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Bundesliga-Debüt des 1. FC Union: Das Ossi-Gehabe der Unioner nervt

Köpenick in der Bundesliga, der kleine Ostklub gegen das Establishment: wie toll, wie romantisch! Wer fällt auf diese Inszenierung noch herein? Eine Abrechnung.

Eines vorneweg: Ich bin Ossi, Jahrgang 1984, und habe von der Wende nicht viel mitbekommen. Trotzdem drücke ich bis heute Profivereinen aus der ehemaligen DDR die Daumen, etwa den Sportsfreunden aus Rostock (Fußball), Magdeburg (Handball) und ja, auch den Eisbären Berlin (Eishockey).

Mit einem Klub aus den neuen Bundesländern kann ich allerdings gar nichts mehr anfangen. Es handelt sich ausgerechnet um jenen Verein, der Ostalgie und Außenseitertum zur inoffiziellen Satzung erhoben hat und an diesem Wochenende sein erstes Pflichtspiel der Saison 2019/20 bestreitet. Es handelt sich, genau: um den 1. FC Union.

Nach dem Aufstieg der Köpenicker in die Bundesliga konnte man überall lesen, welch außergewöhnlicher Verein da neuerdings ganz oben mitmischen darf. Was für eine Sensation das sei, wie romantisch in Zeiten des durchkommerzialisierten Fußballs! Ich habe genug von dieser Verklärung, der Selbstinszenierung, packt die Klischeekeulen wieder ein! Es nervt gewaltig – und zwar seit Jahren!

Unions Präsident sieht in den Derbys "Abgrenzung und Klassenkampf"

Zum ersten Mal ist mir ein Unioner negativ im September 2012 aufgefallen. Hertha hatte das Zweitliga-Derby in Ost-Berlin mit 2:1 gewonnen – und der Spieler Christopher Quiring, ein Ur-Unioner, sagte hinterher tatsächlich: „Wenn die Wessis in unserem Stadion jubeln, krieg ich das Kotzen.“ Das waren Denkmuster, die ich mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht für möglich gehalten hätte – zumal Quiring, zur Welt gekommen 1990, beim Mauerfall noch nicht einmal geboren war.

Offensichtlich ist diese Art von Schubladendenken beim 1. FC Union auch heute noch salonfähig. Präsident Dirk Zingler hat kürzlich allen Ernstes gesagt, die Spiele gegen Hertha BSC stünden für „Rivalität, Abgrenzung und Fußball-Klassenkampf“. Bei Hertha hatte man zuvor mit der Idee geliebäugelt, das Derby auf den 9. November 2019 zu legen, den 30. Jahrestag des Mauerfalls.

Zwei Vereine aus einer lange geteilten Stadt, einem lange geteilten Land, die nun auf ganz eigenen Wegen in der Bundesliga gelandet sind – wäre das kein wahrhaftiges Symbol für die Wiedervereinigung gewesen? Nicht für Dirk Zingler. „Ich finde das absurd“, sagte Unions Präsident, „keine Ahnung, wie man auf so etwas kommt.“ Dank seiner Wagenburgmentalität war die Idee vom Tisch, bevor auch nur einmal ernsthaft über sie diskutiert werden konnte.

Der neue Hauptsponsor? Ein luxemburgisches Immobilienunternehmen!

Wir, die benachteiligten, abgehängten Ossis, gegen die reichen, privilegierten Wessis: Wer fällt noch auf solchen Blödsinn rein? Offenbar viel zu viele.

Deshalb eine kleine Erinnerungshilfe: Der 1. FC Union trägt das Logo eines luxemburgischen Immobilienunternehmens auf der Brust, dessen zweitgrößter Aktionär ein umstrittener Vermögensverwalter ist. Seinen Aufstiegshelden hat der Verein übrigens zwölf Neuzugänge vor die Nase gesetzt, so viele wie kein anderer Bundesligist in dieser Sommerpause.

Wie lautet noch Nina Hagens Textstelle in der offiziellen Vereinshymne? „Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen? Eisern Union!“ Passender wäre ein leicht abgewandelter Songtitel Udo Lindenbergs: Märchen aus Ost-Berlin.

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