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Der Sprint nach dem Titel. Potsdams Yuki Nagasato ist neben Saki Kumagai (Frankfurt) und Kozue Ando (Duisburg) eine von drei Weltmeisterinnen in der Bundesliga. Foto: dapd

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Sport: Brise statt Tornado

Die Bundesliga der Frauen will den Schwung der WM in die Saison mitnehmen – und schwankt vor dem heutigen Start zwischen Skepsis und Optimismus

Berlin - Der USV Jena hat verstanden, worum es geht. Wenn am heutigen Sonntag die Fußball-Bundesliga der Frauen beginnt, wollen die Vereine den Schwung aus der Heim-WM in die neue Saison mitnehmen. Also zögerte Jenas Geschäftsführer Michael Krannich nicht lange, als der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) anfragte, ob man das Spiel gegen den VfL Wolfsburg nicht um eine Stunde auf 13 Uhr vorverlegen könne, damit die abendlichen Sportsendungen ausführlicher über die Partie berichten könnten. „Das Interesse der Medien ist enorm gestiegen“, sagt Krannich. „Ich denke schon, dass wir von der WM profitieren können.“

Einige Bundesligisten berichten gar von neuen Rekorden beim Dauerkartenverkauf und mehr abgesetzten Vip-Tickets. Von einem Frauenfußball-Boom kann aber keine Rede sein, der WM-Rückenwind ist bislang eher eine sanfte Brise als ein Tornado. Bernd Schröder, langjähriger Trainer von Turbine Potsdam, bleibt auch vor dieser Saison seinem skeptischen Naturell treu. „Wir müssen erst einmal beweisen, dass die Liga trotz des Ausscheidens der deutschen Mannschaft bei der WM spielerische Klasse besitzt“, sagt Schröder. Dreimal in Folge war Turbine zuletzt Deutscher Meister, auch in diesem Jahr zählen die Potsdamerinnen gemeinsam mit dem 1. FFC Frankfurt, dem FCR Duisburg und wohl auch den Wolfsburgerinnen zu den Favoriten, die dem Rest des Feldes enteilt sind. „Es wird so sein wie immer: Es wird eine Zweiklassengesellschaft geben“, glaubt Schröder. Jeder Klub kämpfe für sich, die Ziele und Voraussetzungen der Vereine zwischen Champions League, Abstiegskampf, Wachstum und wirtschaftlichem Überleben seien einfach noch zu verschieden.

Wenn Turbine heute um 14 Uhr gegen den Hamburger SV in die Saison startet, wird man im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion erstmals sehen, wie viele Berliner und Brandenburger die WM neugierig auf Frauenfußball gemacht hat. Rekordmeister Frankfurt meldet, mit 700 Dauerkarten doppelt so viele wie in der vergangenen Saison verkauft zu haben, der Hessische Rundfunk überträgt den Saisonauftakt des FFC gegen Essen-Schönebeck heute ab 11 Uhr live. Manager Siegfried Dietrich glaubt an den Aufschwung. „Der Frauenfußball hat sich durch die WM mitten in die Gesellschaft gespielt“, sagt Dietrich. „Es haben sich neue Gesichter eingeprägt, viele Leute werden jetzt auch neugierig auf die Bundesliga sein.“ Gerade Familien könnten den Frauenfußball als sympathische Sportart für sich entdeckt haben.

Das Leistungsgefälle in der Liga macht Dietrich weniger Sorgen als Bernd Schröder. „Das ganze ist ein Entwicklungsprozess, das lässt sich nicht auf Knopfdruck ändern“, sagt Dietrich. „Ich kann mich an Jahre erinnern, als der 1. FFC Frankfurt alles gewonnen hat. Heute spielen immerhin vier Vereine um die beiden Champions-League-Plätze.“ Für den ersehnten ersten Meistertitel seit 2008 hat sich Frankfurt prominent verstärkt, Fatmire Bajramaj wurde aus Potsdam verpflichtet, die noch bis zum Start der Rückrunde verletzte Kim Kulig kam vom HSV, Saki Kumagai (Japan) und Ali Krieger (USA) standen im Juli im WM-Endspiel auf dem Platz. Rekordnationalspielerin Birgit Prinz hingegen hat ihre Karriere beendet.

„Frankfurt hat die besten Einzelspielerinnen“, gibt Bernd Schröder zu. „Es ist aber eine andere Frage, ob das am Ende dann auch die beste Mannschaft ist.“ Turbines prominenteste Transfers des Sommers – „Neuanmeldungen“ im Duktus von Bernd Schröder – sind die WM-Teilnehmerinnen Antonia Göransson aus Schweden und Genoveva Anonma aus Äquatorial-Guinea, die aus Jena kam.

Ohne Anonma geht es für die Jenaerinnen erneut gegen den Abstieg, wie schon in der vorigen Saison. Bei Geschäftsführer Michael Krannich überwiegt aber trotziger Optimismus. „Drei bis vier Mannschaften werden den Titel unter sich ausmachen – dann haben wir eben hinten einen spannenden Wettbewerb.“ Der interessiert auch den MDR, einen achtminütigen Bericht hat der Sender dem USV versprochen. „Ich denke, das ist ein bisschen zu hoch gegriffen“, sagt Michael Krannich. „Wenn es am Ende drei bis vier Minuten sind, wären wir zufrieden.“

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