zum Hauptinhalt
Charisteas

© dpa

Bundesliga im Test: Nürnberg: 1. FC Nettigkeit

Start unserer Serie zur Fußball-Bundesliga: In Nürnberg ist die Abwehr stabiler als die Stimmung.

Am 7. August startet die Bundesliga in ihre neue Saison. In unserer Serie testen wir Stärken, Schwächen und Marotten der Vereine. Heute Teil eins: 1. FC Nürnberg.


Was hat sich verbessert?

Die Stimmung. Der Klub, der sich Club nennt, hat 28 000 Dauerkarten verkauft – mehr als nach dem Pokalsieg 2007. Die Fans sind immer erstligareif; egal in welcher Liga ihr Verein gerade spielt, egal wie viele Abstiege zu verkraften sind (in Worten: sieben). Von der Vereinsführung ließ sich Erstligareife nie behaupten, und ob es ohne den zurückgetretenen Präsidenten Michael A. Roth jetzt besser wird, weiß keiner. Die Stimmung in der Führungsetage hängt immer bloß vom Tabellenplatz ab.

Wer sind die Stars?

Der einzige Topstar, Präsident Roth, ist nicht mehr dabei. Die Publikumslieblinge auf dem Feld heißen Marek Mintal, Javier Pinola, Andreas Wolf und Raphael Schäfer, am meisten diskutiert wird aber über Angelos Charisteas. Der nicht nur beliebte griechische Ex-Europameister kam nach dem Pokalsieg 2007, erlebte 18 Monate Abstiegsangst (in der Ersten und dann der Zweiten Liga) und flüchtete schließlich nach Leverkusen. Jetzt ist er zurück und stellt fest, dass die Stimmung auf einmal so ganz anders ist. Ob deshalb in Zukunft alle nett zum netten „Harry“ sind? Mal sehen.

Welche Taktik ist zu erwarten?

Im 4-4-2-System fühlt sich die Elf sicher. Aber die generelle Taktik ist eine andere: aktiv mitspielen, selbst agieren und dabei schnell dazulernen. So wünscht es sich Trainer Michael Oenning, der es für hilfreich hielte, würde die Stimmung in der Führungsetage während dieser Entwicklung nicht allein am aktuellen Tabellenplatz festgemacht. Den „Erfolg nicht mehr nur über Punkte definieren“ will der Trainer, dessen im vergangenen Winter stark verjüngtes Team vor allem in der Defensive schon überzeugte. Daheim blieb es in der gesamten Zweitliga-Rückrunde bei einem einzigen Gegentor.

Wie viel Macht hat der Trainer?

Es ist erst zwei Wochen her, dass sich Ex-Präsident Roth und sein Nachfolger Franz Schäfer öffentlich darüber stritten, wer von beiden der größere Freund und Helfer für Trainer Oenning gewesen sei. Alle, alle waren immer und in jeder Hinsicht total und restlos von Oenning überzeugt (hört man jedenfalls seit dem Aufstieg). Mit der verblüffend erfolgreichen Rückrunde ist der von Manager Martin Bader gegen einige Widerstände zum Chef beförderte Münsterländer zum Herzensfranken aufgestiegen. Aber mit dem Auf- und Absteigen geht es in Nürnberg schnell, wie die Herzensfranken a.D. Augenthaler, Wolf und Meyer bestätigen können.

Was erwarten die Fans?

Schon zur jüngsten Jahrhundertwende haben die Anhänger ihre langfristigen Erwartungen klar artikuliert. Das Lied geht so: „Zweitausendzehn, ihr werdet es schon sehn, wir holen den U-Uefa-Cup und wir werden Deutscher Meister“. Weil die Sache mit dem Uefa-Cup in dieser Saison nichts werden kann, bleibt bloß noch der Gewinn des zehnten Meistertitels. Wahrscheinlich wäre eine nicht ganz unbedeutende Minderheit auch mit Platz zwei gerade noch zufrieden; Pessimisten und Schwarzseher gehen von Rang drei aus. Und die ganz normalen Beobachter? Stellen wahrscheinlich fest, dass es schwer ist, im traditionell von emotionalen Turbulenzen geschüttelten Club einfach nur ganz realistische Ziele anzugehen.

Was ist in dieser Saison möglich?

Platz 15, hofft Manager Bader. Trainer Oenning wäre notfalls auch mit Platz 16 zufrieden – vor allem nach den guten Erfahrungen in der Relegation. Ein bisschen Taktik ist dabei; in der Zweiten Liga stellte sich der Erfolg ein, als keiner mehr laut vom Aufstieg sprach. Oennings Mannschaft hat darüber eine auffällige Teamdynamik entwickelt, die jüngere und erfahrenere Spieler gemeinsam beflügelte. Die Vorfreude auf die Bundesliga ist gewaltig; viel wird davon abhängig sein, ob der Start genauso schön wird wie die Zeit davor. Marek Mintal sagt: „Die Fans haben die Bundesliga verdient. Und vieles ist jetzt möglich.“ Auch für ihn: Vor vier Jahren war Mintal Torschützenkönig, als erster Nürnberger überhaupt.

Hans Böller[Nürnberg]

Zur Startseite