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Sport: Brüchige Einheit

Trotz Rogges Vermittlung sind die Länder gegen die Fusion der Sportverbände

Der Konflikt zwischen den Landessportbünden und der Führung des Deutschen Sportbundes (DSB) und des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) um die Fusion der deutschen Sportverbände spitzt sich zu. Das Ergebnis eines Gesprächs zwischen dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Jacques Rogge, und Ekkehard Wienholtz als Vertreter der Landessportbünde (LSB) am Dienstagabend in Frankfurt am Main ist nicht zur Zufriedenheit der Landessportbünde verlaufen. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagte Walter Schneeloch, Präsident des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen. Drastischer formulierte es sein Kollege des Landessportbundes Hessen, Rolf Müller: „Nach dem Gespräch mit Herrn Rogge sehe ich die Fusion in weite Ferne gerückt.“ Streitpunkt ist die zukünftige Stimmenverteilung in der Mitgliederversammlung des neuen Verbandes. Am heutigen Donnerstag kommt es zu einem Spitzentreffen der Verbände in Frankfurt am Main, bei dem der Streit ausgetragen werden soll. Die Sitzungen könnten nach Einschätzung von Beobachtern bis in die Nacht andauern.

Die Landessportbünde sehen im neu zu gründenden Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ihre Einflussmöglichkeiten insbesondere auf den Breitensport schwinden. Bisher hatten die Landessportbünde 47 Prozent der Stimmen in der Vollversammlung des DSB. Im neuen Verband hätten sie nur noch 33 Prozent der Stimmen. Die Mehrheit wäre dann bei den 29 Fachverbänden der olympischen Sportarten. Das muss so sein, damit der neue Verband auch der IOC-Charta (siehe Kasten) entspricht. „Wenn es um Fragen der Olympischen Spiele und olympischer Disziplinen geht, sehen wir das ein, aber es kann nicht sein, dass die olympischen Verbände auch das Sagen haben, wenn es um Fragen der allgemeinen Sportentwicklung in Deutschland geht“, sagte Schneeloch. Wie berichtet, haben die Landessportbünde deshalb eine Sperrminorität in Fragen des Breiten- oder Gesundheitssports gefordert. Bei diesen Themen wäre eine Zweidrittelmehrheit mit den Stimmen der Landessportbünde nötig.

IOC-Präsident Rogge sieht dafür in der olympischen Charta keinen Spielraum. „Rogge hat in dem Gespräch auf das Beispiel Belgiens hingewiesen, wo die olympischen Verbände auch Verantwortung für den Breitensport übernehmen“, berichtete Schneeloch. „Aber wir haben in Deutschland eine andere Situation.“ Wie es jetzt weiter geht, weiß der LSB-Vorsitzende aus Nordrhein-Westfalen noch nicht genau. „Ich glaube nicht, dass wir Landessportbünde das Ergebnis so akzeptieren werden.“ Der hessische LSB-Präsident Müller glaubt, dass Jacques Rogge von Thomas Bach, dem deutschen IOC-Mitglied, schlecht beraten wurde. „Herr Bach hat uns Landessportbünden vorgeworfen, wir würden Gräben aufreißen, ich frage mich aber, wer hier Gräben aufreißt“, sagte Müller. Der gesamte Fusionsprozess sei für ihn bisher „sehr unglücklich und wenig transparent“ verlaufen. Schneeloch stellte noch einmal klar, dass auch die Landessportbünde die Fusion wollen und für notwendig erachten, „aber nicht zu jeder Bedingung“.

Die Befürworter der Fusion versuchten am Mittwoch, die Proteste einzudämmen. „Es gibt auch bei den Landessportbünden unterschiedliche Interessen, nicht alle Länder sind gegen unsere Pläne“, sagte DSB-Präsident Manfred von Richthofen auf Nachfrage. Sein NOK-Kollege Klaus Steinbach mahnte zu ehrlichen Verhandlungen. „Die Landessportbünde können bei Gesprächen nicht so tun, als ob sie für das Projekt sind und es dann im nachhinein wieder anzweifeln.“ Aufklärung über den weiteren Prozess soll das heutige Spitzentreffen geben. Dort soll auch der bisher von NOK und DSB ausgearbeitete Zeitplan diskutiert werden (siehe Kasten), den die Landessportbünde ebenfalls anzweifeln. Der DSB und das NOK wollen sich auf außerordentlichen Vollversammlungen am 10. Dezember formal auflösen. Das geht den Landessportbünden zu schnell. Sie wollen erst im März 2006 endgültig entscheiden und machen rechtliche Bedenken geltend. „Außerdem bleibt nach wie vor ungeklärt, wie sich der neue Verband finanzieren soll“, kritisiert Müller. Der hessische Landessportbund-Chef hat für das heutige Treffen wenig Hoffnung: „Im Prinzip kann man sich das schenken.“

IOC-Präsident Jacques Rogge, der eigentlich für einen Festvortrag nach Frankfurt am Main gereist war und nun unversehens zum sportpolitischen Schlichter wurde, bleibt trotz des Streits in Deutschland optimistisch. „Ich glaube, der deutsche Sport geht gestärkt aus dieser Diskussion hervor“, sagte Rogge.

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