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Sport: Brüder am Balle

Das Duo Schweinsteiger und Podolski ist zurück. Aber sie sind reifer und mehr als nur Folklore

Ascona - Der DFB dreht gerne Filme. Der neueste Streifen ist ein Integrationsspot (siehe Artikel unten). Sollten dem DFB mal die Ideen ausgehen, so ließe sich auch ein Filmchen darüber drehen, wie es der Nationalmannschaft immer wieder gelingt, Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger bei Turnieren auf Trab zu bringen. Beide galten als die Märchenhelden des WM-Sommers 2006. Doch irgendwie wurde das folkloristische WM-Duo anschließend beim FC Bayern von einem tiefen Leistungsloch verschluckt. In diesem Loch muss es sehr dunkel und überhaupt ganz ungerecht gewesen sein. Rechtzeitig zur EM haben sie den Ausgang des Loches gefunden. Sie sind wieder Schweini und Poldi, das Gute- Laune-Paar der Nation. Natürlich freuen sich die Deutschen über ihre Lieblinge, wenn der Poldi seinen linken Fuß auspackt und der Schweini seine Freistöße auf die Köpfe von Klose und Ballack serviert. Aber man fragt sich, wie das geht. Warum zeigen sie ihr Können nicht beim FC Bayern? Laufen an der Säbener Straße nur schlechte Doubles der beiden rum?

Wenn man beiden im Tessiner Quartier der Nationalelf begegnet, machen sie fröhliche, zufriedene Gesichter, es wird geflachst. Aber sie wirken auch reifer und selbstbewusster. Podolski ist mittlerweile Vater geworden, und Schweinsteiger genießt seine Freizeit mit Freundin. Die Zeit zwischen den beiden Turnieren bezeichnen sie als lehrreich. Es sei nicht alles nach Wunsch gelaufen, „allerdings habe ich mich nie so schlecht gesehen, wie es offenbar andere taten“, sagt Schweinsteiger. „Ich weiß aber, dass ich mich noch entwickeln kann. Und das werde ich auch.“ Ganz ähnlich hört sich Podolski an, der sich „total“ auf das Turnier konzentriert: „Wir können es schaffen, wir können den Titel holen.“

Es ist noch nicht lange her, da sahen sich die 23 Jahre alten Bayern-Spieler Kritik aus den eigenen Reihen ausgesetzt. Karl-Heinz Rummenigge hatte den Boom um die deutsche Mannschaft für deren Formschwankungen mitverantwortlich gemacht. „Das Problem unserer Nationalspieler ist, dass sich im öffentlichen Umgang mit der Nationalmannschaft mittlerweile ein allgemeines Beweihräuchern eingestellt hat. Mit stolzgeschwellter Brust kommen sie von der Nationalmannschaft zurück – aber das schadet ihrer Entwicklung“, hatte der Vorstandschef gesagt.

Vergessen schien, dass beide in ihrem Verein überragende Spieler auf ihren Positionen vor sich haben: Luca Toni und Franck Ribéry. Wegen des Franzosen wich Schweinsteiger auf die ungeliebte rechte Mittelfeldseite aus; im Sturm kam Podolski nicht am Italiener vorbei. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass der Verein mir Vertrauen gibt“, sagt Podolski nun in einem Interview. Selbst jetzt, da er doch ein starkes Turnier spiele, verspüre er es immer noch nicht, „weil der Verein nach anderen Stürmern schaut“. Hintergrund ist das offene Interesse der Bayern am Stuttgarter Mario Gomez.

Oliver Bierhoff nimmt die kritischen Worte des Stürmers relativ gelassen. „Das steht ihm auch mal zu“, sagt der Manager der Nationalmannschaft. Podolski habe sich trotz seiner schwierigen Situation in München stets ruhig verhalten. Er könne Podolski nur raten, bei der EM noch zwei gute Spiele zu absolvieren, „mehr kann er ja auch nicht machen“, sagt Bierhoff. Dann würde sich Podolskis Position in jedem Falle verbessern: Entweder er wäre interessant für andere große Vereine, „oder aber der FC Bayern vertraut dann voll und ganz auf ihn“.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie sich im Kreis der Nationalmannschaft sehr wohl fühlen. „Bei uns können sie sich frei entfalten, hier wird ihre Arbeit und ihre Leistung sehr geschätzt“, sagt Bierhoff. Allerdings äußert er auch Verständnis für die Bayern. Beide hätten bei der WM hohe Maßstäbe gesetzt, denen man als junger Spieler permanent nur schwer gerecht werden könne.

Mittlerweile scheint es, als haben Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger ihren Weg gefunden, weg von den Folklorefiguren der WM hin zu gestandenen Profis und Leistungsträgern der Nationalmannschaft. Bei zusammen 106 Länderspielen darf man das auch erwarten. Michael Rosentritt

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