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