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Der Klassenlehrer. Trainer Michael Köllner kann gut mit jungen Spielern. Davon hat der 48-Jährige viele in seinem Team.

© imago/Zink

Bundesliga-Saisonvorschau (1): 1. FC Nürnberg: Jung, billig, radikal

Beim Aufsteiger sind bislang einzig die Trikots erstklassig. Für die Mannschaft gilt das nur bedingt. Immerhin macht der Trainer Hoffnung.

Am 24. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil 1:  1. FC Nürnberg.

Was hat sich verbessert?

Das Trikot. Statt dunkelgrauer, abgesetzter Ärmel kommt das neue Heim-Outfit im ikonischen Bordeauxrot-Metallic mit Querstreifung und stylischen Muster-Ärmelbünden daher. Auch der merkwürdig zweifarbige Kragen der Vorsaison wurde durch eine hippe Poloversion mit Granddad-Kragen ersetzt. Aber jetzt mal ehrlich: Gute Frage, nächste Frage. Der Club wird diese Saison eine ziemliche Wundertüte. Wichtige Spieler wie Tobias Werner oder Kevin Möhwald, die maßgeblich zum Bundesliga-Aufstieg beigetragen haben, haben den Verein verlassen.

Aufgefüllt wurde der Kader fast ausschließlich mit Nachwuchsspielern und jungen Talenten. Faszinierend: Neun Abgänge hat der Klub zu verzeichnen, die genau null Euro Ablöse einbrachten. Immerhin kosteten alle sieben Neuzugänge zusammen auch nur 700 000 Euro. Die Transferpolitik hat sich also nicht unbedingt verbessert. Dafür aber das Durchschnittsalter. Die Abgänge waren im Schnitt 28,1 Jahre alt, die Neuzugänge nur 22,7. Nürnberg setzt also auf radikale Verjüngung einer sowieso schon jungen Mannschaft. Das kann funktionieren, muss es aber nicht.

Wer sind die Neuen?

Ja wirklich, wer sind die Neuen? Hinten auf dem Feld angefangen, kennt man zumindest einen von ihnen: Christian Mathenia. Kam vom Hamburger SV. Konnte dessen ersten Bundesliga-Abstieg auch nicht verhindern. War mal mit Abstand bester Hamburger auf dem Platz und mal mindestens so schlecht wie alle anderen. Verlor dementsprechend seinen Stammplatz. Muss sich am Valznerweiher im Kampf um den Titel „Nummer eins“ erst einmal gegen den Stammkeeper der letzten Saison, Fabian Bredlow, durchsetzen.

Die anderen Zugänge? Nun ja. Haben Sie schon mal von Kevin Goden, Timothy Tillman, oder dem mit einem jetzt schon legendären Namen versehenen Törles Knöll gehört? Nein? Wir auch nicht. Kamen aber aus der U19 des 1. FC Köln und Bayerns beziehungsweise Hamburgs zweiter Mannschaft. Keine Bundesligaerfahrung, ebenso wenig Ablöse – Überraschungen sind also nur in positive Richtung möglich. Zu guter Letzt wäre da noch Robert Bauer, den die Franken mit Kaufoption von Werder Bremen ausgeliehen haben. Der einzige mit ordentlichen Referenzen: 67 Bundesligaspiele, im deutschen Olympiakader 2016, polyvalenter Verteidiger für beide Außenbahnen oder im Zentrum. Bauer macht in Nürnberg Hoffnung auf defensive Stabilität, gerade nachdem sich Ewerton im Trainingslager verletzte. Was Nürnberg allerdings wirklich fehlt, sind Verstärkungen, bei denen man sicher sein kann, dass sie direkt weiterhelfen.

Wer hat das Sagen?

Trainer Michael Köllner. Und das hat er sich verdient. In der Saison 2016/2017 übernahm er den „Glubb“ für die letzten Saisonspiele und führte ihn ein Jahr später prompt in die Bundesliga. Köllner setzt auf überfachliche Bildung, mit seinem Kader diskutierte er vor der Bundestagswahl über Politik oder nahm die Spieler im Trainingslager mit ins Kloster. Der Coach, der früher mal Zahnarzthelfer war, identifiziert sich voll und ganz mit seinem Verein – und genießt dementsprechenden Respekt bei Verantwortlichen, Mannschaft und Fans.

Der vielzitierte verlängerte Arm Köllners auf dem Platz ist Kapitän Hanno Behrens. Der dürfte die Saison besonders motiviert angehen. 2014/2015 schaffte er mit dem SV Darmstadt 98 den Bundesliga- Aufstieg – machte aber bislang kein einziges Bundesligaspiel. Weil er noch während der damaligen Zweitliga-Saison bei Darmstadts Konkurrenten Nürnberg unterschrieb, der dann den Aufstieg verpasste. Jetzt darf er endlich im Oberhaus ran und wird wichtig werden, wenn es darum geht, seine jungen Kollegen auf und neben dem Platz anzuleiten.

Was erwarten die Fans?

Tatsächlich ist man sich im Nürnberger Umfeld nicht wirklich sicher, was man von der kommenden Saison erwarten kann. Wirkliche Verstärkungen können die Fans keine ausmachen, klare spielerische Verbesserungen lässt die Vorbereitung auch noch nicht erkennen: Der Klassenerhalt wäre dementsprechend das Höchste der Gefühle, der Club setzt darauf, Konkurrenten wie Fortuna Düsseldorf oder Mainz 05 hinter sich lassen zu können. Das Motto der Saison entnehmen die Nürnberger Anhänger einem Klassiker der fränkischen Fan-Gesang-Dichtung: „Unser Club, der hat Probleme, und die hat er überall. Mit'm Gegner, mit'm Schiri und am meisten mit'm Ball!“

Was ist in dieser Saison möglich?

Objektiv betrachtet dürfte viel mehr als der Klassenerhalt nicht drin sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Rekordaufsteiger der Bundesliga die Chance bekommt, seine Führung in dieser Statistik in der Folgesaison weiter auszubauen, ist vielleicht sogar noch größer. Im Endeffekt wird es auf Köllners Fähigkeiten ankommen, dem jungen Team eine spielerische Linie einzuimpfen und es zu einer Einheit zu formen. Dass es ihm gelingt, ist zumindest nicht völlig abwegig, schließlich trainierte er unter anderem Deutschlands U15 und die Bayerischen U-17- und U-19-Landesauswahlen. Auch in Nürnberg war er für die U21 verantwortlich, bevor er Cheftrainer der ersten Mannschaft wurde.

Überträgt man die ganze Sache jedoch auf eine Makro-Ebene und bezieht die vergangene Bundesligasaison in die Betrachtung mit ein, könnte tatsächlich mehr drin sein. Beim spielerischen Niveau der meisten Konkurrenten dürfte Nürnberg locker mithalten können. Wer aus der „besten zweiten Liga aller Zeiten“ (Werbung des übertragenden TV-Senders) in die vermutlich schlechteste Bundesliga der letzten 20 Jahre aufsteigt, kann schon mal für eine Überraschung sorgen.

Und sonst?

Die Verantwortlichen denken groß. Nationalmannschaftsgroß, könnte man sagen. So haben sie sich einen unfassbar schrecklichen Hashtag für die Trikotpräsentation ausgedacht: #NUESTART. Was das Resultat solcher Monstrositäten à la #ZSMMN ist, konnte man ja bei der Weltmeisterschaft sehen. Das Liga-Äquivalent zum Vorrundenaus heißt übrigens: Abstieg als 18. Denn Strafe muss sein.

Nächster Teil: Fortuna Düsseldorf

Tobias Finger

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