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Team ohne Stars. Die Nürnberger, hier Ilkay Gündogan (links) im Zweikampf mit Stijn Wuytens vom PSV Eindhoven, sind ohne auffällige Solisten meist besser.

© dpa

Bundesliga im Test (3): 1. FC Nürnberg: Der Nachspielmeister

Am 20. August startet die Bundesliga in ihre neue Saison. In unserer Serie testen wir Stärken und Schwächen und Marotten der Vereine. Heute: Beim 1. FC Nürnberg sehnen sich viele nach einer langweiligen Saison.

Was hat sich verbessert?

Mit dem im Nachspiel gegen Augsburg geglückten Klassenverbleib ist das Vertrauen in den Verein weiter gewachsen. Die Zeiten, da ein finanziell latent havarierender 1. FC Nürnberg als Skandalnudel der Liga galt, sind seit einigen Jahren vorbei. Ein im fränkischen Gemüt angelegter Dauer-Pessimismus ist der Zuversicht gewichen, sich in kleinen Schritten vielleicht doch in der Bundesliga etablieren zu können. „Trotz des Abstiegs 2008 spürt man in der Stadt und der Region wieder einen gewissen Stolz auf den Verein“, formuliert es Torwart Raphael Schäfer.

Wer sind die Stars?

Seit dem Missverständnis mit Angelos Charisteas stellt man diese Frage in Nürnberg lieber nicht mehr. Der nette, eifrige, aber völlig glücklose griechische ehemalige Europameister ist immer noch da, obwohl er längst als überzählig gilt. Mehr denn je gilt die noch aus den goldenen Zwanzigern herrührende These, dass Nürnberg am stärksten ist, wenn eine Mannschaft ohne auffällige Solisten auf dem Platz steht; eher stille Stars wie Javier Pinola oder Marek Mintal sind deshalb die großen Publikumslieblinge. Dass der bekannteste Neue ein freundlicher schwedischer Facharbeiter namens Per Nilsson (aus Hoffenheim) ist, passt ins Bild.

Welche Taktik ist zu erwarten?

Trainer Dieter Hecking ist ein bekennender Freund der Doppelsechs, die im Zweifelsfall noch zur Dreiersechs werden kann – so knöpfte Hecking sogar dem FC Bayern einen Punkt ab. „Nicht so viel verraten bitte“, bat Bayern-Trainer Louis van Gaal später, als Hecking vor der Presse das Spiel analysierte. Nürnbergs Coach versteht es glänzend, sein Team auf Schwachstellen des Gegners einzustellen. Angesichts der Torschusspanik (nur 32 Treffer in der vergangenen Saison) muss dabei wohl weiter eine starke Defensive das Schlimmste verhindern. Über ein schnelles Umschalten bei Ballbesitz, das aus der dritten Sechs eine Zehn macht, sollen aber auch die Angriffsbemühungen effizienter werden.

Wie viel Macht hat der Trainer?

Macht in Form von Allmacht wurde in Nürnberg zwanzig Jahre lang von Michael A. Roth ausgeübt. Seit dessen Rückzug vor knapp einem Jahr sortiert sich der Hof neu. Im Oktober räumt Franz Schäfer als letzter ehrenamtlicher Präsident seinen Stuhl und übergibt die Geschäfte an zwei hauptamtliche Vorstände. Neben der Strukturreform und dem Neubau des Funktionsgebäudes hat Schäfer auch sein drittes Ziel erreicht: den Bundesligaverbleib. Dank Hecking, der sich mit dem kaum mehr für möglich gehaltenen Klassenverbleib größten Respekt verschafft hat. Da sich Franz Schäfer einen entspannten Herbst im Amt wünscht, dürften auf Hecking, wenn nicht alles schiefgeht, relativ störungsfreie Wochen warten.

Was erwarten die Fans?

Ausnahmsweise einmal nicht die zehnte Meisterschaft. Sexy fände es Manager Martin Bader, die graue Maus der Liga zu sein. Das trifft die Stimmungslage. Nach oft allzu bunten 15 Jahren zwischen Bundesliga und Regionalliga, garniert mit einem Pokalsieg und dem Ausflug in den Europacup, sehnt man sich sogar nach ein bisschen Langweile – zum Beispiel durch eine Saison im Niemandsland. Daran glauben die Wenigsten; mit Platz 15 wären fast alle zufrieden.

Was ist in dieser Saison möglich?

Wer als Meister abgestiegen ist (1969) und als Pokalsieger (2008), wundert sich über nichts mehr. Möglich ist (fast) alles; der inoffizielle Titel des alleinigen Rekordabsteigers (bisher sieben Abstiege haben auch Bielefeld ereilt ) ist ebenso in Reichweite wie die dritte Relegationsteilnahme hintereinander (nach nun vier Siegen in vier Relegationsspielen gilt der 1. FC Nürnberg schon als deutscher Nachspielmeister). Verschafft sich das junge, bisher nicht immer als besonders stressresistent aufgefallene Team mit einem glücklichen Start etwas Selbstvertrauen, könnte es aber auch wunderbar langweilig werden.

Hans Böller

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